Forschungsreise ins innere Universum. A H Almaas

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Название Forschungsreise ins innere Universum
Автор произведения A H Almaas
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783867811507



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über das Mysterium ausgesagt werden kann, weil alles, was man sagt, ungenau wäre, und deshalb sei es besser, gar nichts auszusagen. Die Perspektive, die ich vorziehe, ist die, daß die Essenz des Seins für Beschreibungen offen oder Beschreibungen zugänglich ist. Man kann tatsächlich eine Menge über sie aussagen, so wie die Dichter der Mystik es seit Tausenden von Jahren getan haben. Man kann sagen, sie sei Leere, man kann sagen, sie sei ein Mysterium, man kann sagen, sie sei Stille, man kann sagen, sie sei Frieden, man kann sagen, sie sei weder Existenz noch Nichtexistenz, man kann sie den eigentlichen oder wahren Geliebten nennen, man kann sagen, sie sei die Auslöschung allen Egos, man kann sie die Quelle aller Bewußtheit nennen, man kann sagen, sie sei der Urgrund von allem, unsere wahre Identität, man kann sagen, sie sei dimensionslose Ortlosigkeit und so weiter. Jede dieser Zuschreibungen sagt etwas über sie aus.

      Daher kann man sagen, daß das Mysterium des Seins zwei verschiedene Implikationen enthält. Ich glaube, die fruchtbarere ist nicht, daß man nichts über es aussagen kann, sondern daß man niemals ausschöpfen kann, was man über es sagen kann. Wir können es ohne Ende beschreiben und über es reden. Anstatt es also Unbestimmtheit zu nennen, halte ich Unerschöpflichkeit für ein besseres Wort: Das Mysterium ist durch die Tatsache charakterisiert, daß es unerschöpflich ist. Man kann es nie vollständig kennen oder wissen.

      Wenn man zum Beispiel sagt, das Mysterium sei Leere, wird es damit also nicht vollständig erfaßt. Diese Aussage vermittelt einem nicht das ganze Bild. Man könnte sagen, es sei Stille. Gut, dann hat man eine weitere Eigenschaft entdeckt, die einem verstehen hilft, was es mit Begierden und Unrast macht. Wenn man diese Stille realisiert, spürt man, daß das ganze Universum Stille ist. Da wir aber einen angeborenen forschenden Geist besitzen und diese Stille erforschen, stellen wir am nächsten Tag fest, daß das Mysterium nicht allein Stille ist, sondern es ist auch Wissen. Was bedeutet das? Also, wir wußten, es ist Stille, und wir wußten, es ist Leere, also muß ihr Wissen eigen sein. Aber einen Tag später merkt man, daß man dem Mysterium auch nicht gerecht wird, wenn man es irgendwie als Wissen definiert. Man kann sagen, das Mysterium sei Stille, man kann sagen, es sei Wissen, und man kann sagen, es sei Leere, aber keine dieser Aussagen wird ihm gerecht – und auch nicht alle zusammen. Jeden Tag entdecken wir also etwas Neues über das Mysterium, als flögen wir durch die Schwärze des Weltraums und entdeckten plötzlich, daß wir auf einem ganz neuen Sternsystem gelandet sind, das wir mit Freude und Aufregung erkunden können.

      Aber auch dann merken wir, daß wir das Ende noch nicht erreicht haben, denn jenseits dieses Sternsystems gibt es den Schein eines anderen. Und außerdem fangen wir an zu verstehen, daß das Verharren bei irgendeiner dieser Entdeckungen uns von der Unerschöpflichkeit des Seins – also gerade seiner Essenz – trennt. Sie stellen vielleicht auch fest, daß Sie an der Auffassung hängen, daß es einen Endpunkt Ihres Verstehens gibt.

      Dies ist also ein etwas anderer Ansatz dazu, das Mysterium zu verstehen, als das Konzept der Unbestimmtheit. Das Mysterium ist unbestimmt, aber nicht in dem Sinn, daß es unmöglich wäre, bestimmte Aussagen über es zu machen. Es ist möglich, eine unendliche Anzahl von bestimmten Aussagen über es zu machen, aber diese Aussagen versagen, wenn man mit ihnen die Essenz des Mysteriums erfassen will. Ferner sind diese unendlich vielen Aussagen eigentlich der Inhalt unseres Bewußtseins. Was könnte man sonst erfahren? Wir könnten sagen, daß man das Mysterium nicht kennen oder wissen kann, und es dabei belassen. Aber wenn wir das tun, bleiben wir auf die Tatsache seiner Unerkennbarkeit beschränkt. Aber man kann das Mysterium eben auch kennen und wissen, viel mehr als irgendetwas anderes – im Grunde kann man es unendlich kennen und wissen. Aber man kann es nicht total und endgültig kennen und wissen, daher können wir niemals sagen, daß wir unsere Erforschung abgeschlossen haben.

      Mein Verständnis des Mysteriums ist, daß es ein unerschöpflicher Reichtum ist, und dieser Reichtum ist von dem Mysterium untrennbar. Der Reichtum ist nichts anderes als die Offenbarung des Mysteriums, und diese Offenbarung ist vollkommen unerschöpflich. Diese Sichtweise gibt uns eine gewisse Basis für die Wertschätzung des Weges der Inquiry.

      Was ist Inquiry?

      Was meinen wir, wenn wir den Begriff „Inquiry“ benutzen? Inquiry bedeutet Untersuchung, Erforschung, aber vor allem bedeutet Inquiry, daß man etwas herausfinden möchte. Inquiry bedeutet, Fragen zu stellen und in Frage zu stellen: „Was ist das hier? Warum ist das so? Was passiert? Wo geht es hin?“

      Was ist eine Frage? Wenn man wirklich in eine Frage eindringt, was findet man in ihrem Herz, in ihrem Kern? Das Herz einer Frage ist offensichtlich ein Nichtwissen. Wenn man eine Frage stellt, erkennt man an, daß es etwas gibt, was man nicht weiß. Eine Frage ist aber nicht nur ein Nichtwissen, denn Nichtwissen bedeutet an sich nicht unbedingt, daß es eine Frage gibt. Es ist möglich, nicht zu wissen und keine Frage zu stellen. Eine Frage hat ein Nichtwissen in sich, aber das Nichtwissen ist ein wissendes Nichtwissen. Man kann keine Frage stellen, wenn man nicht weiß, daß man nichts weiß. Aber es ist nicht nur so, daß man weiß, daß man nichts weiß; man weiß auch etwas über das, was man nicht weiß. Sonst kann man keine Frage danach stellen. In dem Moment, in dem man eine Frage über irgend etwas stellt, erkennt man an, daß man nicht weiß und daß man auch ein Gefühl davon hat, was man nicht weiß.

      Also stellt sich die Frage von einer Stelle aus, an der es ein Wissen (knowing) von einem Nichtwissen (unknowing) gibt und dazu ein Wissen eines möglichen Wissens, und dieses mögliche Wissen durchdringt irgendwie das eigene Bewußtsein auf eine Weise, die als eine Frage in Erscheinung tritt.

      Es ist so, als würde einen etwas von innen her kitzeln und sagen: „Schau her, hier ist etwas.“ Dieser Geschmack von Nichtwissen, von einem wissenden Nichtwissen, ist die Weise, wie die Entfaltung sich meldet. Etwas taucht auf. Sein (Being) bricht auf und bietet eine seiner Möglichkeiten an, und diese Möglichkeit nähert sich dem wissenden Bewußtsein. Aber es nähert sich ihm mit etwas, was man bisher noch nicht gekannt oder gewußt hat. Diese neue Möglichkeit berührt einen irgendwo im eigenen Herzen. Und Berührung bewegt einen dazu, eine Frage zu stellen. Wenn es einen nicht berührt hätte, würde man die Frage nicht stellen. Man würde einfach nicht wissen und nicht wissen, daß man nicht weiß. Inquiry bedeutet also wissendes Nichtwissen, und das ist der Ausdruck der Entfaltung, des kreativen Dynamismus des Seins. Und dieser Dynamismus des Seins ist eine kontinuierliche, spontane Entfaltung.

      Wir sehen hier, wie Inquiry und Dynamismus wechselseitig eng miteinander in Beziehung stehen. In einem gewissen tiefen Sinne ist Inquiry der Ausdruck des Dynamismus, der Ausdruck von Entfaltung. In dem Moment, in dem die Erfahrung statisch ist, ist der Dynamismus nicht kreativ und es gibt kein Fragen. Häufig leben wir unser Leben im gleichen Trott, ohne es je in Frage zu stellen. Man ist uninteressiert, man ist nicht neugierig, man hat keinen Grund nachzufragen. Was bedeutet das? Es bedeutet, daß unser Erleben und unsere Erfahrung so statisch sind, daß sich nichts bewegt.

      In dem Moment, in dem es eine Inquiry gibt, wissen wir, daß die Entfaltung wieder in Gang ist. Etwas Neues taucht auf, und man fragt sich plötzlich, was es ist. Oder man fängt an, das Alte und Vertraute auf eine neue Weise zu sehen. „Wie kommt es, daß ich in so einem Trott lebe?“ Wie auch immer das Neue erscheint, der Dynamismus muß etwas anbieten, damit die Inquiry beginnen kann. Wie wir sehen, ist das Fragen, das das Wesen von Inquiry ist, also eigentlich ein Ausdruck oder eine Widerspiegelung des Dynamismus.

      Inquiry ist im Grunde eine Herausforderung für das, was wir zu wissen glauben, und stellt es in Frage. Gewöhnlich glauben wir zu wissen, wer wir sind, was wir sind, was wir tun werden, worum es im Leben geht und was geschehen sollte. Inquiry bedeutet, alles das in Frage zu stellen. Wissen wir das alles wirklich?

      Durch Inquiry lernt man, durch sein Nichtwissen hindurch zu navigieren. Aufgrund der Entfaltung seines eigenen Dynamismus wird man herausfinden, wohin man geht: „Wohin bringt er mich? Werde ich Mönch? Werde ich Haushaltsvorstand? Werde ich Computerspezialist, Soldat, Lehrer, Geliebter, Ehemann oder Ehefrau?“

      Je offener das Ende einer Inquiry ist, um so mehr wird ihre Kraft frei. Diese Kraft ist die Kraft des Dynamismus von Sein selbst. Das ist ganz anders, als wenn man Inquiry auf die eingeschränkte und begrenzte Weise verwendet, die auf ein bestimmtes Ergebnis hin orientiert ist und die von einer Idee, die man im Kopf hat, oder von etwas, was