Kreuz Teufels Luder. Evelyna Kottmann

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Название Kreuz Teufels Luder
Автор произведения Evelyna Kottmann
Жанр Зарубежная психология
Серия
Издательство Зарубежная психология
Год выпуска 0
isbn 9783038550266



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lyna Kottmann

      Kreuz Teufels Luder

      Limmat Verlag

      Zürich

      Die Autorin

      Evelyna Kottmann, 1961 in der Schweiz geboren. Schauspielerin, Clownin, Psychodramatikerin und Leiterin Themenzen­triertes Theater, legt mit «Kreuz Teufels Luder» ihr erstes, autobiografisch geprägtes Buch vor.

      Eins

      Adam und Lilith

      Lilith war Adams erste Frau. Adam hatte Lilith geheiratet, weil er es müde geworden war, sich mit Tieren zu paaren. Sodomie war unter den Hirten des Mittleren Ostens eine gebräuchliche Sitte, auch wenn das Alte Testament sie als Sünde bezeichnete. Adam zwang Lilith, in der Missionarsstellung unter ihr zu liegen. «Verflucht sei der Mann, der die Frau zum Himmel und sich selbst zur Erde macht», sagte er zu Lilith. Katholische Autoritäten behaupteten später, jede andere Stellung als diese sei Sünde. Lilith verhöhnte Adams Grobheit, verfluchte ihn, floh und liess sich am Roten Meer nieder. Dort versuchten enthaltsame Mönche vergeblich, Lilith abzuwehren, indem sie im Schlaf ein Kruzifix umklammerten und die Hände gekreuzt über ihre Genitalien legten. Es hiess, dass Lilith jedes Mal lachte, wenn ein frommer Christ einen feuchten Traum hatte. Da Gott Lilith nun nicht mehr zu Adam zurückführen konnte, sah er sich gezwungen, als einen zahmen Ersatz für Lilith Eva zu erschaffen.

      Lilith

      So gesehen trug Lilith den richtigen Namen. Sie kam 1935 an der Schweizergrenze zur Welt. Sie war das einzige Kind einer fahrenden Sippe. Bis sie zehn Jahre alt war, lebte Lilith mit ihrer Mutter mal da, mal dort, an keinem fes­ten Ort. Aus der Sippe konnte nur ausgeschlossen werden, wer sich in einen Sesshaften verliebte, der nicht bereit war zu fahren. Oder wer sich der Prostitution zuwandte, wie es Liliths Mutter tat.

      Liliths Mutter prostituierte sich, um überleben zu können. Über ihren Vater wusste Lilith gar nichts. Sie hatte nie ein fes­tes Zuhause gehabt und kaum Kontakte zu anderen Kindern. Für Lilith gab es auf dieser Welt nur die Mutter und viele verschiedene Männer, die da, wo sie gerade zu überleben versuchten, ein und aus gingen.

      Lilith ging kaum in die Schule, sie konnte weder schreiben noch lesen. Als sie in die Pubertät kam, wurde Lilith von ihrer Mutter getrennt und in eine Anstalt gebracht. Das Leben dort war für Lilith ein Gräuel. Dann begegnete sie einem Mann, verliebte sich vielleicht in ihn und wurde selber Mutter. Der Mann hiess Jakob.

      Jakob

      Jakob erblickte das Licht der Welt 1931 zusammen mit seinem Zwillingsbruder. Er, Jakob, war der Zweitgeborene. Sie kamen aus einem Ei und sahen sich zum Verwechseln ähnlich. Jakob hatte bereits einen älteren Bruder und eine ältere Schwester. Eine jüngere Schwester kam später dazu. Jakobs Familie war jüdisch und den Traditionen stark verhaftet. Sie waren arme Juden und kamen mehr schlecht als recht über die Runden. Der Vater und die Mutter hatten nicht mit einer Zwillingsgeburt gerechnet, so wie sie auch nicht damit gerechnet hatten, nach den Zwillingen nochmals ein Kind zu bekommen.

      Jakob durfte keine Lehre machen, denn die Eltern konnten sich zwei Lehrlinge nicht leisten. Also überliess er seinem Zwillingsbruder das Privileg, einen ordentlichen Beruf zu erlernen. Jakob entdeckte schon früh den Alkohol für sich und machte ihn zu seinem Begleiter. Zusammen mit ihm konnte er so manches, was ihm schwerfiel, leichter nehmen. Jakob liebte es, in seiner eigenen Welt zu leben, die mit wenigen Worten auskam. «Ja», «nein» und «wie geht’s?» genügten ihm. Schon als junger Mann benötigte er ein Hörgerät, das er jedoch kaum benutzte. Was er aber gut hören wollte, das waren die Guuggen. Die Fasnacht war seine liebste Zeit, sie war ihm heilig, und er verpasste sie nie.

      Jakob wurde Vater von vier Kindern, sein Zwillingsbruder hatte nur eines. Jakob arbeitete als Tagelöhner, sein Zwillingsbruder brachte es zu einem eigenen Geschäft und einer Villa. Zu seinen Geschwistern und seinem Vater hatte Jakob ein distanziertes Verhältnis, aber an der Mutter hing er sehr. In der Familie wurde er mehr geduldet als respektiert. Jakob war ein Eigenbrötler, der sich niemals wohlfühlte und nirgends zu Hause war, weil seine Welt das nicht zuliess.

      Lilith und Jakob

      Es war laut, und die Guuggen gaben ihr Bestes, um den Raum mit ihrer Musik zu füllen. Er war voller lebhafter, bunter Gestalten, kaum mehr als Menschen zu erkennen. Die Luft war stickig, der blaue Dunst mit den Händen greifbar. So bunt wie die Menschen hingen Ballons von der Decke und farbige Bänder. Vor den Fenstern hingen schwere Vorhänge, in denen die Nase jeden erdenklichen Geruch hätte finden können, wäre man ganz nüchtern gewesen. Die ausgelassene Stimmung war dem Alkohol zu verdanken. Durch die laute Musik drangen menschliche Geräusche, die aber keine Worte ergaben. Die Sprache war in dieser Nacht nicht wichtig für die Frauen und Männer. Ihre Ausdünstungen wurden von Stunde zu Stunde prägnanter, die lieblich zarten Parfümdüfte der Frauen übertüncht vom Schweissgeruch und der Lust auf das andere Geschlecht. In dieser Nacht ging es nicht darum, zu ge­fallen, es ging darum, übereinander herzufallen. Die wenigen Toiletten, die zur Verfügung standen, blieben schwer besetzt.

      Auch Jakob und Lilith waren mitten in dieser Gesellschaft. Lilith und Jakob waren die Einzigen, die sich nicht verkleidet hatten. Sie kamen daher, wie sonst auch, und sie fielen auf, wie sonst auch. Sie, Lilith, mit ihrer ausgesprochenen Schönheit, und er, Jakob, in seinem eigenartigen Aufzug. Jakob, der Schüchterne, der ohne Alkohol kaum seinen Mund aufmachen konnte, ging auf die schöne Lilith zu, in der Hand ein Glas Bier. Lilith, die keine Berührungsangst kannte und, hatte sie einmal genug getrunken, auch keine Grenzen, strahlte Jakob entge­gen, als hätte sie schon eine Ewigkeit auf ihn gewartet.

      Beide waren gut angeheitert und taten so, als würden sie sich schon lange kennen. Lilith bezirzte Jakob mit ihren weib­lichen Reizen und hatte so wieder einen Mann mehr, der ihre Getränke bezahlte. Jakob genoss es, von einer schönen Frau umworben zu werden, und zahlte und zahlte. Er war einfach glücklich, obwohl er nicht so recht wusste, was diese schöne Frau wollte.

      Lilith und Jakob tranken um die Wette, denn Lilith behauptete, sie vertrage mehr als jeder andere Mensch auf der Welt. Das gefiel Jakob sehr, dass eine Frau gerne trank und Wetten abschloss. Er kannte das nur von seinen Kumpeln. Lilith hatte langes, blondes, gewelltes Haar, stahlblaue Augen und einen rosa Mund. Jakob hatte das Gefühl, gegen einen Engel anzutrinken. Er sagte, ihr fehlten nur noch die Flügel und er wolle mit ihr weit wegfliegen. Das gefiel Lilith, und sie tanzten, tranken und kamen sich in dieser Nacht ganz nahe. Dass sie die allerletzten Gäste waren, die der Wirt hinausbefördern musste, war Jakob und Lilith einerlei.

      Lilith und dieser Wirt mussten sich kennen, denn der Mann hatte für Lilith auf seine Kosten ein Taxi bestellt. Das gefiel Jakob nicht, denn er hatte Lilith in dieser Nacht zu seiner Frau gemacht. Und was Jakob sein Eigen nannte, das gab er nicht so schnell aus der Hand. Die beiden Männer begannen zu streiten und prügelten sich. Jakob sagte, er könne selber ein Taxi bezahlen und werde mit Lilith zusammen fahren. Das war nun wieder dem anderen Mann gar nicht recht. Sie schlugen sich so heftig, bis sie beide bluteten, und so lange, bis Jakob reglos am Boden lag. Lilith versuchte, ihn zum Aufstehen zu bewegen, und meinte, es mit ein paar Ohrfeigen zu schaffen. Sie, die sich nicht eingemischt und es genossen hatte, dass sich die Männer um ihretwillen schlugen, geriet nun in Rage. Sie tobte und schlug um sich, weil Jakob von ihren Ohrfeigen nicht wach wurde. Sie lachte und weinte gleichzeitig.

      Jakob wachte erst im Spital wieder auf. Neben ihm auf einem Stuhl sass lächelnd seine Lilith, und als sie bemerkte, dass er ­aufgewacht war, begann sie zu weinen und entschuldigte sich immer wieder. «Du bist wirklich ein Engel», sagte Jakob mit schwacher Stimme. Liliths Augen fingen bei diesen Worten an zu leuchten wie zwei Sterne in pechschwarzer Nacht. Das brachte sein Herz zum Rasen. Lilith nahm Jakobs Hand in ihre Hände, die ganz warm waren und feucht. Sie liessen einander nicht mehr los, bis Jakobs Eltern das Krankenzimmer betraten.

      Jakob zuckte zusammen und riss seine Hand von ihr los. Seine Augen wurden matt, und sein Herz stand fast still. Sein Bauch fing Feuer, und sein Körper verkrampfte sich. Lilith konnte sein Verhalten nicht deuten, ihre Augen leuchteten weiter, und sie versuchte vergeblich, wieder seine Hand zu nehmen. Liliths