tali dignus amico. Vicente Flores Militello

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Название tali dignus amico
Автор произведения Vicente Flores Militello
Жанр Документальная литература
Серия Classica Monacensia
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783823301752



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ignotos, ut me libertino patre natum.

      Dem stellt Horaz die Bewertungskriterien des populus bei der Wahl der Politiker gegenüber (14–17); zugleich betont er, dass auch er die Entscheidungen eines Censors gutheißen würde, der den non ingenuo patre natus aus dem Senat ausstößt (vel merito, 21). Denn wer als Politiker für das römische Volk sorgen will, sollte sich ausweisen können. Doch erst nach dieser Einleitung kommt Horaz auf seinen eigenen Stand zu sprechen (libertino patre natus, 45). Dabei zeigt Horaz überdeutlich, dass er sich des großen Standesunterschiedes bewusst ist und dass die Voraussetzungen für eine amicitia inter pares faktisch nicht gegeben sind, so dass Horaz jetzt wie der Politiker im vorausgehenden Abschnitt durch seinen Kontakt zu Maecenas prominent und vom Volk kritisch bewertet wird (sat. 1,6,45–48):Horazsat. 1,6,45–48

nunc ad me redeo libertino patre natum, 45
quem rodunt omnes libertino patre natum,
nunc, quia sim tibi, Maecenas, convictor, at olim,
quod mihi pareret legio Romana tribuno.

      Horaz hat in seinem Leben schon einmal eine vergleichbare Kritik erfahren, meint er, die er als Neid kennzeichnet,7 nämlich in seinem Rang als Militärtribun im Bürgerkrieg. Jetzt aber stellt er klar, warum die Stellung als convictor des Maecenas eben etwas anderes ist als der Rang eines Militärtribuns.

      Der Argumentationsgang der Satire ließe erwarten, dass das Amt des Tribuns eben eine öffentliche Wirkung hatte, während die Freundschaft eine private Angelegenheit sei – aber Horaz geht anders vor: Nicht Horaz ist es, der durch die invidia des Volks angegriffen wird, sondern Maecenas – nämlich in seiner Kompetenz im Bewerten eines amicus, die durch diese Kritik in Frage gestellt wird. Auch und besonders Maecenas muss also verteidigt werden: Die amicitia war kein Zufall (52‑54), sondern ist eine Auszeichnung, weil sie auf einen mehrmonatigen Bewertungsprozess zurückgeht. Dieser beginnt mit der Empfehlung durch Vergil und Varius und reicht über das persönliche Gespräch, bei dem Horaz nicht versucht hat, sich anders darzustellen, als er ist (60‑64), bis endlich nach langer Zeit das positive Ergebnis der Entscheidung mitgeteilt wurde. Die kompetente Bewertung des Maecenas, der turpe und honestum unterscheiden kann (63), steht außer Frage, und deswegen ist die Aufnahme in amicorum numero für Horaz eine so hohe Auszeichnung – im Vergleich zur vorher genannten Bewertung des Politikers durch den populus lässt sich folgern, dass die Auszeichnung größer ist als eine politische Karriere, denn Maecenas’ moralische Kriterien sind strenger, weil sie auf der Persönlichkeit beruhen, nicht auf Äußerlichkeiten. Die moralische Erziehung durch den Vater, dem Horaz diesen Erfolg verdankt, ist folglich das Thema der restlichen Satire (71ff.).

      Eine Antwort auf die Frage, ob das Verhältnis zu Maecenas ein patronus-cliens-Verhältnis ist, gibt Horaz hier nicht, denn in seinem Text geht es nicht um die soziale Stellung, sondern um die moralische Bewertung.8 Nur als er auf die Einschätzung des volgus zu sprechen kommt, begibt er sich auf die Argumentationsebene, die den sozialen Rang berücksichtigt. Er verwendet dabei, wie gezeigt, den Begriff convictor (47). Horaz selbst nutzt den Ausdruck allerdings sonst nicht, um sein Verhältnis zu Maecenas zu kennzeichnen, von dem er immer als amicitia spricht. Wie dieser Terminus also einzuschätzen ist und ob er hier ein parasitäres Verhältnis vorzuwerfen scheint, stellt eine wichtige Frage dar.9

      Der Begriff ist nicht häufig belegt10 und tritt i.d.R. im umgangssprachlichen Kontext auf, wie eine Stelle in Ciceros Briefcorpus zeigt: Ciceros Sohn schreibt an Tiro und betont, in Athen eine Wandlung weg von seinen Jugendsünden vollzogen zu haben. Zum Beweis spricht er über die iucundissima convictio mit seinem Kameraden Bruttius, dessen guten Lebenswandel er hervorhebt (fam. 16,21,4), sowie über seine enge Beziehung zu seinem Lehrer Cratippus und dessen gelehrten Freunden aus Mitylene: utor familiaribus et cotidianis convictoribus, quos secum Mitylenis Cratippus adduxit, hominibus et doctis et illi probatissimis (fam. 16,21,5). Hier kann also keine negative Konnotation des Begriffs vorliegen, denn der junge Cicero will ja einen guten Eindruck auf Tiro machen.11Cicerofam. 16,21

      Horaz selbst verwendet den Begriff noch einmal, um den Spott des Satirikers von der hinterhältigen scheinbaren Verteidigung eines verurteilten Freundes in der spottlustigen Runde eines convivium abzusetzen: Der Spötter beteuert zunächst seine enge Vertrautheit mit dem Opfer des Spotts (me Capitolinus convictore usus amicoque | a puero est causaque mea permulta rogatus, Hor. sat. 1,4,96f.). Neben der amicitia betont convictor offenbar die Vertrautheit im Verhältnis noch stärker. Horaz leitet das Thema mit einer (para-)etymologischen Anspielung ein, indem er der Quelle des schweren Vorwurfs nachgeht: Es mache ihm offenbar Spaß, andere zu verletzen (est auctor quis denique eorum, | vixi cum quibus?, sat. 1,4,80f.). Auch hier ist die Vertrautheit die zentrale Aussage. Ähnlich verhält es sich bei Ovid, als er über die Treulosigkeit der ehemaligen Freunde klagt, die nach der Verurteilung nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen (ille ego convictor densoque domesticus usu, Ov. Pont. 4,3,15). Das Vertrauensverhältnis betont auch das Augustus-Zitat aus Suetons Horazvita:Horazsat. 1,4,80f.Horazsat. 1,4,96f.OvidPont. 4,3,15Suetonvit. Hor.

      sume tibi aliquid iuris apud me, tamquam si convictor mihi fueris; recte enim et non temere feceris, quoniam id usus mihi tecum esse volui, si per valetudinem tuam fieri possit.

      Das vorausgehende Augustus-Zitat in dieser Vita spricht das parasitäre Verhältnis zu Maecenas an, wenn auch mit bewusster (auf Humor zielender) Übertreibung, denn Augustus möchte Horaz als amicus gewinnen und von Maecenas abwerben; deswegen stellt er das Verhältnis zu Maecenas als parasitäres, also abwertend dar:Suet. vit. Hor.

      ante ipse sufficiebam scribendis epistulis amicorum: nunc occupatissimus et infirmus Horatium nostrum a te cupio abducere. veniet ergo ab ista parasitica mensa ad hanc regiam et nos in epistulis scribendis adiuvabit.

      Aber hier wird der Begriff eben auch so verwendet, wie er gemeint ist. Es ist also unwahrscheinlich, dass convictor nur im Sinne eines parasitus abwertend gebraucht wird. Die antike etymologische Herleitung von convictor mit victus (Serv. ad Aen. 1,214)12 würde das zwar nahelegen. Aber selbst der offenbar entsprechende griechische Begriff συμβιωτής ist nicht unbedingt negativ konnotiert. Cicero verwendet ihn zum Beispiel in Verbindung mit einem gemeinsamen Mahl (fam. 9,10,2), als er Dolabella erzählt, dass er Schiedsrichter im Streit um die Echtheit eines Schuldscheins sei, den der gemeinsame Bekannte Nicias nicht anerkennen wolle. Cicero stellt sich nun mit einem Augenzwinkern vor, wie Dolabella ihm zum Wohlwollen gegenüber Nicias rät, weil er an die gute Bewirtung bei Nicias denken müsse, der als suavissimus noster συμβιωτής bezeichnet wird.13Cicerofam. 9,10

      Die umgangssprachliche Bezeichnung convictor, mit der das Volk das Verhältnis des Horaz zu Maecenas beschreibt, soll also das enge Vertrauensverhältnis ausdrücken, das ähnlich wie der Rang des tribunus, den Horaz einmal eingenommen hat, Neid erweckt. Dass Horaz trotzdem den Ausdruck convictor für sich selbst nicht verwendet, mag mehrere Gründe haben: Zum einen zeigen die Belegstellen, dass (außer Ovid) kein Sprecher sich selbst als convictor bezeichnet, man spricht immer von anderen Personen als convictor einer dritten Person. Zum anderen scheint es Horaz überhaupt zu vermeiden, seine Beziehung zu Maecenas sozial konturiert im Sinne eines patronus-cliens-Verhältnisses zu bezeichnen. Stattdessen versteht er sich als amicus im Sinne des ethischen amicitia-Diskurses; darauf weist auch der dreifache Einsatz von amicus im nächsten Abschnitt der Satire hin (50f.; 53; 62). Die Freundschaft ist für Horaz eine moralische Selbstaufwertung.14 Er fühlt sich dadurch geadelt, dass er die strengen moralischen Kriterien des Maecenas (qui turpi secernis honestum, 63)15 erfüllt hat – keine äußerlichen (non patre claro, sed vita et pectore puro, 64). Seine Ehrlichkeit im ersten Gespräch mit Maecenas, die er zunächst selbst als Ungeschicklichkeit (infans… pudor, 56) bewertet und so auch von den Neidern wahrgenommen