Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil. Gustav Schwab

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Название Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil
Автор произведения Gustav Schwab
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742772916



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der ist noch weit tapferer als sein Vater; und darüber soll sich seine Mutter herzlich freuen!« Mit

       diesen Worten gab er den Sohn der Gattin in den Arm, die unter Tränen lächelnd ihn an den Busen

       drückte. Hektor aber streichelte sie, inniger Wehmut voll, mit der Hand und sagte: »Armes Weib,

       traure mir nicht zu sehr im Herzen, gegen das Geschick wird mich niemand töten; dem Verhängnis

       aber ist noch kein Sterblicher entronnen. Auf, geh du zur Spindel und zum Webestuhl und befiehl

       deinen Weibern! Den Männern Trojas liegt die Sorge für den Krieg ob, am meisten aber mir!« Als er

       dies gesagt, setzte sich Hektor den Helm auf und ging davon. Andromache schritt dem Hause zu,

       indem sie wiederholt rückwärts blickte und herzliche Tränen weinte. Als die Mägde in der Kammer

       sie erblickten, teilte sich ihnen allen ihr Gram und ihre Betrübnis mit, und Hektor wurde bei

       lebendigem Leib in seinem Palast betrauert.

       Auch Paris hatte nicht gezaudert; in strahlenden Erzwaffen eilte er durch die Stadt, wie ein stattliches

       Roß die Halfter zerreißt und nach dem Strombade rennt. Er erreichte den Bruder, als dieser sich eben

       von seiner Gattin Andromache gewendet hatte. »Nicht wahr«, rief ihm Paris von weitem zu, »ich

       habe dich, mein älterer Bruder, durch mein Zaudern aufgehalten und bin nicht da zur rechten Zeit!«

       Aber Hektor antwortete ihm freundlich: »Mein Guter, billig zu reden bist du ein tapferer Streiter; nur

       säumst du oft gern und willst nicht, und sieh, da kränkt es mich dann innig, wenn ich unter dem

       Trojanervolke, das so viel für dich erduldet, schmähliche Reden über dich hören muß. Doch das

       wollen wir ein andermal ausmachen, wenn wir die Griechen aus Troas verjagt haben und um den

       Krug der Freiheit im Palaste sitzen!«

       Hektor und Ajax im Zweikampf

       Als die Göttin Athene vom Olymp herab die beiden Brüder so zum Kampfe hineilen sah, flog sie

       stürmisch hinunter zur Stadt Troja. An des Zeus Buche begegnete ihr Apollo, der von der Zinne der

       Burg, von wo er die Schlacht der Trojaner lenkte, daherkam und seine Schwester anredete: »Welch

       ein heftiger Eifer treibt dich vom Olymp herunter, Pallas? Bist du noch immer auf den Fall der

       Trojaner bedacht, Erbarmungslose? Wolltest du mir doch gehorchen und für heute den

       Entscheidungskampf ruhen lassen! Ein andermal mögen sie die Feldschlacht erneuern, weil ihr, du

       und Hera, doch nicht ruhet, bis ihr die hohe Stadt Troja verwüstet habt!« Ihm antwortete Athene:

       »Fernhintreffer, es sei, wie du sagst; und in derselben Absicht bin ich auch vom Olymp

       herabgekommen. Aber sage mir, wie gedenkst du den Männerkampf zu stillen?« »Wir wollen«,

       sprach Apollo, »dem gewaltigen Hektor seinen Mut noch steigern, daß er einen der Danaer zum

       entscheidenden Zweikampf herausfordert; laß uns dann sehen, was diese tun.« Athene war das

       zufrieden.

       Das Gespräch der Unsterblichen hatte der Seher Helenos in seiner Seele vernommen; eilig trat er zu

       Hektor und sprach: »Weiser Sohn des Priamos, wolltest du diesmal meinem Rate gehorchen, der ich

       dein liebender Bruder bin? Heiß die andern alle, Trojaner und Griechen, vom Streite ruhen; du selbst

       aber fordre den Tapfersten aller Argiver zur Entscheidung heraus. Du kannst es ohne Gefahr; denn,

       glaube meinem Seherworte, der Tod ist noch nicht über dich verhängt.«

       Hektor freute sich dieses Worts. Er hemmte die trojanischen Heerhaufen und trat, den Speer in der

       Mitte haltend, zwischen die kämpfenden Heere, und auf dieses Zeichen ruhte alsbald der Streit auf

       beiden Seiten; denn auch Agamemnon hieß seine Griechen sich lagern. Athene und Apollo aber

       setzten sich beide in Gestalt zweier Geier auf die Buche des Zeus und freuten sich des

       Männergewühls, bis beide Ordnungen, von Schilden, Helmen und hervorragenden Lanzen dicht

       umstarrt, gedrängt dasaßen, nur so viel sich regend als das Meer, wenn das Gekräusel des Westes

       darüber hinschauen. In der Mitte beider Völker begann jetzt Hektor: »Trojaner und ihr Griechen,

       höret, was mir mein Herz gebietet! Den Bundesvertrag, den wir jüngst geschlossen, hat Zeus nicht

       genehmigt, vielmehr beiden Völkern böse Entschlüsse eingegeben, bis entweder ihr selbst Troja

       erobert oder vor uns erlieget bei euren Schiffen. Nun sind die tapfersten Helden Griechenlands in

       eurem Heere. Welchem von solchen sein Herz gebeut, mit mir, dem göttergleichen Hektor, den

       Vorkampf zu wagen, der trete heraus! Die Bedingung, die ich stelle, ist diese, und Zeus sei mein

       Zeuge: wenn mein Gegner mich mit dem Speer erlegt, mag er meinen Waffenraub zu den Schiffen

       hinabtragen, doch meinen Leib nach Troja senden, daß er der Ehre des Scheiterhaufens in der

       Heimat teilhaftig werde; wenn aber mir Apollo Ruhm gewährt und ich meinen Gegner erlege, so

       hänge ich seine Rüstung im Tempel des Phöbos zu Troja auf, und den Erschlagenen möget ihr bei

       euren Schiffen mit Pracht bestatten und ihm am Hellespont ein Mal auftürmen, von dem einst in

       späten Zeiten der Schiffer noch sage: ›Sehet, hier ragt der Grabhügel des längstverstorbenen

       Mannes, der einst im Streit mit dem göttergleichen Hektor erlag!‹«

       Also sprach jener; die Danaer aber schwiegen, denn es war schimpflich, den Kampf zu verweigern,

       und gefahrvoll, ihn anzunehmen. Endlich stand Menelaos auf und strafte seine Landsleute mit den

       Worten: »Wehe mir, ihr Prahler: Weiber, nicht Männer! Wäre es doch eine unvertilgbare Schande,

       wenn kein Danaer dem Hektor zu begegnen wagte! Möchtet ihr euch alle in Kot und Wasser

       verwandeln, wie ihr miteinander dasitzet, jeder ohne Herz und ohne Ruhm! So will ich denn mich

       selbst zum Kampfe gürten und den Göttern den Ausgang anempfehlen!« So sprach er und warf sich

       in die Rüstung; und sein Tod wäre beschlossen gewesen, wenn nicht die Fürsten der Griechen

       aufgefahren wären und ihn zurückgehalten hätten. Ja selbst Agamemnon ergriff seine Rechte und

       sprach: »Bruder, bedenke dich! was fällt dir ein, den stärkern Mann bekämpfen zu wollen, vor dem

       selbst andern, als du bist, graut; mit dem Achill selber in der Feldschlacht sich zu messen gestutzt

       hat! Wir bitten dich alle, tritt zurück und setze dich nieder!« So wandte Agamemnon seinem Bruder

       das Herz. Und nun hielt Nestor eine strafende Rede an das Volk und erzählte seinen eigenen

       Zweikampf mit Ereuthalion, dem Arkadier. »Wäre ich noch so jugendlich«, endete er, »noch so

       ungeschwächter Kraft wie damals, so sollte Hektor seinen Kämpfer bald gefunden haben!« Auf seine

       Strafrede erhuben sich neun Fürsten in dem Heere: vor allen Agamemnon, ihm zunächst Diomedes,

       drauf die beiden Ajax zugleich; dann Idomeneus, sein Genosse Meriones, Eurypylos, Thoas und

       Odysseus. Sie alle erboten sich zu dem gefürchteten Kampf. »Das Los soll entscheiden«, begann von