PLATON - Gesammelte Werke. Platon

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Название PLATON - Gesammelte Werke
Автор произведения Platon
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 4066338120939



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noch die Windstillen anführen, und was dem ähnlich ist, wie überall die Ruhe Fäulnis und Zerstörung bewirkt, das Gegenteil aber Erhaltung? Und über dies Alles nun noch den letzten Stein hinzutragend beweisen, daß unter der goldenen Kette Homeros nichts anders versteht als die Sonne, und also andeutet, so lange der gesamte Umkreis in Bewegung ist und die Sonne, so lange sei auch Alles und bleibe wohlbehalten bei Göttern und Menschen, wenn aber dieses einmal wie gebunden stillstände, so würden alle Dinge untergehn, und, wie man sagt, das unterste zu oberst gekehrt werden?

      Theaitetos: Mir, o Sokrates, scheint er das anzudeuten, was du sagst.

      Sokrates: Denke dir also, Bester, die Sache so, zuerst in Beziehung auf die Augen, was du weiße Farbe nennst, daß dies nicht selbst etwas besonderes ist außerhalb deiner Augen, noch auch in deinen Augen, und daß du ihm ja keinen Ort bestimmst, denn sonst wäre es schon wenn es bestimmt irgendwo wäre, und es beharrte, und würde nicht bloß im Entstehen.

      Theaitetos: Aber wie denn?

      Sokrates: Folgen wir nur dem eben vorgetragenen Satz, daß nichts an und für sich Ein bestimmtes ist, und es wird uns deutlich werden, daß Schwarz und Weiß und jede andere Farbe aus dem Zusammenstoßen der Augen mit der zu ihr gehörigen Bewegung entstanden ist, und was wir jedesmal Farbe nennen, wird weder das Anstoßende sein noch das (154) Angestoßene, sondern ein dazwischen Jedem besonders entstandenes. Oder möchtest du behaupten, daß jede Farbe, eben wie sie dir erscheint, auch einem Hunde oder irgend einem andern Tiere erscheinen werde?

      Theaitetos: Beim Zeus, das möchte ich nicht.

      Sokrates: Aber wie? erscheint einem andern Menschen irgend etwas grade eben so wie dir? Bist du davon recht gewiß, oder vielmehr davon, daß etwas nicht einmal dir selbst immer als dasselbe erscheine, da du niemals ganz auf dieselbe Weise dich verhältst.

      Theaitetos: Mich dünkt dieses eher als jenes.

      Sokrates: Also wenn das gemessene oder berührte groß oder rot oder warm wäre: so könnte es nicht dadurch, daß es auf einen Andern träfe, ein Anderes werden, indem es sich selbst gar nicht veränderte. Wenn aber wiederum das Messende oder Berührende jedes von diesen wäre, so könnte es nicht, wenn ein anderer Gegenstand herankommt oder dem vorigen etwas begegnet, indem jedoch ihm selbst nichts widerfährt, dennoch ein Anderes werden. Denn jetzt, Freund, werden wir genötiget, wunderbare und lächerliche Dinge getrost zu behaupten, wie Protagoras, und jeder, der dasselbe, wie er behaupten will, uns vorwerfen würde.

      Theaitetos: Wie doch, und was für Dinge meinst du?

      Sokrates: Nimm nur ein kleines Beispiel, und du wirst Alles wissen, was ich meine. Sechs Bohnen, wenn du Viere dagegen hältst, werden mehr sein als die viere, nämlich noch ein halbes Mal soviel; wenn aber zwölf, dann weniger, nämlich die Hälfte, und man darf nicht einmal leiden, daß etwas Anderes behauptet werde. Oder möchtest du es leiden?

      Theaitetos: Keinesweges ich.

      Sokrates: Wie nun, wenn dich Protagoras oder ein Anderer fragte, Ist es wohl möglich, Theaitetos, daß etwas größer oder mehr werde auf eine andere Weise, als daß es zugenommen hat? was wirst du antworten?

      Theaitetos: Wenn ich, o Sokrates, was mir in Beziehung auf diese Frage allein richtig scheint, antworten soll, so werde ich sagen, es ist nicht möglich: wenn aber in Beziehung auf die vorige, so werde ich um mich zu hüten, daß ich nichts widersprechendes sage, wohl antworten, es wäre gar wohl möglich.

      Sokrates: Sehr gut, Freund, bei der Here, und ganz göttlich. Jedoch wie mir scheint, wenn du antwortest, es sei möglich, wird dir jenes aus dem Euripides begegnen, es wird uns die Zunge freilich unwiderlegt sein, die Seele aber nicht unwiderlegt.

      Theaitetos: Ganz wahr.

      Sokrates: Wenn wir also von den gewaltigen Weisen wären du und ich, die schon alles durchgeprüft haben in ihrem Gemüt, so würden wir von nun an immer weiter nur zum Zeitvertreib einander versuchen, und auf sophistische Art einen eben solchen Kampf beginnend Jeder den Reden des Andern mit den seinigen ausweichen. Nun wir aber nur schlichte Menschen sind, werden wir doch zuerst die Sache an sich selbst betrachten wollen, wie das wohl beschaffen ist, was wir behaupten, ob es unter einander stimmt, oder vielleicht nichts weniger als das.

      Theaitetos: Auf jede Weise würde ich meines Teils dieses letztere wollen.

      Sokrates: Auch ich gewiß. Da es sich nun so verhält, können wir anders als ganz gelassen in voller Muße die Sache wieder von vorn untersuchen, ohne verdrießlich zu werden, sondern recht aufrichtig uns prüfend, was doch diese Erscheinungen (155) uns eigentlich sind, von denen wir nun die erste untersuchen, und, wie ich wenigstens glaube, sagen werden, daß niemals irgend etwas weder mehr noch weniger werde, weder der Masse noch der Zahl nach, so lange, als es sich selbst gleich ist. Nicht so?

      Theaitetos: Ja.

      Sokrates: Zweitens auch wohl, daß wem nichts zugesetzt noch auch abgenommen wird, dieses niemals weder wachse noch schwinde, sondern immer gleich bleibe.

      Theaitetos: Ganz offenbar.

      Sokrates: Nicht auch das dritte, nämlich was vorher nicht war, daß dieses doch auch nachher unmöglich sein könne, ohne geworden zu sein und zu werden?

      Theaitetos: So scheint es freilich.

      Sokrates: Diese drei Behauptungen nun streiten, glaube ich, in unserer Seele mit einander, wenn wir jenes von den Bohnen aussagen, oder wenn wir behaupten, daß ich, der ich diese bestimmte Größe habe, ohne weder zu wachsen, noch das Gegenteil zu erleiden binnen Jahresfrist, jetzt zwar größer bin, als du der Jüngere, hernach aber kleiner, da doch ich von meiner Masse nichts verloren habe, sondern nur du an der Deinigen gewonnen hast. Denn ich bin ja hernach, was ich vorher nicht war, ohne es geworden zu sein. Denn ohne werden ist unmöglich geworden zu sein, und da ich nichts von meiner Masse eingebüßt habe, wurde ich ja niemals kleiner. Und mit tausend und aber tausend Sachen verhält es sich eben so, wenn wir dieses wollen gelten lassen. Du kommst doch wohl mit, Theaitetos? wenigstens scheinst du mir nicht unerfahren in diesen Dingen zu sein.

      Theaitetos: Wahrlich bei den Göttern, Sokrates, ich wundere mich ungemein, wie doch dieses wohl sein mag; ja bisweilen, wenn ich recht hineinsehe, schwindelt mir ordentlich.

      Sokrates: Theodoros, du Lieber, urteilt eben ganz richtig von deiner Natur. Denn gar sehr ist dies der Zustand eines Freundes der Weisheit, die Verwunderung; ja es gibt keinen andern Anfang der Philosophie als diesen, und wer gesagt hat, Iris sei die Tochter des Thaumas, scheint die Abstammung nicht übel getroffen zu haben. Aber hast du schon inne, wie diese Dinge, zufolge dessen was, wie wir sagen, Protagoras behauptet, sich dennoch wirklich so verhalten können, oder noch nicht?

      Theaitetos: Noch nicht recht, glaube ich.

      Sokrates: So wirst du es mir wohl Dank wissen, wenn ich dir von der Meinung dieses Mannes oder vielmehr vieler berühmter Männer den rechten verborgenen Sinn aufspüren helfe.

      Theaitetos: Wie sollte ich dir das nicht Dank wissen, und zwar sehr vielen.

      Sokrates: Sieh dich aber wohl um, und habe Acht, daß uns nicht einer von den Ungeweihten zuhöre. Dies sind aber die, welche von nichts Anderem glaubend, daß es sei, als von dem, was sie recht herzhaft mit beiden Händen greifen können, (156) das Handeln und das Werden, und Alles Unsichtbare gar nicht mit unter dem, was ist, wollen gelten lassen.

      Theaitetos: Das sind ja verstockte und widerspenstige Menschen, Sokrates, von denen du redest.

      Sokrates: Jene freilich, Kind, sind sehr roh. Viel preiswürdiger aber sind diese, deren Geheimnisse ich dir jetzt mitteilen will. Der Anfang aber, an welchem auch, was wir vorhin sagten, alles hängt,