tali dignus amico. Vicente Flores Militello

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Название tali dignus amico
Автор произведения Vicente Flores Militello
Жанр Документальная литература
Серия Classica Monacensia
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783823301752



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Klientelwesen im Allgemeinen in Epode 2 und Ode 2,18 vorzufinden. Dabei spricht das Ich allerdings aus einer Außenperspektive. 1) Im ersten Fall geht es um die Thematisierung der klientelären Verpflichtungen (insbes. der salutatio, d.h. des morgendlichen Aufsuchens patronaler Häuser) als Inbegriff der Stadthektik. Dies wird jedoch nur scheinbar vom dortigen Sprecher, Alfius, kritisiert, der, wie man weiß, selbst ein faenerator ist und sich keinesfalls ernsthaft aufs Land zurückziehen möchte. 2) Im zweiten Fall stößt der Leser dagegen einerseits auf die Selbstinszenierung des Horaz-Ichs als pauper, aber von Maecenas’ Großzügigkeit profitierenden amicus; andererseits findet sich eine ernstgemeinte allgemeine Warnung an die (geizigen) Patrone vor Übermut gegenüber den Klienten.2 Anhand eines ethischen Diskurses rückt das lyrische Ich damit topisch die condicio humana in den Mittelpunkt.

      iii) Damit sind es vor allem die Episteln, die einen konkreteren und reicheren Überblick über die horazische Darstellung der Spannung im patronus-cliens-Verhältnis bieten. Horaz spricht etwa in 1) epist. 1,7 von der Schwierigkeit, Förderung und Geschenke zu erhalten und dennoch die eigene Freiheit zu wahren. Dabei dienen Exkurse wie Erzählungen und Anekdoten als Strategien der literarischen Darstellung, um die Komplexität und Unlösbarkeit einer solchen Problematik zu illustrieren. Scheinbar positiver drückt sich der Horaz-Sprecher in 2) epist. 1,17 und 3) 1,18 über die Vorteile eines sinnvoll genutzten patronus-cliens-Verhältnisses aus, indem er sich als erfahrener, Ruhe genießender cliens inszeniert, der nun in der Lage ist, didaktische Warnungen praktischer und ethischer Natur für die Beziehung zu den mächtigen Gönnern zu geben (in epist. 1,18,86 spricht er offen von der cultura potentis amici als einer schwierigen und gefährlichen Kunst). Horaz äußert sich hier offen über das hierarchische Abhängigkeitsverhältnis, das einen (v.a. Dichter-)Klienten an einen Gönner bindet, als wäre dieser ein Lehrer. Dieses Verhältnis basiert zwar auf Profitdenken, doch gleichzeitig (und vor allem) auf amicitia. Aus dieser Spannung ergibt sich die Schwierigkeit, dass nur ein geschickter (Dichter-)Klient von einer solchen Beziehung profitieren könne – ohne dabei wie ein plumper Parasit zu wirken (Kontrast amicus – scurra). Horaz hebt nicht nur die Vorteile des patronus-cliens-Verhältnisses hervor, sondern betont auch die Schwierigkeiten, sich richtig zu verhalten, und deckt die Schattenseiten auf, nicht zuletzt durch Exkurse und Humorsignale.

      Für die patronus-cliens-Thematik in der Literatur nimmt Horaz eine ebenso wichtige wie problematische Rolle ein. Denn einerseits ist sein genaueres Verhältnis zu Maecenas komplex und gleichzeitig schwer zu rekonstruieren und entspricht nicht immer einer eigentlichen clientela. Andererseits wurden aber seine Inszenierungen und v.a. sein Verhältnis zum Gönner zur topischen Darstellung des Idealverhältnisses zwischen patronus und cliens in der späteren Literatur überhaupt: Sie wirkten bei den Darstellungen späterer Autoren, etwa Martial und Juvenal, weiter, die zwar die patronus-cliens-Problematik aus einer deutlich verschiedenen Position betrachten, doch horazische Aspekte rezipieren und neugestalten.

      Die Darstellungen des Horaz nehmen eine multiperspektivische Ausleuchtung des Phänomens vor und geben durch Perspektivenwechsel Entscheidungshilfen für verschiedene Leser. Punktuelle Pflichten eines Klienten werden bei Horaz ansatzweise thematisiert, etwa die salutatio oder die cena-Einladungen, an sich spielen sie aber noch eine Nebenrolle. Das patronus-cliens-Verhältnis als Phänomen entwickelt sich dennoch zu einem topischen gesellschaftskritischen Element des satirischen Schreibens in der römischen Kaiserzeit und das Verhältnis zwischen Horaz und Maecenas avanciert zum Paradebeispiel für das unerreichbare Ideal.

      a) Horaz als amicus des Maecenas: Satiren 1,6; 1,9 und 2,6

      Horaz stellt sein Verhältnis zu Maecenas am Anfang seines Œuvres als eine untrennbare Verbindung aus ‚echter‘ Freundschaft und amtlichen Verpflichtungen dar. Er beteuert also seine innere Freiheit, gleichzeitig weiß er sich aber in einem Abhängigkeitsverhältnis gebunden, und daraus wird sich eine Problematik entwickeln. Ob solche Verpflichtungen mit einer clientela gleichzusetzen sind, stellt, wie erwähnt, eine komplexe Frage dar. Denn öfter ist von der besonderen Rolle die Rede, die Horaz für Maecenas spielt und die auf eher amtlichen Verpflichtungen basiert – und dies hat mit dem Verhältnis zwischen Patronen und Klienten wenig gemeinsam. Allerdings galt das Verhältnis zwischen Horaz und Maecenas in der literarischen Nachwelt (und vor allem bei den späteren Autoren wie Martial und Juvenal) als der Inbegriff des dichterischen Patronats, so dass sich die Darstellung ihrer Beziehung doch gut als thematischer Ausgangspunkt der patronus-cliens-Problematik eignet.1

      In einem entscheidenden Punkt ist sich der satirische Horaz sicher: Er zählt sich zu den wahren Freunden des Maecenas. In Satire 1,6 steht amicus sowohl für Maecenas als auch für Horaz.2Horazsat. 1,6 Der Ich-Sprecher zeigt sich darüber stolz, in numero amicorum des Maecenas aufgenommen zu sein (sat. 1,6,62) – damit inszeniert er diese amicitia, die auch eine gewisse klienteläre Abhängigkeit impliziert, als Grundlage seines literarischen Schaffens. Doch dieses Verhältnis ist von Ambivalenz gekennzeichnet. Zwar vermittelt der Dichter mit Selbstverständlichkeit etwa in sat. 1,5 den Eindruck seines entspannten Umgangs mit Maecenas optimus (31), und auch in sat. 1,6 schildert er die Entstehung und Entwicklung seiner Beziehung zum Gönner und Freund mit Gelassenheit, doch die Last, eine solche Beziehung zu pflegen, ist ein häufig vorkommendes Thema: Nicht nur erweckt er den Neid vieler (rodere in sat. 1,6,46ff.; invidia in sat. 2,6,48, s.u.), sondern er befindet sich auch selbst in einem Konflikt: War der Horaz-Sprecher in den ersten Satiren darauf stolz, Zeit für sich zu haben (z.B. sat. 1,5,128ff.), so ist im zweiten Satirenbuch eine gewisse Verzweiflung darüber zu spüren, seine Zeit nicht mehr selbst einteilen zu können, weil die Aktivitäten für Maecenas überhandnehmen.3

      i) Kontaktaufnahme im Rückblick: in amicorum numero (Satire 1,6)

      Horazsat. 1,4Horazsat. 1,5Horazsat. 1,6Das Verhältnis zu Maecenas ist seit der ersten Satire präsent. Doch erst in Satire 5 findet der Leser eine genauere Darstellung des Verhältnisses zwischen ihm und Horaz, und zwar anhand einer Szene aus dem täglichen Leben. Der Horaz-Sprecher inszeniert eine Reise, die er mit Freunden unternimmt. Nachdem er seine poetologischen Absichten in Satire 4 thematisiert hat, beschreibt er nun das sog. iter Brundisinum,1 welches offenbar z.T. auf Lucilius’ iter Siculum anspielt.2 Doch ab Vers 27 wird klar, dass Maecenas dabei eine wichtige Rolle spielt. Diese Reise setzt eine freundliche und vertrauliche Atmosphäre zwischen den Mitgliedern der Maecenas-Gruppe deutlich voraus, nicht nur unter den Dichtern (Horaz, Plotius, Varius und Vergil, vgl. 40ff.),3 sondern auch gegenüber Maecenas. Denn alle werden als enge Freunde präsentiert – Maecenas wird sogar affektiv als optimus charakterisiert (31), und es wird ein vertrauensvoller Umgang mit ihm beschrieben (vgl. lusum it Maecenas, dormitum ego Vergiliusque, 48).4 Die politische Bedeutung der Mission wird nur angedeutet (27–29),5 so dass sie eher als amüsanter Ausflug unter Freunden verstanden werden könnte, zumal sie mit banalen, auf Humor zielenden Beschreibungen kontrastiert wird (vgl. etwa Horaz’ Selbstbetrachtung als lippus gleich nach der eleganten Beschreibung von Maecenas’ Ankündigung: 27ff.).

      Dagegen findet sich in Satire 6, die deutlich vor dem iter Brundisinum spielt, die Darstellung der ersten Kontaktaufnahme mit Maecenas.6 Die Satire setzt mit den Bewertungskriterien ein, die Maecenas an Menschen und ihre Standesherkunft anlegt: Obwohl er selbst von hochadliger Abstammung ist (nemo generosior est te, 2), betrachtet er die adlige Herkunft eines Menschen für die Einschätzung einer Person als irrelevant – einzige Voraussetzung dafür ist die Stellung als frei Geborener (dum ingenuus, 8) (sat. 1,6,1–6):Horazsat. 1,6,1–6

Non quia, Maecenas, Lydorum quidquid Etruscos
incoluit finis, nemo generosior est te,
nec quod avus tibi maternus fuit atque paternus
olim qui magnis legionibus imperitarent,
ut plerique