Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur. Manuel Caballero González

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Название Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur
Автор произведения Manuel Caballero González
Жанр Документальная литература
Серия Classica Monacensia
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783823300045



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usually transitive and much-used by Vergil to describe the brandishing of weapons, but intransitively refers to the flickering light of things, and applies it to the … movement of the reptile tongue“161; in der Tat wird Ovid dieses Verb nirgendwo weiter benutzen. Seinerseits wird Nonnos das Geräusch der Schlangen in seiner Beschreibung erweitern162. Die Nattern aber haben nur die Funktion, Angst zu machen und das Ehepaar festzubinden.

      Tisiphone wirft anschließend zwei Schlangen, die Athamas und Ino nicht außen, sondern innen beschädigen sollen. Es gibt keine äußerliche Wunde: mens est, quae duros sentiat ictus (499)163. Wie in den Fasten (VI 493–494)OvidFast. VI 493–494 wird nicht nur Athamas, sondern auch Ino vergiftet. In dieser Beschreibung der Metamorphosen hat man den Eindruck, dass Vergil (Vgl. Aen. VII 350–356VergilAen. VII 350–356) wieder einmal Ovids Vorbild ist. Sowohl der Genitiv von Inos Name (Inoos) wie der von Athamas (Athamanteos) sind ungewöhnliche Bildungen. Inous kommt auch in Met. III 722OvidMet. III 722 und in AA. III 176OvidAA. III 176164 vor. Es scheint, dass Vergil der erste ist, der inVergilG. I 437G. I 437165 so schreibt. Athamanteos erscheint so zum ersten Mal in der lateinischen Literatur; es könnte eine ovidische Erneuerung sein. Andere Autoren haben diese Form danach auch verwendet, wie Statius166 und Martial167 .

      Und damit nicht genug hat Tisiphone ein starkes, flüssiges Gift mitgebracht; Vergil begnügt sich mit der Wirkung der Schlangen von Allekto. Diese Szene ist nach Bömer eine „barocke Übertreibung …, sowohl im Ausdruck als auch in der Vorstellung“168. Haupt meint ebenfalls, „die Hervorhebung und Schilderung des Grausigen entspricht dem alexandrinischen Charakter der ovidischen Poesie“169. Halm-Tisserant glaubt, „l’interprétation que le poète latin offre de l’épisode (500–509) retient l’intérêt, parce que ne laissant pas vraiment place à la mania, elle associe la démence à la magie“170. Tisiphone erreicht ihr Ziel mit Hilfe von Drogen. Ovid trägt die Verschreibung dieses Gebräus nach dem hellenistischen Verständnis vor; Bömer bemerkt treffend: „In Wahrheit sind die im folgenden genannten uenena durchaus nicht alle liquida“171.

      Der Schaum zeigt den WahnsinnWahnsinn an, obwohl er ein den Epileptikern zugehöriger Hinweis ist. Der scheußliche Geifer Echidnas deutet auf ihren fabelhaften Ursprung „à moitié jeune fille et à moitié serpent“172 hin; aus ihr und Typhon wurde Kerberos geboren. Der herumschweifende Wahn und die Verstörung der verblendeten Sinne, zusammen mit dem Vergessen, gehören zum furor. In der Mordlust und in den Tränen mischen sich Ursache und Wirkung. Das frische Blut belebt und verstärkt das Gift. Der Schierling ist das Gift par excellence jener Zeit. Das Gebräu wurde Anderson gemäß wie bei den Hexen gekocht und mit frischem Schierling verrührt. Dieses Gift wird Bernbeck nach ausführlich beschrieben, „weil die Bestandteile eine wesentliche Vorstellung von seiner Wirkung vermitteln“173. Bömer behauptet, indem er diese uenena mit Tisiphones Begleitung vergleicht: „Diese Phantasie greift an unserer Stelle sehr viel kühner aus als bei den üblichen Konkretisierungen abstrakter Begriffe, die im allgemeinen auf Personifikationen hinauslaufen, für die es zahlreiche Vorbilder gibt (IV 484ff.), und daher leichter vorstellbar sind als diese „neutralen“ oder „unpersönlichen“ Konkretisierungen“174. Athamas‘, nicht Inos Geist wird verwundet; sein Leib wird davon nicht berührt. Wie Cicero schreibt175, werden Seele und Leib unterschieden; der Wahnsinn, vor allem, der furor, gehört zur Seele, nicht zum Leib.

      Es gibt eine andere Variante für den Vers 506, die eine bestimmte von Anderson vorgeschlagene Interpretation gestattet oder verhindert: uergit o uertit. Anderson nimmt das zweite Wort176 in Teubners Ausgabe an und meint, man solle hier den Kernausdruck der Metamorphose sehen: uertere in + Akkustiv. Er erklärt dies so: „But instead of saying the Fury turned their hearts into poison, he says that she turned poison into their hearts“177. Diese Deutung ist m.E. falsch, auch wenn die Lektüre uertit angenommen wird. Die Verwandlung, auf die Ovid im Mythos von Athamas hinweisen will, ist die von Ino und Melikertes in Götter und die der sidonischen Frauen in Standbilder aus Stein bzw. in Vögel. Meiner Meinung nach ist es nicht zutreffend, dass Ovid sich Athamas’ Wahnsinns-Prozess als eine bleibende Veränderung vorstellt. Die Prozesse sind irreversibel, Athamas’ Wahnsinn aber ist, im Prinzip, nicht für immer verhängt. Darüber hinaus haben die Metamorphosen bei Ovid eine physische Verwandlung zur Folge und dies ist bei Athamas nicht der Fall.

      Bömer erklärt, dass furiale uenenum (506) „die faktitive Bedeutung ,ad insaniam compellens‘“178 hat. Das Gift wirkt in pectus, denn da ist der Sitz der Vernunft und der Gefühle des Menschen. In Verg. Aen. VI 472VergilAen. VI 472 wird von praecordia intima gesprochen. Dies ist das Bild des Wahnsinns: Der Irrsinn wird von der Gottheit verursacht – eben wenn sie sich einer Mittelsperson bedient –, aber er wirkt von innen, von den Lebensorganen des Menschen heraus. Dies ist m.W. der im Laufe der Zeit entstandene Kompromiss für das schwierige Dilemma über den Ursprung des WahnsinnWahnsinns: Kommt er von den Göttern oder von einer Fehlfunktion der menschlichen Organe? Padel äußert sich im selben Sinne, „‘Coming from god’ does not have to mean ‘from outside’: daemons are in us as well as outside us“179. Auf jeden Fall hat der Irrsinn seinen Ursprung in der göttlichen Welt, obwohl seine natürliche Ursache leicht erklärbar ist. Schließlich besiegelt Tisiphone alles mit dem Feuer ihrer Fackel (Met. IV 508–509OvidMet. IV 508–509): Tum face iactata per eundem saepius orbem / consequitur motis uelociter ignibus ignes.

      Viarre meint, „quant aux émotions humaines qu’Ovide met en rapport avec le feu, elles sont, elles aussi, la plupart du temps, mauvaises et meurtrières“180. Möglich ist, dass Ovid sich von Vergil181 beeinflussen ließ, denn „in der Aeneis stößt Allecto Turnus die Fackel in die Brust und entflammt ihn zu kämpferischem Wahnsinn (VII 456 ff)“182. Anderson aber glaubt, „Ovid’s insistence on literary allusion and on allegory give his scene a distinctly non-Vergilian quality“183. Jedenfalls schließt Ovid Tisiphones’ Eingriff mit dem ersten Mittel aus, nämlich der Fackel aus Feuer, die sie aus der Unterwelt mitgenommen hatte.

      Obwohl Ovid sich nicht so sorgfältig wie Vergil um die Gesamtheit des Werkes und die Harmonie der Teile kümmert, sind Bernbecks Behauptungen m.E. ein wenig übertrieben: „Um die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten der Ökonomie und der Zweckmäßigkeit für die Handlung ist er unbekümmert. Die Hauptsache ist ihm die bildhafte Anschaulichkeit der Einzelvorstellungen“184. Meiner Ansicht nach hat Ovid ein anderes Interesse und eine andere Erzählart, die als unzusammenhängend betrachtet werden könnte, die aber einen großen Vorteil hat: Sie ist sehr anschaulich.

      Andererseits ist es seltsam, dass alle Attribute Tisiphones von Blut durchtränkt sind, während Athamas und Ino davon nicht betroffen sind: Kein Blutstropfen des Aioliden bzw. seiner Frau wird vergossen. Man hat eher den Eindruck, dass dieses Blut eine Metapher für das Blut ist, das Athamas vergießen wird, wenn er seinen Sohn tötet.

      Tisiphone hat ihr Wort gehalten, sie kommt als uictrix185 zum Königreich von Ditis186 zurück und legt ihre Kleidung ab. Diese Beschreibung gehört eigentlich zur Epik: „Wenn eine Person ihre Mission erfüllt hat, tritt sie ausdrücklich von der Bühne ab“187. Dieser Titel, uictrix, wird auch auf Allekto in Aen. VII 544VergilAen. VII 544 zurückgeführt; der Unterschied liegt darin, dass „Tisiphone returns to the underworld unbidden at 4. 510–11 while Allecto must be ordered to go (AenVergilAen. VII 544–571. 7. 544–571)“188.

       5’) Athamas’ Jagd (512–519)

      Das Gift tut Wirkung und seine Folgen treten unmittelbar ein. Athamas wird furibundus. Es scheint, dass Athamas’ WahnsinnWahnsinn nach Bömer in die attische TragödieTragödie zurückversetzt werden kann, obwohl dieser Forscher zugibt, „die Fragmente der Tragiker geben keinen Anhaltspunkt“189. Haupt behauptet seinerseits, „eine bestimmte Quelle vom Wahnsinn des Athamas und der Ino (vgl. zu 4, 420) läßt sich nicht nachweisen“190, auch wenn sich einige Züge in Kallimachos’ Werk erkennen lassen191. Dieser letztere Gelehrte denkt, dass das Platzieren des Anfangs von Athamas’ Wahnsinn vor seinem Palast entweder eine Erfindung von Ovid oder, vielleicht, die Kopie eines thebanischen Mythologienhandbuchs sein könnte. Selbst das Motiv der Jagd ist vor Ovid192 nicht ganz sicher; es könnte auch eine Erfindung des lateinischen