Название | Mehr Natur, weniger Chemie |
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Автор произведения | Christoph Bachmann |
Жанр | Зарубежная психология |
Серия | |
Издательство | Зарубежная психология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783906287911 |
Fachleute
In diesem Buch verweise ich immer wieder auf «Fachleute», deren Beratung man in Anspruch nehmen kann und soll. Aber was verstehe ich unter diesem Begriff? Fachleute auf dem Gebiet der Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) sind für mich Personen mit professionellen medizinischen Kenntnissen. Dazu gehört auch tiefgreifendes Wissen im Bereich der Phytotherapie. Fachleute, Fachpersonen, müssen sich in der volksmedizinischen Tradition auskennen und fähig sein, wissenschaftliche Studien zu verstehen und zu interpretieren. Für mich ist auch sehr wichtig, dass sie keine Tendenz zur einseitigen Bevorzugung von pflanzlichen Präparaten haben und alle synthetischen Präparate als «nur chemisch» und schlecht bezeichnen. Sicher gehören zu diesen Fachleuten:
• Medizinalpersonen: Pharmazeuten und Pharmazeutinnen sowie Ärzte und Ärztinnen, die sich genügend weitergebildet haben im Bereich der Phytotherapie. Diese Personen dürfen keine einseitige Ausrichtung auf synthetische Präparate haben.
• Weitere Medizinalpersonen wie Zahnärzte und Zahnärztinnen sowie Hebammen. Natürlich können sich auch Tierärzte und Tierärztinnen zu Phytotherapie-Fachleuten entwickeln.
• Drogisten und Drogistinnen sowie Heilpraktiker und Heilpraktikerinnen, welche sich mit der wissenschaftlichen Phytotherapie auseinandersetzen und natürliche Präparate nicht einseitig bevorzugen.
• Personen, welche sich beruflich mit Phytotherapie befassen und sich tiefgreifende Kenntnisse zur Phytotherapie angeeignet haben. Dabei handelt es sich meistens um Personen, welche ein naturwissenschaftliches Studium absolviert haben.
Ein Bekannter von mir ist Eigentümer und Geschäftsführer einer kleinen Phytotherapie-Firma. Ursprünglich hat er Wirtschaftswissenschaften studiert, ist aber durch seine berufliche Tätigkeit im Lauf der Jahre Fachmann geworden. Es ist also auch auf diese Weise möglich, eine Phytotherapie-Fachperson zu werden.
4. Unterschiede zwischen pflanzlichen und synthetischen Arzneimitteln
Synthetische Arzneimittel enthalten meistens nur einen Inhaltsstoff. Der Markenname Voltaren® ist ein Arzneimittel gegen Schmerzen und Entzündungen. Der Inhaltsstoff von Voltaren® ist Diclofenac. Synthetische Arzneimittel können auch zwei, selten drei Inhaltsstoffe bzw. Wirkstoffe enthalten. Jeder Wirkstoff eines synthetischen Arzneimittels hat eine definierte, zumeist genau bekannte Wirkung. Enthält ein Arzneimittel zwei Wirkstoffe, entfalten diese sehr oft eine synergistische Wirkung, steigern also zusammen die Wirksamkeit und können auch beide tiefer dosiert werden. Dies vermindert wiederum das Auftreten von Nebenwirkungen.
Ganz anders verhält es sich bei einem pflanzlichen Arzneimittel. Eine Arzneipflanze enthält immer eine Vielfalt an chemisch ähnlichen, aber auch unterschiedlichen Inhaltsstoffen. Es gibt Arzneipflanzen, in denen Hunderte verschiedener Inhaltsstoffe identifiziert wurden. Gemäß Definition der modernen Phytotherapie stellt die Gesamtheit dieser Inhaltsstoffe den Wirkstoff dar. Anders ausgedrückt: Pflanzliche Arzneimittel haben nicht eine, zwei oder maximal drei definierte Substanzen als Wirkstoff, sondern alle in der Arzneipflanze vorhandenen Inhaltsstoffe sind der Wirkstoff. Es spielt dabei keine Rolle, ob einzelne oder mehrere Inhaltsstoffe dieser Arzneipflanze besonders zur Wirksamkeit beitragen oder ob man darüber noch nichts weiß. Die Gesamtheit der Inhaltstoffe ist das Orchester, das eine harmonische Musik, sprich eine therapeutische Wirksamkeit hervorruft.
Bei der Arzneipflanze Ginkgo biloba, welche die Gehirndurchblutung fördert, hat die Wissenschaft herausgefunden, welche Inhaltsstoffe besonders für die Wirksamkeit verantwortlich sind: dies sind einerseits gewisse Flavonolglykoside, andererseits Terpenlactone. Es gibt aber auch sehr häufig verwendete Arzneipflanzen wie beispielsweise den Baldrian (Valeriana officinalis) oder das Johanniskraut (Hypericum perforatum), bei denen die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe trotz unzähliger Studien – noch – nicht bekannt sind. Ich persönlich bin der (vielleicht etwas gewagten) Überzeugung, dass dies für viele Arzneipflanzen gilt und auch noch lange gelten wird.
Die Suche nach dem einen Wirkstoff entspricht der Denkweise der modernen Pharmakologie, der Wissenschaft, welche die Wirkung von Arzneistoffen untersucht, aber vielleicht nicht der Dualität Mensch–Pflanze. Der Mensch hat, wie oben beschrieben, im Verlaufe seiner Entwicklung gelernt, die Vielfalt der Pflanzen zu nutzen, und er erlebte diese als Ganzes, nicht aufgeschlüsselt nach Hunderten von Inhaltsstoffen. Der Mensch isst auch Getreide und Kartoffeln, nicht einzelne Kohlenhydrate, er ernährt sich von Früchten und nicht von einzelnen der vielen Zuckerverbindungen. Die Mehrheit der Menschen isst auch Fleisch und nicht einzelne Proteine. Und so könnte es sein, dass die Vielstoffgemische, die Arzneipflanzen darstellen, dem Menschen eher entsprechen als Einzelwirkstoffe.
Zwei Tatsachen sprechen dafür: Beim Vergleich von pflanzlichen Arzneimitteln mit synthetischen Präparaten, welche für dieselbe Indikation (Beschwerde) eingesetzt werden, schneiden die pflanzlichen Präparate in Bezug auf die Nebenwirkungen meistens besser ab als ihre synthetischen Konkurrenten. Es gibt viele klinische Studien, welche diese Tatsache bestätigen (2,3). Außerdem besitzen die meisten pflanzlichen Arzneimittel eine viel größere therapeutische Breite als synthetische Präparate. Unter therapeutischer Breite versteht man den Konzentrationsbereich vom Beginn einer therapeutischen bis zum Beginn einer toxischen Wirkung.
5. Pflanzliche Arzneiformen
Ich habe oben kurz beschrieben, wie die Menschen lernten, Arzneipflanzen anzuwenden. Heute gibt es eine ganze Reihe von pflanzlichen Arzneiformen. Die einfachste erhält man durch Trocknen und Mahlen der Arzneipflanze. Das Pulver hat oft einen wenig angenehmen Geschmack und wird deshalb in Kapseln abgefüllt oder mit Hilfe von Klebemitteln zu Tabletten zusammengepresst. Getrocknete und gemahlene Pulver von Arzneipflanzen findet man oft bei traditionellen Heilmethoden wie bei der TCM, der Traditionellen Chinesischen Medizin, oder bei der tibetischen Medizin.
In den westlichen Ländern werden die Inhaltstoffe von Arzneipflanzen sehr häufig extrahiert, das heißt, sie werden der Pflanze mit geeigneten Lösungsmitteln entzogen. Geschieht dies mit heißem Wasser, entsteht ein Tee. Von einer Tinktur spricht man bei einer Extraktion mit Äthanol. Eine Mariendistel-Tinktur ist also eine äthanolische Lösung, in der die Inhaltsstoffe der Mariendistel (Silybum marianum, alter Name: Carduus marianus) gelöst sind. Tee oder Tinkturen können mit getrockneten Arzneipflanzen hergestellt werden. Eine Urtinktur allerdings – die Ausgangstinktur für homöopathische Potenzen, die aber auch als Urtinktur phytotherapeutisch eingesetzt werden kann – muss, wenn immer möglich, mit Frischpflanzen zubereitet werden. Ein Auszug kann auch durch Einlegen der Pflanze in ein Lösungsmittel gemacht werden. Man spricht dann von einer Mazeration. Wird das Pflanzenmaterial in einen säulenartigen Behälter gefüllt und lässt man das Äthanol tropfenweise durch das Pflanzenmaterial fließen, spricht man von einer Perkolation. Eine Tinktur kann also durch Mazeration oder Perkolation gewonnen werden.
In Bezug auf Extraktionsmethoden hat die Forschung in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Oft werden Lösungsmittelgemische verwendet. Eine sehr moderne Extraktionsmethode wird mit subkritischer Kohlensäure gemacht. Die Herstellung einer Urtinktur geschieht gewöhnlich mithilfe einer Mazeration. Eine Tinktur und eine Urtinktur von derselben Arzneipflanze sind oft praktisch identisch und unterscheiden sich in Zusammensetzung und Gehalt an Inhaltsstoffen praktisch nicht. Zur Herstellung von homöopathischen Potenzen muss zuerst eine Urtinktur hergestellt werden. Daraus entstehen die Potenzen. Ich schreibe in Zukunft nur von Tinkturen, möchte aber darauf hinweisen, dass jederzeit auch Urtinkturen gemeint sein können. Eine Tinkturenmischung kann also immer auch aus den entsprechenden Urtinkturen hergestellt werden.
Wichtig ist auch die Tatsache, dass man mit unterschiedlichen Lösungsmitteln unterschiedlich wirksame Extrakte erhält. Wenn man mit einem öligen Lösungsmittel Johannisöl gewinnt, steht ein äußerlich anwendbares, wundheilungs- und granulationsförderndes Arzneimittel zur Verfügung. Wird die Extraktion mit Äthanol