Название | Mythologie für Dummies |
---|---|
Автор произведения | Christopher W. Blackwell |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783527839179 |
Behaupten wir, etwas sei ein Mythos, so treffen wir keine Aussage darüber, ob der betreffende Gegenstand wahr oder falsch ist. In diesem Buch wird nicht die Meinung vertreten, dass Wissenschaft und Geschichte auf der einen Seite und Mythologie auf der anderen Seite durch diese Unterscheidung in wahr und falsch getrennt wären. (Nicht dass wir irgendetwas gegen die Wissenschaft hätten. Sie hat uns schließlich ein bedeutsames Wissen über die Welt geliefert und stellt ihren positiven Nutzen für die Menschen jeden Tag unter Beweis. Wir sind nur nicht der Auffassung, dass man die Mythen nur aus dem Grund dem wissenschaftlichen Wissen unterordnen sollte, weil Letzteres beweisbar erscheint.)
Als Kindern sagte man uns, dass sich die Menschen – als es noch keine Wissenschaft gab – die Welt mithilfe der Mythen erklärt hätten. Man wollte mit dieser Behauptung gleichzeitig zum Ausdruck bringen, dass die Menschen von dem Zeitpunkt an keine Mythen mehr benötigten, als sie begannen, rational zu denken und sich die Welt mithilfe der Wissenschaft zu erklären. Heute wissen wir es natürlich besser. Die Mythologie ist eine Art und Weise, die Welt zu verstehen. Sie ist dabei genauso wichtig und genauso »wahr« wie die naturwissenschaftlichen oder historischen Erkenntnisweisen. Tatsächlich ist es so, dass die Naturwissenschaft, die Geschichtswissenschaft oder auch andere logische Erkenntnisformen nicht für alle wichtigen Fragen auch sinnvolle Antworten bereithalten. Mythen dagegen erweisen sich bei einigen dieser Fragen, die wir für wichtig halten und deren Beantwortung uns wahre Erkenntnisse liefern, als überaus erfolgreiches Erkenntnisinstrument.
Christopher Blackwells Vater hatte das Glück, Paul Tillich gekannt zu haben. Tillich war ein deutscher Theologe und Religionsphilosoph, der vor den Nazis aus Deutschland fliehen musste, in die USA emigrierte und schließlich an der Harvard Universität als Professor lehrte. Tillich, der sicher einiges von den wirklich bedeutsamen Dingen verstand, pflegte zu sagen: »Man soll nie sagen, etwas sei nur ein Mythos. Vielmehr soll man sagen: Es ist nichts Geringeres als ein Mythos.«
Genau derselben Ansicht sind auch wir in diesem Buch. Mythen sind eminent wichtig und sollten unbedingt ernst genommen werden. Man sollte Themen von solchem Ernst aber gleichzeitig auch mit Spaß und Vergnügen behandeln. Also, los geht's …
Wie erkennt man einen Mythos?
Ein Mythos ist im Wesentlichen eine Geschichte. Das griechische Wort »Mythos« bedeutet so viel wie »Rede, Erzählung, Fabel«. Dies ist die wörtliche Übersetzung des Begriffs. Natürlich taugt aber nicht jede x-beliebige Geschichte zum Mythos. Amy (eine der beiden Autoren des Buches) wurde einmal in Thailand der Kopf eines Schweins zum Abendessen serviert. So interessant diese Geschichte als Geschichte auch erscheinen mag – um einen Mythos handelt es sich dabei nicht. Chris wiederum (der andere Autor des Buches) wurde einmal bei einem Spaziergang im Wald von irgendeinem Verrückten irrtümlich angeschossen, was wiederum als Geschichte ja durchaus spannend und fesselnd sein, aber auch nicht als Mythos durchgehen kann. Auch wenn man einen Mythos normalerweise erkennen kann, wenn man auf einen trifft, so ist es von Vorteil, sich zunächst einmal wenigstens um eine Definition zu bemühen, um Mythen auch wirklich wertschätzen und von anderen Erzählformen sicher abgrenzen zu können.
Mythenexperten lieben es, sich über schwierige, schwer zu definierende Probleme zu streiten. Während der vergangenen 200 Jahre war die Mythologie solch ein beliebtes Streitthema unter Wissenschaftlern. Die Mythenexperten debattierten darüber, wodurch man einen »echten« Mythos von einem nur scheinbaren unterscheiden könne. Sie waren sich aber darin einig, dass man Mythen nicht mit anderen verwandten oder ähnlichen Erzählarten verwechseln sollte wie etwa Legenden, Sagen oder Volksmärchen.
Das Besondere der mythischen Erzählungen
Was zeichnet einen Mythos aus? Nun, zunächst einmal sind Mythen Geschichten über Götter und Göttinnen, andere übernatürliche Wesen sowie deren Beziehungen zu den Menschen. Diese Definition ließe sich erweitern durch die Einbeziehung von Geschichten, die sich universalen Wahrheiten widmen oder die der Vermittlung von Werten dienen, die Völkern dabei helfen können, eine Vorstellung von sich als Gruppe und Wertegemeinschaft zu bekommen. Mythen helfen außerdem dabei, bestimmte soziale Ordnungen wie etwa die durch Erbschaft weitergegebene Thronfolge oder andere soziale Klassenstrukturen zu legitimieren. Mitunter dienen sie auch dazu, die fiktive »Geschichte« eines Königreichs zu fabrizieren, um so dessen Herrschaftsanspruch zu festigen.
Mitunter wird das Wort »Mythos« so gebraucht, dass es die Bedeutung »unwahr« annimmt. Die Menschen sagen dann, etwas sei »bloß ein Mythos«. Sie wollen damit zum Ausdruck bringen, dass die betreffende Sache keine reale Grundlage hat, sondern nur aus der Luft gegriffen ist. Mythen haben aber ihre eigene Wahrheit. Sie vermitteln den Menschen unter anderem eine Sicht auf die Welt und einen Wertekanon, Dinge also, die ebenso wichtig sein können wie jede x-beliebige wissenschaftlich nachprüfbare Aussage (vergleiche hierzu Kapitel 3).
Legenden
Legenden weisen zwar gewisse Ähnlichkeiten mit Mythen auf, sie basieren jedoch auf geschichtlichen Tatsachen, die nur mitunter sehr frei ausgelegt werden. Viele Legenden erinnern bloß noch entfernt an die ihr zugrunde liegenden geschichtlichen Tatsachen. Allerdings müssen Legenden oder Sagen, um als solche gelten zu können, doch auf einem realen Ereignis beruhen, das zumindest tatsächlich passiert sein könnte. Die Geschichte von König Artus zum Beispiel zählt aus diesem Grund zu den Legenden, weil es (wahrscheinlich) tatsächlich einmal eine reale Person gegeben hat, von der sich dann die Artuslegende, wie wir sie heute kennen, abgeleitet hat.
Volksmärchen
Volksmärchen sind überlieferte Erzählungen, die zum einen der Unterhaltung dienten und zum anderen bisweilen auch didaktische Ziele verfolgten. In Volksmärchen erleben die Helden Abenteuer und magische Geschehnisse. Für gewöhnlich gibt es in ihnen jedoch keine Passagen, die menschliche Beziehungen mithilfe des Übernatürlichen oder Göttlichen erklären wollen.
Die meisten Mythen weisen Elemente aus Legenden und Sagen auf und umgekehrt. Diese unterschiedlichen Gattungsbezeichnungen sind durchaus nützlich, wenn es darum geht zu entscheiden, wann es sich um einen Mythos handelt und wann nicht. Man sollte sich aber nicht zu sehr darauf fixieren.
Was war zuerst da – die Menschen oder der Mythos?
Die