Название | tali dignus amico |
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Автор произведения | Vicente Flores Militello |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Classica Monacensia |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783823301752 |
Als externer Beobachter beschreibt der Sprecher die Entstehung und den Verlauf des Verhältnisses. Die Erzählung ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil (46‑71) führt die Figuren in ihrer Ausgangssituation ein: Philippus wird als wohlhabender und alter Anwalt charakterisiert, der seine Aktivitäten auf dem Forum erledigt hat und sich auf dem weiten Heimweg befindet (46‑49). Der angehende cliens Mena wird dagegen erstens als ein namenloser Jemand (quendam, 50) vorgestellt, der von Philippus beobachtet wird. Schon die ersten Elemente deuten auf eine komische Inszenierung hin: Während sich Philippus aufgrund seines Alters über die zurückzulegende Wegstrecke zum Stadtteil der Carinae beschwert (48f.), wird Mena beim Barbier nach einem Haarschnitt beobachtet, wie er sich entspannt die Fingernägel manikürt (50f.). Er erweckt die Aufmerksamkeit des wohlhabenden Philippus, so dass dieser sich durch seinen Sklaven über die Herkunft und den Stand des Mannes informieren lässt (52‑54, ausdrücklich: quo sit patre quove patrono, 54).24 Nur durch diesen Bericht erfährt der Leser zugleich mit Philippus, wer dieser Jemand ist: Volteius Mena, ein freier Mann, der beruflich als praeco tätig und von geringem Einkommen, doch unbescholten ist (55f.). Er sei zudem fleißig und wisse seine Ruhe, das eigene Haus, Freunde, Spiele und Sport am Marsfeld zu genießen (55‑60) – ein einfacher Bürger also, der als honestus den idealen cliens-Typ darstellen könnte25. Daher lädt ihn Philippus zur cena ein.
Mena ist jedoch offensichtlich mit seiner bescheidenen Ruhe zufrieden, denn die Einladung lehnt er ab. Philippus ist überrascht und sein Sklave erklärt die Ablehnung maliziös mit der Angst oder Nachlässigkeit eines inprobus (60‑64). Am nächsten Tag trifft Philippus Mena allerdings auf dem Forum wieder; als praeco verkauft Mena dort dem gemeinen römischen Volk billiges Zeug (tunicato … popello, 65); Philippus grüßt ihn als Erster (66a). Da Mena als Bürger niedrigeren Standes als Erster hätte grüßen sollen, entschuldigt er sich: Aus Arbeitsüberlastung sei es ihm unmöglich gewesen, am frühen Morgen zu Philippus zu kommen (68, zur salutatio, denn Mena weiß von Philippus’ Interesse an ihm als cliens, lässt sich vermuten) oder ihn vorher auf dem Forum zu begrüßen (66b-69a). Philippus zeigt sich verständnisvoll und lädt ihn erneut zur cena ein. Dieses Mal kann Mena nicht ablehnen (69b-70). Der letzte Satz des Philippus betont das Verständnis für Menas Tätigkeit: ergo | post nonam venies; nunc i, rem strenuus auge (70b-71). Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Philippus für Mena ein Adjektiv verwendet, mit welchem der Horaz-Sprecher ihn am Anfang der Erzählung (46) charakterisiert hat: strenuus; es lässt sich folglich feststellen, inwieweit sich beide Figuren aus der Perspektive des Erzählers ähneln und worauf die Sympathie des Philippus für Mena basiert: auf inneren Werten – in diesem Falle: auf Fleiß und Arbeitseifer, d.h. Mena und Philippus gleichen sich in ihrer Selbsteinschätzung und ihrem Werteverständnis.
Im zweiten Teil (72‑95) ist der Verlauf des Verhältnisses bis zum Scheitern zu beobachten. Nach dem Besuch der cena bei Philippus entwickelt sich ein offenes patronus-cliens-Verhältnis zwischen den beiden Figuren: Der Erzähler signalisiert von Anfang an den wiederholten Besuch des Mena bei Philippus als eine Gefahr: Indem er Mena mit einem an einer unsichtbaren Angel gefangenen Fisch vergleicht (occultum … piscis ad hamum, 74), verdeutlicht der Sprecher, dass er das Leben als cliens als eine Freiheitsbedrohung betrachtet.26 Mena gerät nämlich als mane cliens et iam certus conviva (75) früh und abends in die Abhängigkeit des Philippus:27 Zur matutina salutatio verpflichtet, wird mit dem cliens auch als conviva zum Abendessen gerechnet. Wie vorher gezeigt wurde, knüpft das Substantiv conviva an convictor an und weist semantisch auf ein gewisses parasitäres Benehmen hin. Mena sieht die Gefahr nicht, die ihm droht – der Erzähler kennt sie dagegen gut: Mena habe sich durch den anscheinenden Wohlstand anlocken und täuschen lassen, und nun droht er, seine Freiheit zu verlieren.
Folglich wird Mena damit gleich am Versende gezwungen, Philippus auf Landreisen zu begleiten (iubetur | rura suburbana … comes ire, 75f.). Was gelassen und erfreulich beginnt, wird Mena bald zum Verhängnis: Philippus überzeugt Mena, ein Landgut zu erwerben, dafür leiht er ihm Geld und gewährt ihm ein Darlehen (80f.). Mit dem Erwerb des agellum beginnt jedoch für Mena die Katastrophe. Das sonst gelobte Landleben wird nun parodistisch als Verzweiflungsszenario dargestellt (82‑89). War Mena als vir urbanus ein gesunder und eleganter Mann, so ist er zum (abgearbeiteten) Bauern geworden (ex nitido fit rusticus, 83)28, der sich vor Anstrengungen zu Tode schuftet und aus Arbeitswahn und Sorgen zu altern beginnt (85).
Mit verum im Vers 86 wird die Anti-Idylle der vita rustica als Katastrophe präsentiert: Die Schafe wurden gestohlen, die Ziegen sind gestorben, die Ernte ist verhagelt, sogar der Ochse ist beim Pflügen verendet. Frustriert und zornig reitet Mena mitten in der Nacht zu Philippus (88‑89). Der Schluss der Erzählung wirkt humorvoll (90‑95): Schmutzig und mit ungepflegten Haaren (Verzweiflung betonende Elemente, als Gegenbild zur ersten Szene des Menas beim Barbier) lässt er sich plötzlich bei Philippus blicken (90). Scherzhaft deutet der patronus auf Menas offensichtliche Überarbeitung hin (durus … Voltei, nimis attentusque videris | esse mihi, 91f.), worauf die verzweifelte Antwort des cliens folgt (92‑95): Als miser (92) offenbart Mena seine Erschöpfung; die vom patronus gewollte vita rustica sei für ihn nicht geeignet. Pathetisch bittet er Philippus, ihn zurück in sein altes Leben zu lassen (95).
Die Frage ist natürlich, ob diese Bitte so einfach erfüllt werden kann. Sie ist hier zum einen mit der unerfüllbaren Forderung des Horaz an Maecenas, ihm die Jugend wiederzugeben, zu vergleichen, zum anderen ist sie mit der Ankündigung des Horaz in Beziehung zu setzen, dass er die Geschenke zurückgeben könnte. Das Verhältnis hat einen wichtigen Teil der Lebenszeit und Kraft des cliens in Anspruch genommen, die unwiederbringlich sind. Doch das Epimythion, mit der Erzählung und Brief schließen, betont, dass die Geschichte nicht dem Patron die Schuld zuweist, sondern den Beschenkten in die Verantwortung nimmt (epist. 1,7,96‑98):Horazepist. 1,7,96 98
qui semel aspexit quantum dimissa petitis
praestent, mature redeat repetatque relicta.
metiri se quemque suo modulo ac pede verum est.
Damit bleibt offen, ob die Lehre auf den Horaz-Erzähler, auf Mena oder auf beide zutrifft.29 Ideal und Ziel, die Ruhe und innere Freiheit, gelten trotzdem für beide. Die Erkenntnis der eigenen Bedürfnisse liegt in der Verantwortung des Einzelnen, und die Konsequenzen aus der Erkenntnis zu ziehen, ist seine Pflicht. Damit knüpft der Erzähler zwar an die Aussagen über sich selbst (cuncta resigno, 34 und donata reponere, 39) an, doch diese Möglichkeit müsste Horaz nur dann wahr machen, wenn Maecenas ihm tatsächlich die Freiheit nähme.30 Damit das nicht geschieht, muss Horaz aufrichtig seine Bedürfnisse äußern, wie er es in der Epistel tut. Mena und den Sprecher verbindet, dass ihre angestrebte Ruhe auf der früheren Bescheidenheit basiert und dass die beiden folglich zu ihrer jeweiligen Ruhe zurückkehren möchten (Horaz legt Wert auf die Ruhe des Landes, da er die Kraft der Jugend nicht mehr besitzt, dank derer er in der Stadt gut leben konnte; Mena sehnt sich nach der Stadt, wo er seine Muße genießen darf).31 Zwar sind die Parallelen zwischen der Philippus-Mena-Anekdote und dem Verhältnis zwischen Horaz und Maecenas evident, so dass sich daraus eine gewisse Spiegelung e contrario ersehen lässt; doch dass Mena und Philippus mit dem Sprecher und Maecenas gleichzusetzen sind, ist zu bezweifeln. Dem Leser (und wohl auch Maecenas) wird ein Alternativszenario vor Augen geführt, als wolle der Horaz-Sprecher zeigen, was passieren könnte, wenn der Patron den Klienten überfordert.32
Dabei ist auch an die Landmaus- und Stadtmaus-Geschichte in sat. 2,6 zu denken, selbst wenn die Land- und Stadtthematik dort das Ziel des Diskurses ist: Meinte die vor den Molossi canes, die die insidiae der Stadt darstellten, erschrockene Landmaus: haud mihi vita | est opus hac (115f.), so bittet nun der vor Erschöpfung zusammengebrochene cliens urbanus: obsecro et obtestor, vitae me redde priori (95). Menas Selbstbezeichnung als miser knüpft ebenso an sat. 2,6 an, denn