Rheinfall. Daniel Badraun

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Название Rheinfall
Автор произведения Daniel Badraun
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783857919244



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ihre Schritte beschleunigt.

      Freddy sieht sie kommen, stösst seinen Begleiter an, sagt: «Kein Wort, Felix, hörst du?» Er schaut Margrittli entgegen.

      Sie geht auf die beiden zu, lächelt Freddy an. «Das nächste Mal lasse ich dich sitzen und du bezahlst!»

      Freddy ringt nach Luft, japst eine Entschuldigung, da wendet sie sich bereits Felix zu. «Muss ja wahnsinnig wichtig sein, eure Verabredung, dass Freddy mich vergisst!»

      «Vielleicht erzähle ich es dir bei Gelegenheit. Übrigens, ich bin Felix. Kannst du mir einen Gefallen tun?» Er schaut sie neugierig an.

      «Muss ich auch dich einladen?»

      Freddy schweigt.

      Felix zeigt auf das Plakat. «Kannst du dich bitte hier hinstellen, ja, hier neben dieses Bild.»

      «Wie komme ich dazu?» Sie schaut flüchtig auf das Plakat, Stadttheater, eine Dame in Blautönen, überschrieben mit: «Marguerite Duval liest in Schaffhausen».

      «Bitte!» Felix zeigt mit dem Kinn auf Freddy. «Ich möchte ihm etwas beweisen. Es ist eine Art Wette!»

      «Na gut!» Sie macht zwei Schritte auf das Plakat zu, «wenn ich dir helfen kann zu gewinnen …» Sie dreht sich um. «Na? Was ist?»

      Felix stösst einen bewundernden Pfiff aus, Freddy lässt sich von Felix’ Begeisterung anstecken. Geht zwei Schritte zur Seite, hält den Kopf schief, lächelt dann zufrieden.

      «Was habe ich dir gesagt? Diese Ähnlichkeit!» Felix boxt Freddy in die Seite. «Das Geschäft ist perfekt!»

      «Darf ich fragen, ob ich mit den Geschäften der beiden Herren etwas zu tun habe?» Margrittli hat ihr Haarband wieder abgenommen und wartet, bis sich die Begeisterung etwas legt. «Und wenn ja, müsstet ihr mich nicht fragen, ob ich mitmachen will?»

      «Hör zu!» Freddy kratzt sich hinter dem Ohr. «Wenn du dabei bist, schaut für uns alle eine hübsche Summe heraus.»

      «Ich kenne euch nicht. Wie soll ich euch vertrauen? Und worum geht es überhaupt?»

      «Margrittli, es ist ein Spiel!» Freddy schaut sie flehend an.

      Sie dreht sich einmal um die eigene Achse. «Na gut! Aber es wird nicht billig.»

      Margrittli, Freddy und Felix sitzen vor dem Restaurant Falken in breiten Korbsesseln.

      «Es ist alles ganz einfach», erklärt Freddy und nimmt ein paar Bierteller in die Hand.

      «Warum macht ihr es nicht selber, wenn es so einfach ist?» Sie schaut ihn spöttisch an.

      «Es ist eine Frage der Gene.» Felix fischt sich eine Zigarette aus seinem Päckchen. «Wir zwei gehen nicht gut als Frauen durch.»

      «Ihr braucht also eine Frau?» Sie zieht die Augenbrauen hoch,

      Freddy grinst.

      «Brauchen ist vielleicht das falsche Wort.» Felix nimmt langsam ein Streichholz aus der Schachtel. «Es ist so: Wir haben einen Freund, der in der Klemme steckt, dem würden wir gerne einen Gefallen tun.»

      «Dann braucht euer Freund eine Frau?»

      «Es geht eigentlich um die Freundin unseres Freundes.» Endlich brennt die Zigarette. Felix betrachtet nachdenklich die glühende Spitze. «Die Freundin unseres Freundes hat eine anstrengende Zeit hinter sich und eine noch anstrengendere Zeit vor sich. Sie würde sich zwischendurch gerne ausruhen, doch dazu ist sie zu prominent.»

      «Und da haben wir uns gedacht, du könntest, weil du ihr doch so ähnlich siehst …» Freddy sieht Margrittli fragend an.

      «Was soll ich können, lieber Freddy?»

      «Die Frau ist echt im Stress. Sie muss von Medienauftritt zu Medienauftritt. Sie kommt kaum zur Ruhe. Und du siehst ihr zum Verwechseln ähnlich. Wir haben uns gedacht, du könntest sie vielleicht entlasten.»

      «Als Doppelgängerin sozusagen?»

      «Genau, das ist die richtige Bezeichnung.» Felix drückt die Zigarette aus.

      «Und was schaut dabei für mich heraus?»

      Freddy legt einen Briefumschlag auf den Tisch.

      Margrittli steckt ihn ein. «Ihr werdet von mir hören.»

      «Nein, wir werden uns melden, wenn es losgeht. Gib uns deine Handynummer.»

      «Ich habe kein Handy», Margrittli lacht, «ich bin ein freier Mensch.»

      DREI

      Es ist Nacht. Langsam geht Margrittli den Hang hinauf. Rechts die dunklen Umrisse von liegenden Kühen. Dahinter der Waldrand. Sie schaut sich um und verschwindet zwischen den Bäumen. Der Weg ist schmal und in der Dunkelheit kaum zu erkennen. Immer wieder bleibt sie stehen, um zu verschnaufen. Einmal hört sie den klagenden Ruf eines Käuzchens.

      Felix und Freddy wollten, dass sie in Schaffhausen blieb. «Du musst immer erreichbar sein, klar?»

      Sie hatte lachend den Kopf geschüttelt. «Nein, meine Herren, ich werde meinen Auftrag erfüllen, doch bis dahin brauche ich meine Ruhe.»

      Und ihre Ruhe findet sie nur hier in ihrem Haus auf dem Randen. Bereits ihr Grossvater hatte das kleine Haus auf einem der kalkigen Hügelzüge hinter der Stadt erbaut. Als Kinder hatten sie manches Wochenende in den Wäldern verbracht oder mit den Eltern nach versteinerten Schnecken und anderen Fossilien gesucht.

      Felix hatte sie streng angeschaut. «Deine Ortsabwesenheit braucht einen triftigen Grund.»

      «Heute ist Vollmond, da muss ich raus aus der Stadt.»

      Felix blätterte in seiner Agenda, dann erschien ein breites Grinsen auf seinem schlecht rasierten Gesicht. «15. September, Vollmond. Ausgang genehmigt!»

      «Und wenn wir dich brauchen?», fragte Freddy.

      «Hinterlasst eine Nachricht bei Giancarlo im ‹Adria›. Ich werde kommen.»

      Sicher würde sie kommen, schon morgen will sie in die Stadt zurückkehren, sie will bereit sein.

      Nach einer halben Stunde erreicht Margrittli die Lichtung. Sie bleibt stehen und horcht in die Dunkelheit. Es ist still, kein Laut zu hören. Irgendetwas stimmt hier nicht, es ist zu ruhig. Die Nachttiere fehlen, das Rascheln im Gebüsch und die äsenden Rehe am Rande der Lichtung. Statt die Wiese zu überqueren und das Haus aufzuschliessen, wie sie es gewöhnlich tut, bleibt sie im Schatten der Bäume und geht langsam um die Wiese herum, immer im Schatten der Bäume.

      Dann riecht sie es. Zigaretten. Jemand muss hier vor Kurzem geraucht haben.

      Sie könnte sich ganz leise davonstehlen, in der Dunkelheit verschwinden und unten im Tal bei Rita und Jonas übernachten. Beim Haus an der Kreuzstrasse liegt immer ein Schlüssel unter dem Kaktustopf für sie bereit, so dass sie zu jeder Tagesund Nachtzeit ein zweites Zuhause findet.

      Doch dann siegt die Neugier. Zu gerne möchte sie erfahren, wer ihre nächtlichen Besucher sind. Vorsichtig zieht sie sich in den Wald zurück und umgeht die Lichtung in einem grossen Bogen. Wer den steilen Weg hier hinauf nicht kennt, muss die Fahrstrasse nehmen und lässt den Wagen beim Bodenacker auf der anderen Seite des Waldes stehen.

      Bald hat sie den weissen Opel am Waldrand entdeckt. Auf dem Weg geht ein Mann hin und her.

      «Wissen Sie nicht, dass hier Fahrverbot ist? Haben Sie eine Genehmigung?»

      Er zuckt zusammen, dreht sich um und starrt Margrittli an, die aus dem Wald auf die Fahrstrasse getreten ist.

      «Guten Abend. Ich wollte …, das heisst …, heute Mittag habe ich hier meinen Hund verloren und nun habe ich gedacht …, vielleicht …»

      «Soll ich Ihnen beim Suchen helfen? Nicht dass der Hund noch wildert. Da bekommen Sie Probleme mit dem Wildhüter. Der ist nachts öfters hier anzutreffen.»

      «Der Wildhüter?» Der Mann hüstelt verlegen. «Es ist