Название | Internationale Beziehungen |
---|---|
Автор произведения | Anja Jetschke |
Жанр | Социология |
Серия | bachelor-wissen |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783823300038 |
Weitergehende Pläne, nach dem Vorbild der EGKS auch eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu gründen (Pleven-Plan), scheiterten hingegenScheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Die Franzosen waren nach einem verheerenden Krieg nicht bereit, einen Teil ihrer Streitkräfte einer supranationalen Autorität zu unterwerfen, die auch deutsche Streitkräfte integriert hätte. Für Paris wäre damit nicht nur der Verlust der vollen Souveränität über Frankreichs Streitkräfte, sondern auch die Anerkennung Deutschland als gleichberechtigter Staat verbunden gewesen. Die Briten waren zu einer Assoziation mit Kontinentaleuropa bereit, nicht aber zu ihrer Einbindung in eine supranationale Organisation (Young/Kent 2013: 199), die Frankreich und Westdeutschland auf einen gleichen Rang wie Großbritannien gehoben hätte (Young/Kent 2013: 201). Als Alternative zur EVG wurden Italien und Westdeutschland in die Brüsseler Vertragsorganisation und Westdeutschland später als NATO-Mitglied aufgenommen. Die europäische Integrationeuropäische Integration erwies sich schnell als Erfolg und so kam es zu weiteren Integrationsschritten und sogar zur territorialen Erweiterung der Organisation (vgl. ausführlich Einheit 14).
DekolonisationDekolonisation
Die scheinbar klare Struktur des Ost-West-Konflikts verdeckt andere grundlegende Entwicklungen der internationalen Beziehungen. Ein Prozess, der die internationalen Beziehungen in ihrer Überschaubarkeit erheblich verkomplizierte, war die DekolonisationRäumliche und zeitliche Ausbreitung der Dekolonisation. Die erste Welle der Dekolonisation im 19. Jahrhundert hatte überwiegend Lateinamerika betroffen. Beginnend mit der Unabhängigkeit der Philippinen (1946) und Indiens (1947), erfasste die Dekolonisation nach dem Ende des Zweiten WeltkriegZweiter Weltkriegs Asien und Afrika mit zunehmender Geschwindigkeit (vgl. die Animation im Internet „Dekolonisation in 20 Minuten“). Dieser Prozess veränderte die Struktur der internationalen Beziehungen dauerhaft: Aus den riesigen Kolonialreichen entstanden eine Vielzahl unabhängiger Staaten, die eine eigenständige Außenpolitik verfolgten. Sie stellten auch einen Pool von Staaten dar, um deren Gunst die USA und die Sowjetunion, aber auch China und Kuba im Wettbewerb standen. Dem Wettbewerb um koloniale Handelsplätze des 19. und frühen 20. Jahrhunderts folgte nun der Wettbewerb um Unterstützung in einer ideologischen Auseinandersetzung.
Dekolonisation – zeitliche Ausbreitung neuer Staaten (1945–1984)
Aus einer globalen Perspektive vollzog sich die Befreiung vom Kolonialismus ab 1947 in umgekehrter Reihenfolge der Kolonialisierung (historisch gesehen waren Spanien und Portugal die ersten Kolonialmächte, gefolgt von Frankreich und Großbritannien. Räumlich wurden zuerst Lateinamerika, dann Afrika und danach Asien kolonialisiert). Beginnend mit den Philippinen (1946) und Indien (1947) erlangten die meisten asiatischen Staaten als Erste ihre Unabhängigkeit zurück, danach folgten die Staaten Afrikas. Britische Kolonien erlangten im Schnitt früher ihre Unabhängigkeit als französische Kolonien. Portugal hielt bis 1975 an seinen Kolonien fest. Die Unabhängigkeit weniger Länder hatte Signalwirkung für viele andere, so Indiens Unabhängigkeit für Asien oder Ägyptens Unabhängigkeit für weitere Staaten auf dem afrikanischen Kontinent. Das Ausmaß dieses Staatenbildungsprozesses wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es zum Zeitpunkt der Gründung der Vereinten NationenVereinte Nationen nur 51 Staaten gab. Am Ende des Kalten Kriegs hatte sich die Zahl der Staaten mit 159 mehr als verdreifacht.
Die Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien verfolgten dabei zunächst grundsätzlich die StrategieGegenstrategien der Kolonialmächte, ihren kolonialen Einfluss unter neuen Bedingungen zu halten (Young/Kent 2013: 31) und die Dekolonisation in ihrem Sinne zu steuern. Großbritannien entwickelte die Idee eines Commonwealth of NationsCommonwealth of Nations, in dem sich die Kolonien in einer Konförderation zusammenschließen und selbst verwalten. Herzstück der nachkolonialen Vorstellungen Frankreichs war der auf der Konferenz von Brazzaville im Januar 1944 entwickelte Plan für die Transformation des französischen Kolonialverhältnisses in eine Französische UnionFranzösische Union. Darin sollte Frankreich nur noch die gemeinsame Außen-, Verteidigungs-, Justiz- und Währungspolitik der Mitgliedstaaten kontrollieren. Bürgerinnen und Bürger der Kolonien, die die Attribute des französischen Zivilisationsstandards erfüllten, sollten Staatsbürgerschaftsrechte und eine größere politische Mitsprache in der französischen Nationalversammlung genießen (Young/Kent 2013: 66–67). Diese Versuche misslangen jedoch. In einem sich beschleunigenden Prozess erlangten die meisten Staaten in den 60er Jahren ihre Unabhängigkeit.
Zeitlicher und räumlicher Pfad der Dekolonisation
In Asien erlangte 1947 Indien (und Pakistan, durch Teilung von Indien) – das „Kronjuwel“ Großbritanniens – seine Unabhängigkeit. Der Unabhängigkeit waren schwierige – durch die britische Kolonialpolitik verschärfte – innerstaatliche Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems vorangegangen, die letztlich zur Spaltung Indiens und zur Gründung Pakistans führten. Ein Jahr nach Indien wurden Ceylon (das heutige Sri Lanka) und Burma (das heutige Myanmar) unabhängig. In Südostasien nutzten lokale Herrscher die Gelegenheit des Abzugs der japanischen Streitkräfte aus den ehemaligen Kolonien, um ihre Unabhängigkeit einzufordern. Der Widerstand einiger Kolonialstaaten, vor allem Frankreichs in Indochina, führte in Vietnam zu einem blutigen Befreiungskrieg, den Frankreich 1954 in der Schlacht von Dien Bien Phu verlor. Die malayischen Territorien waren zum Teil unter indirekter britischer Regierung, zum Teil in britischem Besitz. Sie wurden 1946 zunächst in der Malayischen Union und später in der Malayischen Föderation als sich selbst regierende Territorien organisiert und erhielten 1957 ihre Unabhängigkeit.
In Afrika hatten vor dem Zweiten Weltkrieg nur wenige Staaten ihre Unabhängigkeit erlangt. Ägypten hatte bereits 1922 die eingeschränkte Souveränität durch Großbritannien erhalten. Allerdings blieben britische Truppen weiterhin in dem Land stationiert, um den Suezkanal zu kontrollieren. Ägypten und Großbritannien teilten sich außerdem die Verwaltung über den Sudan. Äthiopien hatte während der gesamten Kolonialzeit seine Unabhängigkeit bewahrt (bis auf die kurze Phase der italienischen Annexion).
Südafrika hatte – wie die anderen britischen Dominions Australien, Kanada und Neuseeland – innerhalb des britischen Empires einen Sonderstatus. Die von ehemaligen amerikanischen Sklaven gegründete Republik Liberia hatte sich bereits 1847 unabhängig erklärt.
Der Dekolonisationsprozess begann mit den nordafrikanischen Staaten (Libyen, Sudan, Tunesien und Marokko). Als erstes schwarzafrikanisches Land wurde 1957 Ghana unabhängig. 1958 entschied sich die Bevölkerung von Guinea in einem Referendum für die Unabhängigkeit von Frankreich. Danach erkannte Frankreich, dass die Dekolonisation nicht mehr aufzuhalten war. Im Afrikanischen JahrAfrikanisches Jahr (1960) erlangten alle 14 französischen Kolonien in Afrika, zusammen mit Nigeria (Großbritannien), dem Kongo (Belgien) und Somalia (britisch und italienisch Somaliland) ihre Unabhängigkeit.
Allein Portugal hielt unter einer rechtsgerichteten, diktatorischen Regierung bis 1975 an seinen Kolonien fest. Dies führte angesichts der Existenz von Unabhängigkeitsbewegungen im übrigen Afrika zu langen innerstaatlichen Konflikten, die durch die Einmischung der USA und der Sowjetunion sowie Chinas und Kubas befeuert wurden. Erst der Sturz des portugiesischen Präsidenten Marcelo Caetano durch eine Demokratiebewegung ermöglichte dieser Staatengruppe die Unabhängigkeit, befriedete sie aber nicht.
Die Unabhängigkeit der afrikanischen und asiatischen Staaten
Die Unabhängigkeit der afrikanischen und asiatischen Staaten führte zu einem Institutionalisierungsschub auf internationaler Ebene. Die zuvor in den jeweiligen Kolonialreichen zusammengeschlossenen Staaten waren nun eigenständige Subjekte des Völkerrechts mit autonomen Vertragsschließungskompetenzen. Zum ersten Mal seit der Kolonialisierung gab es keine eigenständigen völkerrechtlichen Regelungen mehr für diese Gebiete. Viele von ihnen schlossen sich unmittelbar