tali dignus amico. Vicente Flores Militello

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Название tali dignus amico
Автор произведения Vicente Flores Militello
Жанр Документальная литература
Серия Classica Monacensia
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783823301752



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ut prisca gens mortalium, paterna rura bubus exercet suis solutus omni faenore neque excitatur classico miles truci 5 neque horret iratum mare forumque vitat et superba civium potentiorum limina.

      Was eine vita beata ausmacht, ist nach der Darstellung des Sprechers ein Leben ohne negotia (1). Das Soldatenleben, geschäftsbedingte Seefahrten (5‑6) und schließlich die Stadthektik, die in der Betätigung als Anwalt auf dem Forum und eben als Klient bei der salutatio zu spüren ist (7‑8), widersprechen der vita beata. Evident ist, dass dabei sowohl negotium (1) als auch faenus (4) Schlüsselwörter sind – denn während sie in einer ersten Lektüre neutral auf Unannehmlichkeiten hindeuten, veranschaulichen sie in einer zweiten ironisch Alfius’ gewinngierige Natur als faenerator.10 Das Landleben wird dagegen als Inbegriff der natürlichen, ‚menschlicheren‘ Lebensweise präsentiert (ut prisca gens mortalium, 2), in der Familienbesitz (paterna rura, 3) in Ruhe und Sicherheit bebaut werden könne11 (3f.). Topisch sind die Gegenüberstellungen von Landleben und Militär bzw. Seefahrt schon in der griechischen Literatur,12 doch sie spielen auch in der römischen Dichtung eine zentrale Rolle, wie schon am Menaechmus-Monolog sichtbar wird.

      Der Sprecher der zweiten Epode drückt sich nicht sehr viel anders als der Horaz-Sprecher aus, wenn er über seine eigene Situation in Sat. 2,6 spricht; doch ist die Aktivität auf dem Forum bei ihm in der Epode noch deutlicher an die clientela-Thematik gebunden: Die salutatio, die mit der Umschreibung superba civium | potentiorum limina (7f.)13 die unangenehme Distanz zwischen Patron und Klient ausdrückt, wird als Höhepunkt der unangenehmen Verpflichtungen des Stadtlebens genannt. Gerade in dieser Formulierung wird die Nähe zu Vergils Lob des Landlebens in den Georgica (georg. 2, 457‑474; 532‑535) nachweisbar14 (georg. 2,457‑474):Vergilgeorg. 2,457 474

O fortunatos nimium, sua si bona norint,
agricolas! quibus ipsa procul discordibus armis
fundit humo facilem victum iustissima tellus. 460
si non ingentem foribus domus alta superbis
mane salutantum totis vomit aedibus undam,
nec varios inhiant pulchra testudine postis
inlusasque auro vestis Ephyreiaque aera,
alba neque Assyrio fucatur lana veneno, 465
nec casia liquidi corrumpitur usus olivi;
at secura quies et nescia fallere vita,
dives opum variarum, at latis otia fundis,
speluncae vivique lacus, at frigida tempe
mugitusque boum mollesque sub arbore somni 470
non absunt; illic saltus ac lustra ferarum
et patiens operum exiguoque adsueta iuventus,
sacra deum sanctique patres; extrema per illos
Iustitia excedens terris vestigia fecit.

      Im letzten Teil des zweiten Georgica-Buches preist Vergil die Landwirtschaft als Aktivität, „weil sie die Menschen in den Tugenden übt, nicht zu betrügerischen Geschäften verleitet und zugleich auch die körperliche Tüchtigkeit in Übung hält“, wie Erren 2003, 510 bemerkt. Dies wird dort mit dem Kontrast von Luxus-Elementen zum entfremdend wirkenden Stadtleben verbildlicht. Die iustissima tellus15 bietet den glücklichen Bauern ein Leben in Sicherheit und Ruhe. Dies wird anhand von Beispielen gezeigt, die die anstrengenden Elemente des Stadtlebens kennzeichnen: Weder die salutatio (461f.) noch der übertriebene Luxus in den Häusern, in der Kleidung und an Parfüm (463‑7) betreffen die bescheidene Existenz der Landleute.16 Daher ist eine solche vita der einzige Weg zur (beinahe philosophischen) secura quies (467). Idyllisch werden die Elemente dieses Lebens bildhaft in den Versen 468‑71 vorgeführt. Während es in der Epode aber um die Seelenruhe durch Bescheidenheit und um das Glück der selbsterworbenen Mahlzeiten geht, das alle Delikatessen überflüssig macht, betont Vergil wesentlich stärker die moralischen Aspekte der gepriesenen Lebensweise (nescia fallere vita, georg. 2,467), indem er mit Justitia, die zuletzt das Landleben verlassen hat, an die moralische Depravation der Menschengenerationen des Goldenen Zeitalters erinnert.17

      Für Oksala (1979, 106) verspottet Horaz in Epode 2, indem er Alfius als Sprecher auftreten lässt, „die romantische Auffassung vom Landleben – ein Thema, das damals bei den Stadtbewohnern als Mode beliebt war – und benutzt dazu die Ideenwelt der Georgica, die er schon privat kannte“, als wolle er ‚prophezeien‘, „wie der Stadtbewohner – der künftige Leser der Georgica – dieses tiefe Naturepos missbrauchen wird, dessen Echtheit an sich er keineswegs in Frage stellte.“ Dies erklärt die von Kießling-Heinze beobachtete Inkongruenz zwischen dem übertriebenen Ton, in dem Ironie steckt, und der zur horazischen Anschauung eigentlich gut passenden Beschreibung des Landlebens, was in den letzten Epodenversen den Überraschungseffekt bewirke (so auch Watson 2003, 84f.).18

      Vergil präsentiert ein mit mehr Pathos erfülltes Bild, in dem die Klienten als anonyme Masse (ingens unda) nicht selbst gehen, sondern aus dem Palast des Patrons ausgespien werden. Die Außenperspektive des Beobachters ist dabei zwar voreingenommen, zugleich ist daraus aber auch zu schließen, dass der einzelne cliens von seinem patronus nicht mehr als Individuum wahrgenommen wird. Dagegen ist bei Horaz die Umschreibung der salutatio zwar augenscheinlich ähnlich (die superba limina entsprechen den fores superbae bei Vergil), doch der Bürger, aus dessen Perspektive gesprochen wird, bestimmt selbst und vermeidet diese Situation (vitat, 7). Der Sprecher inszeniert sich als jemanden, der die Last der Pflichten kennt. Das Horaz-Ich in sat. 2,6 hätte sich wohl diesbezüglich in ähnlichem Ton geäußert19 (auf jedem Fall wird er es in carm. 2,18 machen, wie gleich gezeigt wird20). Der Erstleser der Epode ist sich dessen bewusst, doch am Ende löst sich die Ernsthaftigkeit der Kritik in Luft auf – oder sie wird auf eine komische Weise relativiert.21

      In beiden Fällen aber, denkt der Leser nun an einen Horaz- oder an einen Alfius-Sprecher, wirkt die Lage der Klienten gleich beklagenswert. Der moralisierende Ton der Georgica ist in der Epode nicht vorhanden, doch in carm. 2,18 wird der (diesmal tatsächliche) Horaz-Sprecher auf einen moralphilosophischen Diskurs zurückgreifen, der die schwierige Lage der gewöhnlichen Klienten mit der Lage der zum Übermut neigenden Patrone kontrastiert.