Internationale Beziehungen. Anja Jetschke

Читать онлайн.
Название Internationale Beziehungen
Автор произведения Anja Jetschke
Жанр Социология
Серия bachelor-wissen
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783823300038



Скачать книгу

in Afrika und Asien

      Die Entstehung eines globalen Ost-West-KonfliktOst-West-Konflikts, die Dekolonisation mit einer großen Zahl neuer Staaten in Afrika, Asien und dem Nahen und Mittleren Osten sowie die Spaltung zwischen der Sowjetunion und China führten zu einer Vielzahl von regionalen Konflikten, die äußerst komplex waren: Ungeklärte Territorialfragen, die zum Teil mit überlappenden Volkszugehörigkeiten zusammenfielen, vermischten sich mit regionalen Ordnungsfragen, so im Nahen Osten, am Horn von Afrika und im südlichen Afrika. Der Wettbewerb der globalen HegemonienHegemonien USA und Sowjetunion und ab 1963 zum Teil auch Chinas um die innerstaatliche politische Ausrichtung der neuen Staaten verlängerte oftmals die Kriege. Deshalb beobachten wir zum Teil lang andauernde Konflikte mit sehr hohen Opferzahlen.

WoEreignisWann
AsienUnabhängigkeitskrieg Indonesiens von den Niederlanden1945–1949
AsienIndochinakrieg Frankreichs1946–1954
AsienErster Indisch-Pakistanischer Krieg1947/1948
Naher OstenErster Nahostkrieg1948–1949
AsienKoreakrieg1950–1953
AfrikaUnabhängigkeitskrieg Algeriens von Frankreich1954–1962
AfrikaNationalisierung des Suezkanals (Suez-Krise + Zweiter Nahostkrieg)1956
AfrikaBürgerkrieg im Kongo1960–1965
AsienVietnamkrieg1961/1964–1975
Naher OstenDritter Nahostkrieg (Sechs-Tage-Krieg)1967
ZentralamerikaFußballkrieg1969
AsienBürgerkrieg in Kambodscha1964–1975
Afrika, SüdostasienUnabhängigkeitskriege von Portugal(Angola, Mosambik, Osttimor etc.)1962– z.T. 1994
AfrikaUnabhängigkeitskrieg Biafras von Nigeria1967–1970
EuropaZypernkrieg1974
Naher OstenVierter Nahostkrieg (Jom-Kippur-Krieg)1973
Naher OstenBürgerkrieg im Libanon1975–1992
AfrikaOgadenkrieg (Äthiopien, Somalia)1977/1978
Mittlerer OstenSowjetische Invasion in Afghanistan1978
Mittlerer OstenErster Golfkrieg1980–1988
AfrikaTschadkrieg (Bürgerkrieg)1982

      Ausgewählte regionale Konflikte seit 1945

      Koloniale Unternehmens- und SiedlerinteressenViele regionale Konflikte waren dabei eindeutig assoziiert mit dem Ende kolonialer Herrschaft. Trotz des Images, das insbesondere Afrika als Kontinent anhaftet, auf dem der Krieg nicht endet, sind die Konflikte bei genauerem Hinsehen überraschend begrenzt. Die schwersten Konflikte beobachten wir im Zusammenhang mit dem Dekolonisationsprozess von Frankreich und Portugal. Hier vollzog sich der Übergang von der Fremdherrschaft zur Souveränität unter hohen Opfern und zum Teil sehr lange. Das hatte unterschiedliche UrsachenUrsachen schwerer Dekolonisationskriege. Eine davon war die Stärke von kolonialen Unternehmens- und Siedlerinteressen. In Algerien, im Kongo, in Angola und in Mosambik gestaltete sich der Ablösungsprozess sehr schwierig, weil er gegen die Interessen von internationalen Unternehmen der Kolonialmächte und europäischen Siedlern ausgefochten werden musste. Im Kongo, das nach Zeitzeugen über einen „skandalösen Reichtum“ (zitiert nach Eckert 2006: 72) an Bodenschätzen verfügte (wie Kupfer, Gold und Diamanten), hatte die Kolonialverwaltung großzügige Konzessionen auch an internationale Firmen vergeben (Eckert 2006: 72). Diese unterstützten nach der Unabhängigkeitserklärung Kongos aktiv die Ablösung eines Teils des Territoriums. In Algerien, in Angola und in Mosambik kam es zu schweren „Bürgerkriegen“, die sich im Fall von Angola und Mosambik als sehr langlebig erwiesen.

      Ein zweiter Faktor, der mit dem ersten zusammenhängt, ist die jeweilige Reaktion der Kolonialmacht auf Unabhängigkeitsbestrebungen. In Angola und in Mosambik dauerte der Krieg unter anderem deshalb so lange, weil Portugal als Kolonialmacht bis 1974 zögerte, die Staaten in die Unabhängigkeit zu entlassen. Unabhängigkeitsbewegungen in diesen beiden Staaten waren aber bereits in den 1960er Jahren, unter anderem angespornt durch den Vorbildcharakter der Unabhängigkeit der umliegenden Staaten, entstanden. Ein dritter Einflussfaktor besteht in der Einmischung der USA oder der Sowjetunion in den Konflikt durch die militärische Unterstützung einer oder mehrerer Kriegsparteien, so dass die Kriege auch als StellvertreterkriegeStellvertreterkriege bezeichnet werden. Je länger Kriege dauerten, desto wahrscheinlicher war die Einmischung durch einen der beiden oder beide Staaten. Dabei gab es eine starke InterdependenzInterdependenz zwischen diesen Konflikten und der Konkurrenz der Weltmächte untereinander. Die stärkere Assoziation eines Staates mit einer der beiden Mächte hatte oft den Effekt, dass benachbarte Staaten sich stärker mit der anderen Macht assoziierten. Einen extremen Fall stellt in dieser Hinsicht der Angola-Krieg und die Interdependenz dieses Kriegs mit dem Krieg im südlichen Afrika dar.

      Regionale Ordnungskonflikte in der Nahsicht

      Nicht alle Kriege sind als Dekolonisationskriege einzustufen. Daneben entwickelten sich eine Reihe wichtiger regionaler OrdnungskonflikteRegionale Ordnungskonflikte, die zwar im Kontext der Dekolonisierung stehen, die aber von Staaten, meistens regionalen HegemonieHegemonien, gegen Nachbarstaaten geführt wurden. Dazu zählen der Erste Nahostkrieg (1948–1949), der den Versuch Ägyptens darstellt, das gerade unabhängig gewordene Israel territorial zu vereinnahmen, ebenso wie der Erste Indisch-Pakistanische Konflikt (1947–1948) über den territorialen Zuschnitt Indiens, die Kriege, die Äthiopien mit Somalia geführt hat, und der Erste Irak-Iran-Krieg (1980–1988). Diese Kriege enthalten zusätzlich zu ihrer ursprünglichen noch Konfliktdynamik eine Ost-West-KonfliktOst-West-Konfliktdimension. Es gab aber auch Konflikte, in denen es nicht nur zur Rivalität zwischen der Sowjetunion und den USA kam, sondern in denen auch noch eine Einmischung durch China oder Kuba erfolgte. Dies betrifft Konflikte nach 1963 wie den Angola-KonfliktAngola-Konflikt, der Teil der Konfliktkonstellation im südlichen Afrika war und auch noch den Kongo sowie Südafrika betraf.

      Merke

      Als besonders langwierige Konfliktregionen haben sich vier Regionen herauskristallisiert: Der Nahe Osten mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt als Zentrum, die Südwestasien-Achse mit dem Irak und dem Iran, das Horn von Afrika mit Äthiopien, dem Sudan und Somalia und das südliche Afrika mit Angola, Mosambik und Südafrika. Näher betrachtet werden im Folgenden zwei exemplarische Konflikte: der Nahost-Konflikt und der Konflikt im südlichen Afrika.

      Der Nahost-KonfliktNahost-Konflikt

      Beim Nahost-Konflikt verschränken sich verschiedene Konfliktdimensionen. Seinen Ursprung als territorialen Konflikt hat er zeitlich betrachtet nach dem Ersten WeltkriegErster Weltkrieg (vgl. Einheit 1), als Teile des Osmanischen Reichs unter den Kriegsgewinnern aufgeteilt wurden. Großbritannien verwaltete das Völkerbundmandat über Palästina und den Irak, Frankreich das über den Libanon und Syrien. Verstärkt durch die Erfahrung der Vernichtung des jüdischen Volkes durch Deutschland während des Nationalsozialismus gab es nach dem Zweiten Weltkrieg eine große Bereitschaft seitens der Alliierten, die Schaffung eines jüdischen Staates zu ermöglichen. Als sich Großbritannien 1947 nicht mehr in der Lage sah, die Verwaltung Palästinas fortzuführen, gab es sein Mandat an die Vereinten NationenVereinte Nationen ab. Diese verabschiedeten 1948 einen Teilungsplan für Palästina und entließen Israel in die Unabhängigkeit.

      Zwischen 1948 und 1989 führten die beteiligten Staaten insgesamt drei Kriege gegeneinander. Dies waren der Erste Nahostkrieg (1948–1949) unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung Israels, der Sechstagekrieg (1967) und der Jom-Kippur-Krieg (1973) (vgl. Tabelle 2.9). Die arabischen Staaten verfolgten dabei das Ziel, Israel als unabhängigen Staat zu beseitigen. Israel verfolgte das Ziel, sein Recht auf Selbstbestimmung in einem jüdischen Staat zu verteidigen.

      Nahost-Konflikt

      Der Nahost-Konfliktisraelisch-palästinensischer Konflikt stellt sich als Konflikt auf drei Ebenen dar:

      1 Auf einer ersten Ebene stehen sich der Staat Israel und die arabischen Palästinenserisraelisch-palästinensischer