Theaitetos: Wie das?
Fremder: Wenn du ihm eine solche Antwort gibst und ihm von Spiegeln und Schnitzwerken sagst wird er dich auslachen mit deiner Rede, wenn du redest als sähe er, und wird sich anstellen als wisse er weder von Wasser noch Spiegeln etwas noch überall vom Gesicht, und wird dich immer nur aus den Erklärungen fragen.
(240) Theaitetos: Was nur?
Fremder: Das Allgemeine in dem Allen, was du eben, da du von vielen sprachst, mit Einem Namen bezeichnen wolltest, indem du zu allen Bild sagtest, was doch eins ist. So sprich nun und verteidige dich, ohne dem Manne irgend zurückzuweichen.
Theaitetos: Was sollten wir also anders sagen, daß ein Bild sei, o Fremdling, als das einem wahren ähnlich gemachte andere solche?
Fremder: Ein anderes solches wahres meinst du, oder worauf ziehst du das solches?
Theaitetos: Keinesweges doch ein wahres sondern ein scheinbares gewiß.
Fremder: Und meinst du unter dem wahren das wirklich seiende?
Theaitetos: So meine ich es.
Fremder: Und wie? unter dem nicht wahren also das Gegenteil des wahren?
Theaitetos: Was sonst?
Fremder: Also für nichtseiend erklärst du das scheinbare, wenn du es doch als das nichtwahre beschreibst.
Theaitetos: Aber es ist ja doch!
Fremder: Wie? doch gewiß nicht wahr meinst du?
Theaitetos: Das freilich nicht. Aber Bild ist es doch wirklich.
Fremder: Ist es nun also nicht wirklich nicht seiend, doch wirklich das was wir ein Bild nennen?
Theaitetos: In einer solchen Verflechtung scheint freilich das nichtseiende mit dem seienden verflochten zu sein, die ganz ungereimt ist.
Fremder: Wie sollte sie auch nicht ungereimt sein? und du siehst nun doch, wie durch dieses Schnell wechseln der vielköpfige Sophist uns genötiget hat dem nichtseienden wider Willen zuzugestehen, daß es irgend wie sei.
Theaitetos: Das sehe ich nur zu gut.
Fremder: Wie nun weiter? Als was können wir endlich seine Kunst bestimmen um mit uns selbst einig zu werden?
Theaitetos: Wie so und aus welcher Besorgnis sagst du dies?
Fremder: Wenn wir nun sagen, er täusche mit Trugbildern, und seine Kunst sei eine täuschende, sagen wir dann unsere Seele stelle falsches vor vermittelst seiner Kunst? oder was sagen wir?
Theaitetos: Dieses, denn was sollten wir anderes sagen?
Fremder: Falsche Vorstellung ist aber die das entgegengesetzte von dem, was ist, vorstellt? oder wie?
Theaitetos: Das entgegengesetzte.
Fremder: Also sagst du die falsche Vorstellung stelle nichtseiendes vor?
Theaitetos: Notwendig.
Fremder: Etwa, daß das nichtseiende nicht sei, stellt sie vor, oder daß das auf keine Weise seiende doch irgendwie sei?
Theaitetos: Notwendig doch wohl daß das Nichtseiende irgendwie sei, wenn sich doch einer auch nur im geringsten täuschen soll.
Fremder: Kann er nicht auch vorstellen, daß das auf alle Weise seiende keinesweges sei?
Theaitetos: Ja.
Fremder: Auch das also ist falsch?
Theaitetos: Auch das.
Fremder: Und dies beides ist, glaube ich, auf gleiche Weise für eine falsche Rede zu halten, welche sagt, das Seiende sei nicht, und welche, das Nichtseiende sei.
(241) Theaitetos: Wie könnte eine solche wohl auch anders sein!
Fremder: Wohl schwerlich! Aber dieses wird der Sophist nicht zugeben. Und wie könnte auch wohl jemand bei gesunden Sinnen es einräumen, wenn das schon als unaussprechlich, unbeschreiblich, unerklärlich und ungedenklich vorher ist zugestanden worden, wovon vor diesem die Rede war. Wir verstehen doch Theaitetos, was er meint?
Theaitetos: Wie sollten wir nicht verstehen, daß er sagen wird, wir behaupteten das Gegenteil von dem vorigen, wenn wir wagten zu sagen falsches sei in Vorstellungen und Reden? Denn wir würden dadurch gar vielfältig genötiget mit dem Nichtseienden das Seiende zu verknüpfen, nachdem wir nur eben eingestanden dies sei das allerunmöglichste.
Fremder: Richtig erinnert. Aber nun ist Zeit zu beratschlagen, was zu machen ist mit dem Sophisten. Denn wie die Einwendungen und die Schwierigkeiten, wenn wir ihn aufspüren wollen, indem wir ihn in die Kunst der Betrüger und Zauberer setzen, uns leicht und zahlreich zuströmen, das siehst du.
Theaitetos: Gar sehr.
Fremder: Und wir haben nur einen kleinen Teil davon durchgenommen, da sie geradezu unendlich sind.
Theaitetos: So würde es denn, wie es scheint, unmöglich sein den Sophisten zu fangen, wenn sich dies so verhält.
Fremder: Wie also? wollen wir also weichlich sein und ablassen?
Theaitetos: Nein, sage ich, das sollen wir nicht, so lange wir noch im Stande sind den Mann auch nur im mindesten zu fassen.
Fremder: Wirst du also Nachsicht haben, und dich wie du jetzt sagtest begnügen, wenn wir irgend wie auch nur ein Weniges von einem so starken Satze abreißen können?
Theaitetos: Wie sollte ich das nicht?
Fremder: So erbitte ich mir nun weiter auch noch dieses von dir.
Theaitetos: Was?
Fremder: Daß du mich nicht für einen ansehest, der seinen Vater Gewalt tut.
Theaitetos: Warum das?
Fremder: Weil wir den Satz des Vater Parmenides notwendig wenn wir uns verteidigen wollen prüfen, und erzwingen müssen, daß sowohl das Nichtseiende in gewisser Hinsicht ist, als auch das Seiende wiederum irgendwie nicht ist.
Theaitetos: Es leuchtet ein, daß dies muß durchgefochten werden in unsern Reden.
Fremder: Wie sollte das nicht einleuchten, sogar wie man zu sagen pflegt dem Blinden. Denn wenn jenes nicht widerlegt und dies nicht zugestanden wird, so wird im Leben Niemand im Stande sein, von falschen Reden und Vorstellungen zu reden, es sei nun von Schatten und Ebenbildern und Nachahmungen und Truggestalten selbst, oder von den sich damit beschäftigenden Künsten, ohne sich lächerlich zu machen, indem er genötiget ist sich selbst zu widersprechen.
Theaitetos: Vollkommen wahr.
Fremder: Darum nun müssen wir wagen, jenen väterlichen (242) Satz anzugreifen, oder wir müssen die Sache gänzlich unterlassen, wenn uns irgend eine Bedenklichkeit hievon abhält.
Theaitetos: Uns soll doch nichts davon irgend abhalten.
Fremder: So will ich denn drittens noch eine Kleinigkeit von dir erbitten.
Theaitetos: Sage nur.
Fremder: Ich sagte doch nur eben,