Название | Die Ungeliebten |
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Автор произведения | Anita Florian |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738078459 |
Franzine unterließ diese Geste, packte die Hand ihrer Tochter und beide marschierten schnellen Schrittes wieder vorwärts. Nach ein paar Minuten schlichen sich bei ihr Bedenken ein, sollte sie nun, oder sollte sie nicht? Gerade in ländlichem Gebiet sollte man sich bekreuzigen, vor allem dann, wenn man nur zwei Meter vor der Kirchentüre entfernt inne hielt und sie anstarrte. Wenn das nun der Gemeindepfarrer aus dem Hinterhalt wahrgenommen hat, vielleicht stand er irgendwo in der Nähe am Fenster und sah gerade zufällig auf die Straße? Soll er doch…, dachte sie, ich mag sie nun mal nicht, diese dicken, leiernden Geistlichen in den langen Gewändern. Bei diesem Wetter konnte er sie ohnedies nicht erkennen, und in die Kirche bringen sie keine zehn Pferde mehr. Er konnte ihr also nichts anhaben. Sie besann sich nun schnell wieder anders. Doch die nagenden Bedenken regten sich in ihr, die in ihre Seele durchzudringen versuchten und sich unaufhaltsam ins Gewissen einnisten wollten. Sie atmete tief ein, die kühle Luft verlieh ihr wieder etwas Frische. Die aufdringenden Zweifel hatten mit einem mal keine Chance mehr, sie schüttelte sie wie Wassertropfen von sich ab. Schluss damit, weg mit diesen quälenden Gedanken, sonst lähmen sie mich zu sehr. Die junge Frau hob den Kopf und lächelte. Sie dachte an Ignazia, die genau zur richtigen Zeit in ihr Leben trat. Sie war es, die mich da rausgeholt hat, die mir einen neuen Lebensweg zeigte. Sie war es, die mir Mut zusprach und sie ermöglichte es schließlich auch, dass wir jetzt ein Dach über den Kopf haben, unter dem wir bald in Ruhe leben werden. Und so konzentrierte sie sich nur noch auf ihr neues Heim, auf ihre Unabhängigkeit und auf Bernadette, ihrer fünfjährigen Tochter, die sie nun mit aller Kraft die sie noch aufbringen konnte, an der Hand in ein besseres Leben mitschleifte. Mühsam erreichten sie endlich den Bahnübergang. Die Schranken waren hochgezogen, der alte Bahnhof lag rechts im blassen Dämmerlicht ruhig da. Es ist fast geschafft, dachte sie, ich kann es kaum erwarten, wir gehen in unser neues, eigenes Zuhause. Allein der Gedanke daran, verlieh ihr eine ungeahnte, körperliche Kraft die sie immer weiter vorwärts trieb. Lächelnd sah sie zu ihrer kleinen Tochter hinab, die weinend und trotzig neben ihr herschritt. Beim Überqueren der Bahngleise stieg auf einmal ein beklemmendes Gefühl hoch, die Erinnerungen waren noch frisch, obwohl es erst 3 Wochen zurücklag was damals geschehen war. Doch ihr Mut war größer, diese schrecklichen Erinnerungen sollten keine Gewalt über sie bekommen. Einfach nicht mehr daran denken und weitermarschieren. Es lohnte sich nicht darüber nachzudenken. Nicht jetzt. Es würde im Augenblick nichts daran ändern. Sie wollte wie ein Felsen in der Brandung sein, eine starke, aufrechte Persönlichkeit, dass für sich und ihr Kind allein aufkommen konnte. Die ersten Schritte waren mühevoll, doch sie waren die richtigen. Sie mussten es schaffen, und sie werden es auch schaffen! Das Bahngelände lag bald hinter ihnen, die dunkelgraue Straße auf der sie vorwärts schritten begann sie fast zu lieben. Die Strasse in die Freiheit!
Als sie auf der ersten der drei Brücken standen, sahen sie über das Gelände nach unten. Tiefe Schwärze bereitete sich aus, nur ein leises, schwaches Plätschern drang nach oben. Der tief unten liegende Fluss schien schon sehr müde zu sein. Gleich danach kamen sie zur zweiten Brücke, der kleine Kanal, der gemütlich in seinem künstlich gemauerten Flussbett hinunter floss, konnten sie ebenso wenig sehen, nur die betonierten Uferränder waren an beiden Seiten gerade noch zu erkennen. Die Straßenlaternen gaben jetzt noch schwächere Beleuchtung ab, gerade so viel, dass sie den Weg, wenn sie gut aufpassten, ungehindert fortsetzen konnten. Nur ein paar Schritte weiter tauchte ein kleiner Gemischtwarenladen auf, er war kaum zu sehen in der Dämmerung und dem schlechten Wetter, aber es war genau dieser kleine Laden, den Ignazia gemeint hatte. Knapp davor erreichten sie noch die dritte und letzte Brücke. Im Gegensatz zu den beiden anderen Flüssen, schien dieser das Leben selbst zu sein. Im Grunde war es kein Fluss, sondern ein wild hinabbrausender Bach dem es fast zu eng in seinem Bett wurde. Sein lautes Rauschen beängstigte sie ein wenig, aneinander festhaltend liefen sie schnell über den Brückensteg. Wieder links führte eine kleine Pflastersteinstrasse, umgeben von Feldern und ein paar einfach errichteten Wohnhäusern in ihr neues Daheim. Kein einziges Mal kamen sie in der Dämmerung vom Weg ab, der Orientierungssinn der jungen Frau war gut ausgeprägt und somit sparten sie auch Zeit. Am Ufer des wilden Baches war eine große, stolze Trauerweide gewachsen, die riesig, wie ein Gigant, plötzlich vor ihnen in die Höhe ragte. Ihre Zweige neigten sich kraftlos zur Erde. Ihre stattliche Größe ließ den Baum wie einen überdimensionalen Wächter wirken, der jedem, der die kleine Strasse einbog, das Gefühl erweckte, gut beschützt und geborgen daheim anzukommen. Die Äste und Zweige konnte man