Название | Das Urvieh |
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Автор произведения | Margret Jacobs |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738048070 |
Und wenn die Menschen ihn doch einmal sahen, dann würden sie ihn, mit dem Tuch um die Hüften, eher als einen Menschen ansehen, als ohne Tuch, da war sich Abellus relativ sicher. Nun, seine schwarze Haut war in dem Fall wohl das kleinere Problem, um als Mensch durch zu gehen, denn er hatte bereits einen Mann mit schwarzer Haut in dem Gebäude gesehen. Der kam ab und zu, saß auf einem der Holzstücke in dem großen Raum und hörte dem Mann von Vorne zu.
Und jetzt hatte Abellus auch noch ein Tuch um die Hüften geschlungen, ganz wie der Mann, der an den zwei Holzstücken hing, hoch oben, fast unter der Decke des großen Raumes. Er schwebte da so und schaute mit geneigtem Kopf auf den Boden. Abellus war der Blickrichtung gefolgt, doch er konnte nichts Besonderes finden, wo der Blick des angenagelten Mannes auftraf. Das war für ihn ein Rätsel. Wieder eins.
Nun, er wusste, dass der Mann an den Holzstücken, kein echter Mann war, denn er war nicht lebendig. Er war wohl eher ein Kunstwerk, das die Menschen besonders liebten, denn es hing sehr zentral im Raum und konnte von allen Seiten gut gesehen werden. Abellus hatte sich eigens dafür fast überall im Raum hingestellt oder gesetzt. Ohne Zweifel, diese Mann-Darstellung war wichtig für die Menschen. Aber warum, ja auch das wusste Abellus nicht. Aber er dachte sich, wenn er ab jetzt in der Menschenwelt so ein Tuch trug, wie der Mann am Holz, dann war er den Menschen doch schon recht ähnlich. Nein, Holda würde nichts mehr an seinem Tuch verändern müssen.
Die Tage darauf gab der Mann am Holz Abellus Rätsel auf. Abellus war sehr neugierig und da er noch nie einen nackten Menschen-Mann gesehen hatte, versuchte er hinter das Tuch des Mannes am Holz zu blicken. Dafür holte er sich einen Stuhl heran, der in der Ecke stand und stieg hinauf. Er verrenkte seinen Kopf, um möglichst nahe an das Tuch heran zu kommen. Doch man konnte nicht dahinter blicken.
Abellus war enttäuscht, er hätte zu gerne gewusst, wir ein Menschen-Mann in seiner Gesamtheit aussah. Na klar, es hätte ihn auch sehr interessiert, wie eine Menschen-Frau nackt aussah, doch es gab in dem Raum und auch in den anderen des Gebäudes, keine nackte Frau. Die waren alle mit sehr viel Stoff bedeckt und er konnte nur Andeutungen von Brüsten entdecken. Nichts verriet, wie sie unten herum aussahen. Er fand es auch lustig, dass keine der Menschen-Frauen an einem Holzstück hing. Die Frauen-Darstellungen standen oder waren auf flachen Flächen zu sehen.
Und was Abellus noch bemerkte, war, dass keiner der Menschen, die hier verewigt waren, dunkle Haut hatten, so wie er. Sie waren alle hell-häutig. Allerdings gab es eine Flachflächendarstellung von einem Lebewesen, dass Abellus ein wenig ähnlich sah. Es lebte in Flammen, hatte das Maul weit aufgesperrt und machte einen sehr furchteinflößenden Gesichtsausdruck. Vielleicht hatte es ja auch Angst oder litt unter dem Feuer. Es war keine schöne Szene.
Das Lebewesen hatte dunkle Haut und sehr große, schwarze Augen. Und es war vollkommen nackt, allerdings auch ohne Geschlechtsteil. Es hatte zu große Füße und glich schon irgendwie auch einem Menschen. Es lief auf allen Vieren und hatte Arme und Beine. Abellus hatte sich diese Darstellung sehr lange angeschaut. Das Wesen hatte Ähnlichkeiten mit ihm und mit einem Menschen. Vielleicht war es ja ein Mischwesen. Eine Kreuzung aus Koli und Menschen? Was hätte er darum gegeben, einfach einen Menschen nach diesen Dingen fragen zu können.
Hannelore schaute aus dem Fenster und träumte vor sich hin. Ach, dachte sie, wenn doch jetzt ein schöner Mann vorbei käme und mich einfach von hier entführen würde. Ihre Träumerei wurde von dem Öffnen der Bürotür abrupt unterbrochen. Thomas Baldun kam hinein gestürmt und ohne einen Gruß zu sagen oder überhaupt etwas von sich zu geben, schnappte er sich den Plastikbeutel aus dem Abfalleimer und war auch schon wieder fort.
>>Der ist auch so ein Beziehungstrottel<<, murmelte sie vor sich hin. >>Gibt es denn hier nur solche Kerle?<<
Thomas Baldun stürmte den Gang hinauf, in Richtung Jugendküche. Die Verbindungstür quietsche lauthals und erinnerte ihn daran, dass er sie mal ölen müsste. Doch er lief einfach weiter und dachte daran, heute mal eher Schluss zu machen. Er wollte sich noch mal mit sich allein vergnügen – dies mal zu Hause bei sich - und dann früh ins Bett gehen.
Dieser Tag war mal wieder so frustrierend gewesen. Er konnte die Leute hier einfach nicht mehr sehen. Neben seinem Chef, ging diese frigide Sekretärin ihm auf den Geist. Die hatte bestimmt Sex gehabt, das war sie zuletzt fünfzehn gewesen. Zumindest sah sie danach aus, als würde sie keinen an sich ran lassen. Er wusste, dass sie nicht verheiratet war, noch nie war. Und dass diese ärmlich und zu brav aussehende Frau auf Frauen stand, konnte er sich vorstellen oder auch nicht. Und wenn, war es ihm auch egal. Er wäre nie auf die Idee gekommen, zu versuchen, diese Frau Meier flach zu legen. Diese Frau war einfach nicht sein Geschmack. Die hatte aber auch nichts Erotisches an sich. Ihre Brüste waren zu klein. Ihr Haar schon leicht angegraut und sie schaute immer verschreckt, wenn er ihr zu nahe kam. Daher bemühte er sich stets, sie so schnell wie möglich wieder allein zu lassen. Ja, im Laufe der Zeit hatte er es sogar ab und zu aufgegeben, auch nur einen Gruß mit ihr zu wechseln. Diese Frau musste man einfach ignorieren.
Mist! Der Pastor hatte ihn gesehen. Jetzt konnte er nicht einfach still heimlich durch den Hinterausgang verschwinden. Sein Dienst machte es manchmal erforderlich, Dinge für die Gemeinde zu beschaffen. Und die konnte er nur außerhalb der Kirche bekommen. Daher fiel es nicht auf, wenn er ab und zu abwesend war. Aber jetzt hatte der Chef ihn erblickt und wollte bestimmt wieder was von ihm.
Thomas Baldun versuchte so unauffällig wie möglich aus dem Blickfeld von Pastor Krech zu kommen. Doch er musste wieder durch die quietschende Verbindungstür gehen, und dass würde der Pastor hören und so auf ihn aufmerksam werden. Also ging er leise in die Mitarbeiterküche und hoffte, Pastor Krech hätte ihn schon vergessen. Er öffnete vorsichtig eine der Schubladen und tat so, als würde er nach etwas suchen. Pastor Krech erschien im Türrahmen der Mitarbeiterküche. Das war es heute mit „früher nach Hause gehen“ und sich erneut entspannen.
Hannelore zwirbelte an einer ihrer Haarsträhnen herum. Sie war heute durch den Wind gegangen und so hatten sich einige Haare aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst. Sie mochte es – manchmal – wenn sie etwas unordentlich aussah. Sie war zwar so erzogen worden, dass kein Fältchen an ihrem Rock zu sehen sein durfte, aber es gelang ihr immer öfters, solche rigiden Anforderungen ihrer Mutter zu hintergehen.
Sie lebte schon lange nicht mehr bei Mutter. Aber diese Frau wohnte in ihrem Kopf, öfters, als ihr das lieb war. Sie fragte sich, ob das der Grund war, warum sie keinen Partner hatte. Mutter dominierte immer noch ihr Leben und war ihr Partner fürs Leben. Zumindest war es bisher so gewesen. Sie hasste es selber, dass es so war. Aber Mutter war allgegenwärtig. Sie wünschte sich, sie könnte die alte Frau mit einem Schlag loswerden.
Sie stellte sich vor, wie sie mit einem Mann aus Afrika, der so schwarz war, wie das Auto von Pastor Krech, durchbrannte. Ein Asiat wäre auch nicht schlecht gewesen. Hauptsache jemand, der ihre Mutter auf die Palme gebracht hätte. Das hätte ihr gefallen.
Sie betrachtete ihre schon sehr abgetragenen Halbschuhe. Sie konnte es sich nicht leisten, neue zu kaufen. Viel zu teuer. Manchmal ging sie auf den Trödelmarkt am Wochenende, um billig gebrauchte Kleidung zu erstehen. So hatte sie preisgünstig einige Kleidungsstücke erwerben können und hatte somit Kleidung zum wechseln. Ihr war es peinlich, in abgetragenen Klamotten auf der Arbeit zu erscheinen. Wenn sie einkaufen ging oder Freundinnen besuchte, fand sie es nicht so schlimm, dass man ihr ansah, dass sie kaum Geld hatte. Aber auf der Arbeit. Zum Glück hatte Pastor Krech noch nichts in der Richtung gesagt, wo er doch auch sonst immer so unzufrieden mit dem war, was sie machte oder darstellte.
Am Sonntag sah es für Pastor Krech obszön aus, wie die Münder der Knieenden sich vor seiner Hand öffneten. Er konnte bei manchen die dunklen Zahnfüllungen sehen und auch, ob sich jemand die Zähne geputzt hatte oder nicht. Das nasse Rosa um die Zähne herum sah aus, wie ekelhafter Fisch. Er mochte keinen Fisch. Und bisweilen hatte er den Eindruck, dass die Münder nach Fisch rochen und der Geruch stieg zu ihm hinauf und erreichte