PLATON - Gesammelte Werke. Platon

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Название PLATON - Gesammelte Werke
Автор произведения Platon
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 4066338120939



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nur Fehlgeburten getan, teils auch das, wovon sie durch mich entbunden worden, durch Verwahrlosung wieder verloren, weil sie die mißgestalteten und unächten Geburten höher achteten als die rechten; zuletzt aber sind sie sich selbst (151) und Andern gar unverständig vorgekommen, von welchen einer Aristides, der Sohn des Lysimachos war, und viele Andere mehr. Wenn solche dann wiederkommen, meines Umgangs begehrend, und Wunder was darum tun, hindert mich doch das Göttliche, was mir zu widerfahren pflegt, mit Einigen wieder umzugehen; Andern dagegen wird es vergönnt, und diese nehmen sich wieder auf. Auch darin ergeht es denen, die mit mir umgehn, wie den Gebärenden; sie haben nämlich Wehen, und wissen sich nicht zu lassen bei Tag und Nacht weit ärger als jene. Und diese Wehen kann meine Kunst erregen sowohl als stillen. So ist es demnach mit diesen beschaffen. Bisweilen aber, o Theaitetos, wenn Einige mir gar nicht recht scheinen schwanger zu sein, solchen, weil ich weiß, daß sie meiner gar nicht bedürfen, bin ich ein bereitwilliger Freiwerber, und mit Gott sei es gesprochen, ich treffe es zur Genüge, wessen Umgang ihnen vorteilhaft sein wird, wie ich denn ihrer schon viele dem Prodikos ausgetan habe. Viele auch andern weisen und gottbegabten Männern. Dieses habe ich dir, Bester, deshalb so ausführlich vorgetragen, weil ich Vermutung habe, daß du, wie du es auch selbst meinst, etwas in dir trägst, und Geburtsschmerzen hast. So übergib dich also mir, als dem Sohn einer Geburtshelferin und auch selbst der Geburtshülfe kundigen, und was ich dich frage, das beeifere dich so gut du nur kannst zu beantworten. Und wenn ich bei der Untersuchung etwas, was du sagst, für ein Mondskalb und nichts ächtes erfunden habe, also es ablöse und wegwerfe: so erzürne dich darüber nicht, wie die Frauen es bei der ersten Geburt zu tun pflegen. Denn schon Viele, mein Guter, sind so gegen mich aufgebracht gewesen, wenn ich ihnen eine Posse abgelöset habe, daß sie mich ordentlich hätten beißen mögen, und wollen nicht glauben, daß ich das aus Wohlmeinen tue, weil sie weit entfernt sind einzusehen, daß kein Gott jemals den Menschen mißgünstig ist, und daß auch ich nichts dergleichen aus Übelwollen tue, sondern mir nur eben keinesweges verstattet ist, Falsches gelten zu lassen und Wahres unterzuschlagen.

      Versuche also noch einmal von Anfang an, o Theaitetos, zu sagen, was Erkenntnis ist. Daß du aber nicht kannst, sage nur niemals. Denn so Gott will und du wacker bist, wirst du es wohl können.

      Theaitetos: Wenn du freilich, Sokrates, solchergestalt zuredest, wäre es schändlich nicht auf alle Weise mutig zu sagen, was einer eben hat. Mir also scheint, wer etwas erkennt, dasjenige wahrzunehmen, was er erkennt; und wie es mir jetzt erscheint, ist Erkenntnis nichts anders als Wahrnehmung.

      Sokrates: Gut und wacker, Jüngling. So muß sich deutlich machen, wer etwas erklärt. Wohlan, laß uns nun dieses gemeinschaftlich betrachten, ob es eine rechte Geburt ist oder ein Windei. Wahrnehmung sagst du sei Erkenntnis.

      Theaitetos: Ja.

      Sokrates: Und gar keine schlechte Erklärung scheinst du gegeben zu haben von der Erkenntnis, sondern welche auch (152) Protagoras gibt; nur daß er dieses nämliche auf eine etwas andere Weise ausgedrückt hat. Er sagt nämlich, der Mensch sei das Maß aller Dinge, der Seienden wie sie sind, der Nichtseienden, wie sie nicht sind. Du hast dies doch gelesen?

      Theaitetos: Oftmals habe ich es gelesen.

      Sokrates: Nicht wahr er meint dies so, daß wie ein jedes Ding mir erscheint, ein solches ist es auch mir, und wie es dir erscheint, ein solches ist es wiederum dir. Ein Mensch aber bist du sowohl als ich.

      Theaitetos: So meint er es unstreitig.

      Sokrates: Wahrscheinlich doch wird ein so weiser Mann nicht Torheiten reden. Laß uns ihm also nachgehn. Wird nicht bisweilen, indem derselbe Wind weht, den einen von uns frieren, den andern nicht? oder den einen wenig, den andern sehr stark?

      Theaitetos: Ja wohl.

      Sokrates: Sollen wir nun in diesem Falle sagen, daß der Wind an und für sich kalt ist oder nicht kalt? Oder sollen wir dem Protagoras glauben, daß er dem Frierenden ein kalter ist, dem Nichtfrierenden nicht?

      Theaitetos: So wird es wohl sein müssen.

      Sokrates: Und so erscheint er doch Jedem von Beiden?

      Theaitetos: Freilich.

      Sokrates: Dieses Erscheint ist aber eben das Wahrnehmen.

      Theaitetos: So ist es.

      Sokrates: Erscheinung also und Wahrnehmung ist dasselbe in Absicht auf das Warme und alles, was dem ähnlich ist? Denn wie ein jeder es wahrnimmt, so scheint es für ihn auch zu sein.

      Theaitetos: Das leuchtet ein.

      Sokrates: Wahrnehmung ist also wohl immer des Seienden und untrüglich, wenn sie ja Erkenntnis ist.

      Theaitetos: So scheint es.

      Sokrates: Nun so war etwa, bei den Chariten, Protagoras gar überweise, und hat die Sache zwar uns nur durch vielen Nebel dunkel angedeutet, seinen Schülern aber im Geheimen das rechte gesagt?

      Theaitetos: Wie doch, o Sokrates, meinst du dies?

      Sokrates: Ich will es dir sagen, es ist gar keine schlechte Rede, daß nämlich gar nichts ein an und für sich bestimmtes ist, und daß du keinem Dinge mit Recht welche Eigenschaft auch immer beilegen kannst, vielmehr wenn du etwas groß nennst, wird es sich auch klein zeigen, und wenn schwer, auch leicht, und so gleicher Weise in Allem, daß eben nichts weder Ein gewesenes ist noch auch irgend wie beschaffen; sondern durch Bewegung und Veränderung und Vermischung alles unter einander nur wird, wovon wir sagen daß es ist, nicht richtig bezeichnend; denn niemals ist eigentlich irgend etwas, sondern immer nur wird es. Und hierüber mögen denn der Reihe nach alle Weisen, den Parmenides ausgenommen, einig sein, Protagoras sowohl als Herakleitos und Empedokles und so auch von den Dichtern, die Anführer von beiden Dichtungsarten, Epicharmos der komischen, und der tragischen, Homeros; denn wenn dieser sagt, Daß ich den Vater Okeanos schau und Thetys die Mutter, will er andeuten, daß alles entsprungen ist aus dem Fluß und der Bewegung. Oder scheint er dir nicht dieses zu meinen?

      Theaitetos: Allerdings auch mir.

      (153) Sokrates: Wer dürfte nun wohl gegen ein solches Heer und seinen Anführer Homeros etwas bestreiten, ohne sich lächerlich zu machen?

      Theaitetos: Leicht ist es nicht, o Sokrates.

      Sokrates: Gewiß nicht, Theaitetos. Zumal auch dies noch hinlängliche Beweise sind für diese Behauptung, daß nämlich allemal was zu sein scheint und das Werden die Bewegung verursacht, das Nichtsein aber und den Untergang die Ruhe. Denn Wärme und Feuer, welche dann wieder die andern Dinge erzeugen und in Ordnung halten, werden selbst erzeugt durch Umschwung und Reibung, diese aber sind Bewegung. Oder sind dies nicht die Entstehungsarten des Feuers?

      Theaitetos: Dies sind sie freilich.

      Sokrates: Ferner entsproßt ja auch das Geschlecht der Lebenden aus eben den Ursachen.

      Theaitetos: Wie anders?

      Sokrates: Und wie, der ganze Zustand des Leibes, wird er nicht durch Ruhe und Trägheit zerrüttet, durch Leibesübungen aber und Bewegungen im Ganzen wohl erhalten?

      Theaitetos: Ja.

      Sokrates: Und der Zustand der Seele eben so, pflegt sie nicht durch Lernen und Fleiß, welches Bewegungen sind, Kenntnisse zu erwerben und festzuhalten und so besser zu werden; durch die Ruhe aber, welche sich in Gedankenlosigkeit und Trägheit zeigt, nichts zu lernen nicht nur, sondern auch das Gelernte zu vergessen?

      Theaitetos: Ganz gewiß.

      Sokrates: Das Gute also ist Bewegung für Seele und Leib, und umgekehrt das Gegenteil davon.

      Theaitetos: So scheint