Название | tali dignus amico |
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Автор произведения | Vicente Flores Militello |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Classica Monacensia |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783823301752 |
Doch Maecenas wird hier nicht wie der dives der ersten Verse bewertet: Ihm wurde ja schon die Fähigkeit ethischer Bewertung bescheinigt (turpi secernere honestum, Hor. sat. 1,6,36) – folglich erkennt er die Aufrichtigkeit des Horaz. Dass der Sprecher ihn damit als Einzelfall betrachtet, wird durch die nächsten Verse betont, in denen ein dives avarus Ziel der Kritik wird. Dabei spielt die clientela-Thematik zum zweiten Mal eine wichtige Rolle.Horazsat. 1,6,36
Warnung vor Anmaßung gegenüber bedürftigen clientes (15‑28).
Horazcarm. 2,18,15-28Der zweite Teil der Ode konzentriert sich auf die Thematik der Vergeblichkeit menschlichen Ehrgeizes. Einem unbestimmten tu (17) – offenbar der Typus des reichen, überheblichen Patrons (nicht aber Maecenas)12 – wird vorgeworfen, er kümmere sich nur um den äußeren Wohlstand, während er sich seiner Sterblichkeit nicht bewusst sei (sepulcri inmemor, 19). Der Wohlstand schlägt sich topisch in Baumotiven wie marmor, domus, Baiae, die Vergänglichkeitsthematik in Motiven des Todes wie funus, sepulcrum, urgere nieder und wird damit zu einem deutlichen Signal für den ethischen Diskurs. Kritik an luxuria und avaritia, wie der Ich-Sprecher letztlich topisch exemplifiziert, stellt den geizigen Reichen also an den Pranger. Wegen seiner Grenzen- bzw. Hemmungslosigkeit versucht er nicht nur, die Natur zu bezwingen, sondern gefährdet sogar die Existenz anderer (carm. 2,18,15‑28):
truditur dies die | 15 | |
novaeque pergunt interire lunae: | ||
tu secanda marmora | ||
locas sub ipsum funus et sepulcri | ||
inmemor struis domos | ||
marisque Bais obstrepentis urges | 20 | |
submovere litora, | ||
parum locuples continente ripa. | ||
quid quod usque proximos | ||
revellis agri terminos et ultra | ||
limites clientium | 25 | |
salis avarus? pellitur paternos | ||
in sinu ferens deos | ||
et uxor et vir sordidosque natos. |
Der Reiche wolle seine Villa am Strand noch auf das Meer ausdehnen, sonst halte er sich nicht für reich genug; dafür okkupiert er nicht nur die Strände, sondern beraubt auch seine Nachbarn ihres Landguts. Letzteres stellt eine Angelegenheit dar, die im römischen Recht streng verurteilt wurde. Die Grenzverschiebung des Grundstücks des Nachbarn (proximos | revellis agri terminos) sowie des Klienten (limites clientium | salis) wurde im archaischen Rom sogar als schweres sakrales Delikt empfunden.13 Wie noch gezeigt wird, knüpft dieses Motiv an archaisierende Elemente an, die den traditionellen ‚römischen‘ Charakter der Komposition betonen. Denn die sog. exaratio termini, also die Grenzverschiebung, ist ein Verstoß gegen eines der heiligsten Elemente der römischen Weltanschauung. Der Kult des Gottes Terminus wurde mythologisch auf König Numa zurückgeführt14 (wie auch der Fides-Kult). Ein Verstoß gegen die zwischen Anrainern vereinbarten Flurgrenzen stellte einen klaren Fall der ἀδικία dar (Plut. Num. 16,2) und führte ursprünglich sogar zur sog. Sazertät.15 Somit ist die Parallele zum Verstoß gegen die fides beim patronus-cliens-Verhältnis in dieser Ode offensichtlich:16 Beging ein Patron fraus gegenüber seinem Klienten (missachtete er also die fides), wurde er zum homo sacer erklärt (so die schon oben behandelte Lex XII Tab.: patronus si clienti fraudem fecerit, sacer esto)Lex XII tab.8,21 – genau wie derjenige, der die Grenzen des Nachbarn (oder noch schlimmer: der clientes)17 nicht beachtet.18 Eine solche Verletzung verschärft sich allerdings im patronus-cliens-Verhältnis, weil die Fürsorgepflicht verletzt wird. Dies lässt sich auch im folgenden Beispiel bemerken.
Nicht umsonst zitiert Servius in seinem Kommentar zu Aen. 6,609 genau diese Horaz-Stelle, um das nur durch ihn überlieferte Zwölftafelgesetz über das patronus-cliens-Verhältnis zu veranschaulichen: In der Katabasis der Aeneis (6,236‑899) beschreibt die Sibylle Aeneas den Tartarus (547‑636). Dort werden nicht nur aus Mythen bekannte Frevler schwer bestraft (an die die Sibylle in einer praeteritio erinnert: 601), sondern generell alle Frevler, deren Vergehen exemplarisch genannt werden.19 Dabei verleihen die patroni,20 die ihre clientes misshandeln bzw. betrügen ([quibus est] fraus innexa clienti, 609), zusammen mit denjenigen, die die eigene Familie (Geschwister und Eltern) misshandelten (was dem Zwölftafelgesetz nach ebenso zur ‚Sazertät‘ führte21), der Passage einen deutlich römischen Charakter. Schließlich präsentiert die Sibylle zahlreiche avari und sonstige Verbrecher (meistens Verräter).22 Sie betont dabei die Bedeutung der avari, die eine erheblich größere Gruppe darstellen.23 Der Horaz-Sprecher in carm. 2,18 scheint daran anzuknüpfen, indem er gerade an den avari und im Zusammenhang mit der clientela ein Beispiel des frevelhaften Übermuts zeigt. In beiden Fällen ist zwar eine allgemeinere Kritik an menschlichem Verhalten das Ziel der Aussage, doch indem die moralischen Vergehen im Rahmen des patronus-cliens-Verhältnisses inszeniert werden, sind sie für ein römisches Publikum tief in der eigenen Tradition verankert und erhalten auch eine archaisierende Patina – bei Horaz wird die kritisierte avaritia, die andere schädigt, als besonders schwerwiegendes Vergehen empfunden, weil sie sich gegen die traditionelle römische Institution der clientela richtet.
Der Horaz-Sprecher von carm. 2,18 zeigt Mitgefühl mit der Figur des armen cliens, der als Opfer des geizigen Patrons hilflos und wie ein unglücklicher Aeneas gezeichnet wird, der mitsamt seinen Penaten und mit Frau und Kind fliehen muss, während der patronus in seiner Habgier gnadenlos und unverantwortlich handelt.24 Dass dieser die Fürsorgepflicht verletzt hat, wird durch die Notdürftigkeit des armen cliens besonders betont. Denn nicht immer stehen die Klienten für pauperes, hier jedoch muss der dives-pauper-Kontrast zur Kritik an der übertriebenen luxuria und avaritia eingesetzt werden. Das lyrische Ich kann den avarus nur mit der Erinnerung an die eigene Vergänglichkeit, also mit einem topischen Argumentationsmuster, zur Erkenntnis seines Fehlverhaltens bringen – und mit ihm auch den Leser.
condicio