Tahiti. Gerstäcker Friedrich

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Название Tahiti
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754103715



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des Mädchens.

      Das holde Kind schlug aber verschämt den Blick zu Boden, und so zart war die lichtbraune Haut, daß René deutlich darauf das dunkle Erröthen, das ihre Schläfe und Wangen färbte, erkennen konnte. Gerade jetzt wurde aber seine Aufmerksamkeit wieder auf die Schaar der Männer gelenkt, die sich ihm näherten und ihn noch einmal frugen, ob er gutwillig zu ihnen heruntersteigen wolle oder nicht.

      „Gewiß!" rief René jetzt freudig, und war es früher schon seine Absicht gewesen, so hatte ihn jetzt die Gestalt des holden, ihm gegenüber stehenden Kindes nur noch darin bestärkt - „gewiß will ich hinunter kommen und bei Euch bleiben, aber Ihr müßt mir versprechen, daß Ihr mich nicht festhalten oder binden wollt. - Freiwillig komme ich in Eure Mitte, und freiwillig werde ich darin bleiben, denn das Schiff, was mich zurückforderte, hat die Insel verlassen, um nicht wieder zurück zu kehren. Wollt Ihr mir also fest und aufrichtig Sicherheit für meine Person versprechen, so steige ich augenblicklich zu Euch nieder, und ich hoffe, wir sollen recht gute Freunde zusammen werden. Seid Ihr das zufrieden?"

      Die Insulaner, denen Raiteo die Worte des jungen Mannes verdolmetscht hatte, besprachen sich kurze Zeit in lauter, lärmender Stimme mit einander, und dieser wandte sich dann wieder zu ihm und sagte, freundlich dabei mit der Hand winkend:

      „Gut, weißer Mann, - a haere mai - sei willkommen /36/ und bleib bei uns, bis Dein Schiff wieder zurückkommt, oder so lange Du willst!"

      „Vortrefflich!" rief der junge Franzose lachend - „das ist ein Vorschlag zur Güte, und die Sache löst sich freundlicher als ich erwarten durfte." Damit schob er seine Terzerole in die Tasche, drückte sich die Mütze wieder in die Stirn, und wollte sich eben über die Steine, die seine Festungswerke bildeten, hinüberschwingen, als ihn ein Ruf in gutem Englisch plötzlich nicht allein daran verhinderte, sondern auch erstaunt und überrascht ausschauen machte.

      Es war das junge holde Mädchen, das, den rechten Arm gegen ihn ausgestreckt, laut und fast ängstlich im reinsten Englisch rief:

      „Halt, Fremder - halt - sie sind falsch - sie wollen Dich binden und halten, und dem Schiff, das ihnen das Lösegeld zurückgelassen hat, wieder ausliefern - traue ihnen nicht und bleibe wo Du bist, bis Dich der König selber seines Schutzes versichert hat." Dann sich aber gegen die unten Stehenden wendend, unter denen Raiteo die hervorragendste und jedenfalls bestürzteste Persönlichkeit bildete, denn er allein hatte zu seinem Schrecken verstanden, wie das junge Mädchen ihre eigenen Landsleute an den Fremden, seiner Meinung nach, verrieth, rief sie mit zürnender, fast drohender Stimme in der schönen, klangvollen melodischen Sprache ihres Stammes:

      „Schäme Dich, ahina2 - schämt Euch Ihr Alle, den armen hutupanutai3 verrätherisch unter Euch locken und überfallen zu wollen. - Wo sind seine Verwandten - wo seine Eltern - wo seine Geschwister? - weit, weit von hier, und um schnöden Lohn drängt es Euch, ihn seinen Feinden zu überliefern. Und Ihr nennt Euch Christen? Ihr prahlt damit in den öffentlichen Versammlungen, daß Ihr Euern Nächsten lieben wollt wie Euch selbst, und Anderen /37/ nicht das zufügen möchtet, was Euch nicht selbst geschehen solle? Schämt Euch in Eure Seele hinein, daß Euch ein armes junges Mädchen zurechtweisen und Eure Ehre retten muß vor dem Fremden!"

      Kaum aber hatte sie diese Worte gesprochen, und sah wie Aller Blicke auf sie gerichtet waren, als auch die natürliche mädchenhafte Scheu wieder jedes andere Gefühl verdrängte. Das Blut schoß ihr in Strömen nach den Schläfen, und die Blicke niederschlagend, als ob sie selber jetzt gerade eine unrechte Handlung gethan, und nicht im Gegentheil Andere von einer solchen zurückgehalten hatte, glitt sie in die sie dicht umschließenden Büsche zurück, und war auch im nächsten Moment hinter dem Felsenhang verschwunden.

      René, der bei dieser so zeitgemäßen Warnung der Jungfrau rasch seine Stellung wieder eingenommen hatte, und jetzt mit gezogenen Waffen und finsterem Blick die etwas verlegen unter ihm stehende Schaar betrachtete, konnte an deren ganzem Betragen leicht und deutlich sehen, wie viel Grund zu jener Anschuldigung vorhanden gewesen. Raiteo besonders, der bei den allsonntäglichen religiösen „meetings" eine Hauptrolle spielte, schien sich über den ihn am tiefsten verletzenden Vorwurf zu ärgern. Die Mädchen und Frauen flüsterten aber lebhaft untereinander, und aus den freundlichen ihm zugeworfenen Blicken durfte René wohl urtheilen, daß er den schönen Theil seiner Feinde nicht mehr zu seinen Feinden zählen durfte, und daß dieser vollkommen mit dem Betragen einer ihrer Schwestern einverstanden sei.

      Die Männer beriethen sich indessen eine ganze Zeit lang mit einander, sahen dann wieder nach dem Schiff aus, das mehr und mehr in der Ferne, und zwar nach Westen hin verschwand, und schienen total rathlos zu sein, was sie eigentlich thun sollten. So verging der Nachmittag; René beschloß aber nichts zu unternehmen, bis das Schiff erst einmal gänzlich aus Sicht sei. Zeigten sich die Indianer dann morgen noch eben so hartnäckig, dann wollte er versuchen, ein Canoe zu bekommen und von der Insel zu fliehen, denn er /38/ konnte sich nicht verhehlen, daß der Delaware, nach Allem, was ihm das junge Mädchen davon gesagt, wenigstens die Absicht habe, die Insel wieder anzulaufen. Das hing indessen noch Alles theils von dem Weg ab, den die Fische nahmen, theils ob er an einem oder mehreren festkam, denn so lange er den Fisch langseit hatte, konnte er nicht segeln und trieb immer weiter nach Westen ab. Indessen stellte sich aber auch bei ihm wieder Hunger und Durst ein, und theils diesen zu befriedigen, theils den Insulanern zu zeigen, daß er nicht die mindeste Furcht und noch ganz guten Appetit habe, setzte er sich oben auf seine Befestigungswerke und begann seine etwas hinausgeschobene Mahlzeit nach Kräften zu halten.

      Erst als es Abend wurde, verließen ihn die Insulaner - und zwar ohne weiter mit ihm zu verhandeln - bis auf den letzten Mann, und seine einzige Sorge war jetzt, daß sie ihn in der Nacht, wenn er eingeschlafen wäre, überrumpeln möchten. Einen solchen Versuch machte der Feind aber wahrscheinlich erst mitten in der Nacht, und seine Kräfte nicht unnütz und übermäßig anzustrengen, beschloß er sich gleich nach Dunkelwerden eine Stunde zum Schlafen niederzulegen. Nasch dem Entschluß die That folgen lassend, schob er sein Bündel als Kopfkissen zurecht, gebrauchte nur die Vorsicht, an dem am leichtesten zu ersteigenden Platz einen Stein so locker zu placiren, daß er bei der leisesten Berührung niederfallen mußte - und warf sich dann mit sorgloser Ruhe auf den harten Boden und dem Schlaf in die Arme.

      Um den armen René möchte es aber schlecht gestanden haben, hätten die Insulaner wirklich beabsichtigt, in der Nacht etwas gegen ihn zu unternehmen, denn lange nach Mitternacht berührte eine leichte Hand seine Schulter, ohne daß er erwacht wäre.

      „Fremder," sagte da eine sanfte, weiche Stimme, und das junge schöne Mädchen, das neben ihm stand, legte ihre kalten Finger an seine vom festen Schlaf erhitzte Stirn.

      „Ja," sagte René, die Augen öffnend und umschauend - /39/ „ja - schon acht Glasen?"4 - die kalte Nachtluft strich über ihn hin - um ihn rauschte das Laub des Waldes und die hellen, funkelnden Sterne blickten klar auf ihn nieder. In dem Moment schoß ihm auch die ganze Gefahr seiner Lage durch die Seele, und rasch emporspringend, das Terzerol wie instinctartig im Griff, schien er den Angriff zu erwarten.

      „Ihr seid eine vortreffliche Schildwache," lachte aber das junge Mädchen, das ruhig auf seinem Platz stehen geblieben war - „wenn Ihr nicht besser über anderer Leute Gut wacht, als Eure eigene Sicherheit, möchte ich Euch wahrlich nicht einer Banane Werth vertrauen."

      René faßte sich an die Stirn - er wußte im ersten Augenblick wahrhaftig nicht, ob er wache oder träume. Das ganze Fremdartige seiner Umgebung, das schöne lachende Mädchen dicht vor ihm, ein dunkles Bewußtsein drohender Gefahr, die über ihm schwebe, und seine Sinne noch halb von dem kaum erst abgeschüttelten tiefen Schlaf befangen, verlangte alles, daß er sich erst sammle, und es verging wohl eine Minute, ehe er seine wirkliche Lage wieder vollständig begriff.

      Das junge Mädchen stand indeß, mit untergeschlagenen Armen, die zarten Lippen fest zusammengepreßt, und den Kopf schüttelnd vor ihm, und sagte endlich halb lachend, halb erstaunt:

      „Bist Du nicht ein wunderlicher Mann, Fremder - schläfst hier mitten zwischen Deinen Feinden, als ob Du daheim im sichern Hause, von den Deinen bewacht, lägest und nicht ein Preis auf Dein Einbringen gesetzt sei, der habgierige Menschen zu Deinem Verderben reizen muß."

      „Und