Название | Middlemarch |
---|---|
Автор произведения | George Eliot |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752988956 |
»Mir scheint Deine Verlobung hat Dich auf den Gedanken gebracht, daß Geduld eine gute Sache sei,« sagte Celia, sobald sie sich mit Dorothea beim Ablegen der Schals und Hüte allein fand.
»Weil ich selbst sehr ungeduldig bin, willst Du sagen?«
»Ja wohl, sobald die Leute nicht tun, und sagen was Dir gefällt.«
Celia fürchtete sich, seit Dorothea verlobt war, weniger, ihr ihre Meinung zu sagen; sie dachte jetzt geringschätziger als je über höhere Begabung.
10
He had catched a great cold, had he had no other clothes to wear than the skin of a bear not yet killed.
Fuller: History of the Worthies of England
Der junge Ladislaw machte den Besuch, zu welchem Herr Brooke ihn aufgefordert hatte, nicht, und schon sechs Tage später berichtete Casaubon, daß sein junger Verwandter nach dem Kontinente abgereist sei und schien durch diese vage Angabe jeder weiteren Frage aus dem Wege gehen zu wollen.
In der Tat hatte Will es abgelehnt, irgend ein bestimmteres Reiseziel, als »ganz Europa« zu nennen. Das Genie läßt sich, das war seine Ansicht, durchaus keine Fesseln anlegen: einerseits bedarf es des weitesten Spielraums für seine spontanen Antriebe, andererseits kann es vertrauensvoll die Botschaften aus dem Universum, welche den Genius zu seiner besonderen Arbeit aufrufen müssen, erwarten, wenn es nur eine für alle erhabenen Ziele empfängliche Haltung beobachtet.
Solcher Haltungen gibt es mannigfache und Will hatte es bereits mit vielen derselben redlich versucht. Er liebte es nicht, übermäßig viel Wein zu trinken, aber er hatte zu wiederholten Malen dem Weine zu stark zugesprochen, nur zum Zwecke eines Experiments mit der durch den Weingenuss hervorgerufenen Ekstase; er hatte gefastet, bis er ohnmächtig geworden war und hatte dann Hummer zu Abend gegessen; er hatte sich durch starke Dosen von Opium krank gemacht. Aber alle diese Versuche hatten nichts besonders Originelles zu Tage gefördert, und die Wirkungen des Opiums auf ihn hatten ihn überzeugt, daß eine gründliche Unähnlichkeit zwischen seiner Constitution und der De Quinceys bestehe. Die eigentümlichen äußeren Umstände, welche dem Genie zu seiner, Entfaltung verhelfen würden, waren noch nicht erschienen; das Universum hatte ihm noch nicht gewinkt. Selbst Caesars Glück bestand zu einer gewissen Zeit nur in einem großartigen Vorgefühle. Wir wissen Alle, welch ein Mummenschanz bei aller Entwicklung menschlicher Dinge im Spiele ist und welche bedeutende Gestaltungen in embryonischer Hilflosigkeit verborgen liegen. Die Welt ist voll von hoffnungsreichen Analogien und schönen unentwickelten Keimen, die man Möglichkeiten nennt.
Will standen die kläglichen Beispiele eines langen Wachstums und Blühens ohne Frucht klar vor Augen und, hätte ihn nicht seine Dankbarkeit davon abgehalten, er würde Casaubon verlacht haben, dessen emsig gesammelte Bände von Kollektaneen und dessen Bemühen, mit seiner kleinen Leuchte einer gelehrten Theorie die Ruinen der Welt zu durchforschen – die Richtigkeit einer Anschauungsweise zu bestätigen schien, welche für Wills rückhaltloses Vertrauen auf die Intensionen des Universums im Betreff seiner selbst nur ermutigend wirken konnte. Er betrachtete dieses Vertrauen als einen Stempel des Genies, und sicherlich ist es kein Stempel des Gegenteils, da das Genie weder in Selbstüberschätzung noch in Demut, sondern in der Kraft besteht, etwas Besonderes zu leisten oder zu schaffen.
Lassen wir ihn daher nach dem Kontinent abreisen, ohne uns im Voraus über seine Zukunft auszusprechen. Von allen Arten des Irrtums ist die Prophetie die willkürlichste.
Für jetzt aber möchte ich diese Vorsicht gegen ein zu rasches Urteil noch mehr auf Casaubon, als auf seinen jungen Vetter angewandt wissen. Wenn Casaubon für Dorothea nur die Veranlassung gewesen war, den schönen entzündbaren Stoff ihrer jugendlichen Illusionen in Flammen zu setzen, – folgt daraus, daß die weniger erregten Personen, welche bisher ein Urteil über ihn ausgesprochen haben, ein getreues Bild von ihm in der Seele trugen. Ich protestiere gegen jeden voreiligen Schluss aus Frau Cadwalladers Verachtung gegen die »Größe der Seele« eines benachbarten Geistlichen, aus Sir James geringschätziger Äußerung über die Beine seines Nebenbuhlers, aus Herrn Brookes vergeblichem Bemühen einem Tischgenossen seine Ideen zu entlocken, oder aus Celiens kritischen Bemerkungen über die persönliche Erscheinung eines Gelehrten von mittleren Jahren. Ich bezweifle, daß der größte Mann seines Zeitalters, wenn es einen Solchen wirklich je gegeben hat, dem Lose einer so unvorteilhaften Wiederspiegelung seines Bildes in den Seelen seiner kleinen Mitmenschen hätte entgehen können; und selbst Milton würde, wenn er sein schönes Gesicht in einem Löffel betrachtet hätte, sich darein haben ergeben müssen, dasselbe die Gestalt eines Kürbisses annehmen zu sehen. Auch die frostige Rhetorik in Casaubons Worten, wo er von sich selbst spricht, ist kein Beweis, daß er nicht feiner Empfindungen und edler Handlungen fähig sei.
Hat nicht ein unsterblicher Physiker und Entzifferer von Hieroglyphen abscheuliche Verse geschrieben? Ist die Theorie des Sonnensystems durch anmutige Manieren und gesellschaftlichen Takt gefördert worden? Wie wäre es, wenn wir, statt einen Mann nach seiner äußeren Erscheinung zu beurteilen, mit eingehenderem Interesse zu erfahren suchten, was ihm sein eigenes Bewusstsein über seine Fähigkeiten oder Handlungen sagt, mit welchen Hindernissen er bei der Vollbringung seines Tagewerks zu ringen hat, welche getäuschte Hoffnungen oder welche tiefgewurzelte Selbsttäuschung die Jahre in ihrem Verlaufe in ihm angesammelt haben, und mit welchem Mute er gegen den von allen Seiten auf ihn einstürmenden Druck der Verhältnisse ankämpft, der endlich doch zu schwer für ihn werden und sein Herz zum Stillstehen bringen wird. Ohne Zweifel ist ihm selbst sein Los von großer Wichtigkeit, und wenn wir finden, daß er einen zu hohen Platz in unserer Achtung beansprucht, so muß das hauptsächlich daran liegen, daß wir überall keinen Platz für ihn haben, da wir ihn von ganzem Herzen der göttlichen Hochachtung empfehlen, – ja wir halten es für einen erhabenen Zug an unserem Nebenmenschen, wenn er das höchste Glück im Jenseits erwartet, wie wenig wir auch hier zu seinem Glücke beizutragen gesonnen sind.
Auch Casaubon bildete den Mittelpunkt seiner eigenen Welt; wenn er gleichwohl den Gedanken hegte, daß Andere von der Vorsehung dazu bestimmt seien seinen Zwecken zu dienen und sie namentlich aus dem Gesichtspunkte ihrer Brauchbarkeit für den Autor des »Schlüssel zu allen Mythologien« betrachtete, so war das ein uns nicht fremder Zug, welcher, wie alle kümmerlichen Hoffnungen sterblicher Menschen, Anspruch aus unser Mitleid hat.
Sicherlich berührte ihn die Angelegenheit seiner Heirat mit Dorotheen näher, als irgend eine der Personen, welche sich bis jetzt mit derselben unzufrieden erklärt haben, und in diesem Augenblicke empfinde ich eine lebhaftere Sympathie für seine Erfolge, als für die Enttäuschung des liebenswürdigen Sir James. Denn in Wahrheit war die Stimmung Casaubons, als der für seine Hochzeit festgesetzte Tag näherrückte, keine gehobene und er fand die Aussicht auf den Garten der Ehe, in welchem doch die Wege von Blumen eingehegt sein sollten, bei anhaltender Betrachtung nicht reizender, als die Gruftgewölbe, in welchen er, die Kerze in der Hand, zu wandeln gewohnt war. Er gestand es sich selbst nicht und würde es noch weniger einem Andern gegenüber auch nur angedeutet haben, wie überrascht er durch die Erfahrung war, daß er zwar ein edles und großgesinntes Mädchen, aber keine neue Freude, welche er doch auch zu finden gehofft hatte, gewonnen habe. Er kannte zwar alle das Gegenteil behauptenden Stellen der Klassiker, aber die Lektüre der Alten wird meistens in einer Weise betrieben, welche hinreichend erklärt, warum den treffendsten Stellen ihrer Werke so wenig Kraft zur Anwendung auf uns selbst bleibt.
Der arme Casaubon hatte sich eingebildet, daß er in seinem langen fleißigen Junggesellenleben die Freude mit Zins auf Zins für sich angesammelt habe und daß große Wechsel auf die Befriedigung seiner Neigungen unfehlbar honoriert werden würden; denn wir Alle, seien wir ernst oder leichtgesinnt, bewegen uns in unserm Denken in Bildern und handeln verhängnisvoll unter ihrem Einfluss. Und jetzt war er in Gefahr, grade durch die Vorstellung betrübt zu werden, daß sein neues Verhältnis ihm ein außerordentliches Glück bringen werde; in den äußern Umständen lag nichts, was einen gewissen Mangel in seiner Empfindung hätte erklären können, welchen er in der Zeit, wo er die gewohnte Stille