Oliver Hell - Todesklang. Michael Wagner J.

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Название Oliver Hell - Todesklang
Автор произведения Michael Wagner J.
Жанр Языкознание
Серия Oliver Hell
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738086508



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Er sog die Luft durch gespitzte Lippen ein.

      „Mist, du hast Recht“, stieß er hervor.

      Meinhold sah ihn mit einem Blick aus ihren alles durchdringenden Opalaugen an.

      „Ich hätte gerne Unrecht.“

      *

      Bonn

      Brigitta Hansen hatte die erste Begegnung mit der neuen Bonner Polizeipräsidentin vor sich. Ihr Name war Bettina Keller-Schmitz und sie galt als eine kompromisslose Pragmatikerin. Genau nach Hansens Geschmack – ironisch gesehen. Einen Vorgeschmack über ihre Arbeitsweise hatte schon Karl-Heinz Überthür gegeben, der mittlerweile geschasste ehemalige Staatsanwalt. Als eine Art Vorhut hatte er versucht, der neuen Chefin den Acker zu bereiten – in ihrem Sinne. Er hatte die Arbeit von Oliver Hell und seinem Team sabotiert, versucht, den Kommissar zu diskreditieren, ihn aus dem Polizeidienst zu entfernen. Hansen hatte dies verhindert. Keller-Schmitz Credo war, bestehende Strukturen zu zerschlagen, einen schlanken Polizeiapparat zu schaffen, der nach ihren Vorstellungen zu funktionieren hatte. Hansen war gespannt. Das alles klang nach einigen Reibungspunkten. Die Dezernate, die sie leitete, funktionierten tadellos und sie wollte sich auch nicht in ihre Belange hineinreden lassen.

      *

      Ron Baum, der jetzt Alexander Geißler hieß, stieg an der S-Bahn-Haltestelle Oberkassel aus und zögerte einen Moment. Sollte er erst einen Spaziergang am Rhein machen? Oder sollte er sofort zum Polizeipräsidium an der Königswinterer Straße 500 hinübergehen? Er verspürte keine Eile. Oliver Hell hielt sich im Ausland auf, das wusste er aus der Presse. War geflohen, der Feigling. Doch Hell würde zurückkommen. Wenn er seinen Plan in die Tat umgesetzt hatte, würde er aus seinem Versteck gekrochen kommen. Der Mistkerl konnte gar nicht anders. Dafür würde er sorgen. Baum verließ die Haltestelle. Er lächelte, ließ einer älteren Dame den Vortritt und erhielt für sein zuvorkommendes Verhalten ein Lob von der Frau.

       Wenn du wüsstest, Alte!

      Nachdem sein falsches Lächeln wieder von seinem Gesicht verschwunden war, trat an dessen Stelle wieder diese grimmige Entschlossenheit.

      Wenn ich mit dir fertig bin, nutzt dir auch keine Flucht mehr etwas!

      Er verzog sein Gesicht zu einem spöttischen Grinsen und überquerte die Königswinterer Straße. Baum hatte Erfahrung damit, sich selbst neu zu erfinden. Jetzt bewegte er sich auf das Polizeipräsidium zu wie ein Archäologe, der im Geist eine Ausgrabungsstelle aufteilt. Ruhig und bedacht. Ohne möglichen Fehlerquellen eine Chance zu geben. Wie ein Grabungsplan in der Archäologie musste auch ein Mordplan gut durchdacht werden. Sein Plan hatte lange Zeit zum Reifen gehabt. Eines stand für Ron Baum felsenfest: Einer der Mitarbeiter Hells würde sterben. Dann musste Hell zurückkehren, um ihn zu jagen. Wie herrlich. In seinem Magen machte sich ein Gefühl breit, wie kurz vor dem Abflug in den Urlaub. Mordlust. Er ließ dieses Gefühl Besitz von ihm ergreifen. Völlig. Bis es jede Faser seines Körpers durchdrang. Ein wohliger Schauer lief ihm den Rücken herunter, als er vor dem Präsidium ankam.

      *

      Bad Godesberg

      Nachdem der wuchtige Ford Mustang mit dem Shelby-Emblem auf den Kotflügeln die ganze Nacht über an derselben Stelle geparkt stand, rief einer der Mitarbeiter des Annaberger Hofs bei der Polizei an. Ein Streifenwagen mit zwei Beamten wurde losgeschickt. Die Beamten Lars Bonnermann und Uwe Redecker kamen um 9:34 Uhr an. „Wenn das mal kein Zuhälterschlitten ist“, sagte Redecker abfällig, als der VW Passat in dem Weg zum Annaberger Hof ausrollte.

      „Das ist ein Shelby Mustang, wahrscheinlich sogar ein GT 350. Siehst du nicht die aufgerichtete Cobra auf dem Kotflügelemblem?“, protestierte der jüngere Kollege Bonnermann und blickte mit verklärtem Blick zu dem Auto hinüber.

      „Zuhälterschlitten. Das riecht nach Ärger. Wahrscheinlich ist die Karre geklaut worden und hier ist ihm der Sprit ausgegangen. Machst du die Halterabfrage, ich schaue mir deine Shelby-Cobra mal an.“

      „Shelby Mustang, nicht Shelby Cobra. Eine AC Cobra ist ein ganz anderes Auto, Uwe! Du hast echt keine Ahnung, oder?“

      Uwe Redecker machte sich nichts aus Sportwagen und winkte ab. „Mir doch egal, Hauptsache, wir haben das Ding bald von der Backe.“ Der Beamte stieg aus und zog sich als erstes die Uniformhose zurecht.

      „Banause“, meckerte Bonnermann ihm hinterher und griff zum Funkgerät. „Hier Wagen 34, wir haben eine Halterabfrage: Ein dunkelblauer Ford Mustang mit dem Bonner Kennzeichen BN-MJ 1.“

      Eine halbe Minute später kannte er den Namen des Fahrers. Mit einem flauen Gefühl machte er sich auf den Weg zu seinem Kollegen. Die Freundin des Mannes hatte ihn am gestrigen Abend noch als vermisst gemeldet. Das war es aber nicht, was ihn so irritierte. Es war eher die Tatsache, wem der Mustang gehört, oder besser gesagt, was dieser Besitzer für einen Beruf hatte. Wenn man es Beruf nennen konnte.

      Redecker leuchtete den Innenraum des Ford Mustang ab. Als Bonnermann neben seinen Kollegen trat, räusperte er sich. „Hattest Recht, Uwe. Es ist zwar kein Zuhälterschlitten, aber du lagst schon recht nah dran.“

      Redecker knipste die Taschenlampe aus, warf seinem Kollegen einen auffordernden Blick aus seinen stahlblauen Augen zu. „Sag schon!“

      „Der Name des Besitzers ist Janko Mladic und er ist Mitglied der kroatischen Drogendealer-Bande, die sich mit den Albanern um die Vorherrschaft auf dem Drogenmarkt streiten.“

      „Scheiße. Ich habe doch gesagt, das riecht nach Ärger, Lars! Die Karre ist abgeschlossen. Also kann es kein Diebstahl sein. Wenn einer dieses Monstrum von Auto geklaut hat, dann hätte er sie kurzgeschlossen, also hätte er keinen Schlüssel, um abzuschließen. Hier ist was faul, das sagt mir mein Bullen-Riecher!“ Dabei tippte er sich gegen seine Nase und wieder funkelten die blauen Augen. Bonnermann schluckte. „Dann sollten wir die Spurensicherung hinzuziehen, was denkst du?“

      Redecker zog die linke Augenbraue herunter. „Klar, setz eine Meldung ab.“

      *

      Sa Rapita, Mallorca

      Oliver Hell hatte mit allen Kollegen und Freunden, wie Carola Pütz und Reto Winterhalter, die er auf der Insel regelmäßig traf, vereinbart, tagsüber nicht anzurufen. Als trotzdem sein Handy klingelte, als er gerade über eine Klippe kletterte, ahnte er nichts Gutes. Es war glitschig, er versuchte, so gut es ging, nicht auszugleiten. Als er wieder sicheren Boden unter den Füßen hatte, fischte er das Handy aus der Außentasche der Trekkinghose. Auf dem Display stand ‚Hansen ruft an‘. Ungläubig betrachtete er das Telefon, dann nahm er das Gespräch an.

      „Hell, wer stört?“, fragte er.

      „Wir haben keine Zeit für Scherze, Kommissar Hell. Ron Baum ist aus der forensischen Klinik entkommen und ist auf der Flucht. Ich dachte, Sie sollten das wissen!“

      Sofort hatte er folgendes Bild vor sich: Ron Baum liegt auf dem Boden vor ihm, getroffen von zwei Kugeln aus seiner Dienstwaffe. Er selbst steht mit gezogener Waffe über ihm. Da hatte er gedacht, es sei vorüber, dieser Psychopath sei für immer ausgeschaltet und würde hinter Gitter vermodern. Falsch.

      „Wie konnte das denn passieren, Frau Oberstaatsanwältin?“, brachte er hervor. Räusperte sich.

      „Er ist nach aktuellem Inforationsstand in einem Wäschekorb aus der Klinik entkommen. Ihre Kollegen sind informiert und die Fahndung nach ihm läuft auf Hochtouren. Es tut mir leid, ich hätte Ihnen gerne eine angenehmere Nachricht überbracht, Herr Kommissar“, sagte Brigitta Hansen. Hell konnte die ehrlich gemeinte Anteilnahme in ihrer Stimme wahrnehmen. Doch das half ihm nichts. Die Tatsache blieb: Baum war auf der Flucht.

      Hell seufzte vernehmlich. „Vielen Dank, Frau Oberstaatsanwältin Hansen. Sind auch die Einsatzkräfte auf dem Flughafen von Palma und der anderen Balearen-Inseln informiert?“

      „Selbstverständlich, Herr Kommissar.“

      „Danke, ich werde auf mich aufpassen. Richten Sie meinen Leuten aus, sie sollen dasselbe tun!“

      „Sicher.“