Forschungsreise ins innere Universum. A H Almaas

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Название Forschungsreise ins innere Universum
Автор произведения A H Almaas
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783867811507



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Realität ist Präsenz, die selbst-durchdringende Bewußtheit hat und zugleich ein unterscheidendes Wissen besitzt. Diese Tatsache, die für die Inquiry wichtig ist, kann in der eigenen persönlichen Erfahrung erkannt werden. Die normale Erfahrung ist die, daß man eine Person ist, die eine Bewußtheit hat und die unterscheiden kann. Aber diese Unterscheidungsfähigkeit ist nicht ein Ergebnis des Etikettierens des Verstandes, das kommt später. Die inhärente Unterscheidung geschieht als Teil der Bewußtheit. Man unterscheidet zum Beispiel das Muster eines Baumes vor dem Fenster und nennt es Baum, aber die Fähigkeit, das Muster des Baumes zu unterscheiden, ist schon da, bevor man es einen Baum nennt. Genauso ist es mit der Fähigkeit, innere Eindrücke, wie verschiedene Emotionen, Sinneswahrnehmungen und Gedanken zu unterscheiden. Zum Beispiel existiert das inhärente Erkennen von Traurigkeit – das weiche, warme Auflösen einer „Verhärtung“ in der Brust –, bevor das Denken die Erfahrung mit der Bezeichnung „Traurigkeit“ versieht.

      Wenn das Gefühl für inhärentes Unterscheiden für uns verschleiert ist, manifestiert es sich in unserer normalen Erfahrung als Denken und Etikettieren, das heißt als das, was wir gewöhnlich Wissen (knowledge) nennen. Das ist aber eine Reflexion, ein Schritt vom wahren Wissen (knowingness) entfernt. Anders gesagt, das normale Wissen (knowingness), das mit Denken, Gedächtnis, Überlegen und Bezeichnen zu tun hat, ist die Weise, wie wahres Wissen in der gewöhnlichen Erfahrung des Egos erscheint. Es ist gewöhnliches Wissen (ordinary knowledge), im Gegensatz zu Grundwissen (basic knowledge).

      Wissen in der menschlichen Seele

      Während die Bewußtheit, das Einssein und die Offenheit konstante und unveränderliche Facetten der Realität sind und der Dynamismus die Erfahrung von Veränderung ist, erfahren wir durch das Wissen (knowingness), was ist und was sich verändert. Wissen ist die Dimension, die die verschiedenen Manifestationen unseres Lebens erkennt. Und die Details dieses Wissens sind von Moment zu Moment immer anders. Das ist der Grund, weshalb man sagt, Gott wiederhole sich niemals. Der Stand oder der Zustand des Universums ist immer anders, immer neu. Das ist keine esoterische Vorstellung. Wenn man an sich selbst denkt, wird man erkennen, daß keine Sekunde Erfahrung wirklich wie eine andere ist. Sie verändert sich ständig, sie ist immer anders.

      Das Wissen, das Präsenz eigen ist und das wir oben als den Göttlichen Geist bezeichnet haben, wurde von den Griechen Nous oder höherer Intellekt genannt. Wenn die Griechen, wie im Falle Plotins, das Wort „Intellekt“ benutzten, meinten sie nicht diskursives Denken. Eigentlich bedeutete das Wort „Intellekt“ in den westlichen Sprachen ursprünglich „das inhärente Wissen (knowingness)“. Das hat sich aber vor allem im sechzehnten oder siebzehnten Jahrhundert geändert, als „Intellekt“ begann, sich auf Wissensakte mittels Repräsentationen, auf begriffliches Wissen, zu beziehen, das in unserem Denken stattfindet. Heute gebraucht man „Intellekt“ nur für mentales Wissen, die Widerspiegelung des Egos von wahrem Wissen.

      Das inhärente Wissen, oder der Nous, wurde von manchen Christen der Logos, von den Sufis „totaler Intellekt“ und von den Buddhisten „unterscheidende Bewußtheit“ genannt. Diese unterscheidende Bewußtheit oder dieses Wissen ist nun die Quelle aller Erfahrung – der verschiedenen Eindrücke, Formen und Farben. Ob das gewöhnliche physische Erfahrungen oder ungewöhnliche spirituelle Erfahrungen sind, sie sind für das inhärente Wissen alle dasselbe – sie sind alle Wissen, auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Intensitäten von Brillanz. Die Ego-Erfahrung ist nur dumpfes Wissen, während die essentielle Erfahrung ein helles Wissen, eine leuchtende Präsenz ist.

      Diamantene Führung

      Dieses inhärente, unterscheidende Wissen wahrer Natur umfaßt den Inhalt von allem, was existiert, von allem, was nur existieren kann, und von allem, was je existiert hat. Obwohl es die Erfahrung der menschlichen Seele transzendiert, erscheint es dennoch in unserem individuellen Bewußtsein in einer spezifischen essentiellen Form. Genauer gesagt, dieses Wissen, das selbst das Wissen von allem ist, erscheint in der Seele als die spezifische Fähigkeit zur Unterscheidung. Mit anderen Worten, der Göttliche Geist kann sich in der Seele in Miniaturform manifestieren – als Mikrokosmos von diesem Makrokosmos. Wir nennen diesen Mikrokosmos die Diamantene Führung (Diamond Guidance).

      Die Bezeichnung „Diamantene Führung“ reflektiert die Weise, wie diese essentielle Manifestation wahrer Natur funktioniert, wenn sie die in der Erfahrung inhärente Unterscheidung enthüllt. Wenn diese essentielle Präsenz sich in der Seele manifestiert, kann sie mit der Klarheit, Präzision und Eindringlichkeit eines Diamanten unterscheiden, was im Feld ihrer Bewußtheit wirklich da ist. Die Diamantene Führung kann die Seele den ganzen Weg führen: vom Erkennen einer emotionalen Wahrheit im Moment bis zum Erkennen der Unterscheidung, die in der Realität inhärent, die in ihr enthalten ist. Das ist der Grund, weshalb ich oben sagte, daß ein Raumschiff, das von dem Sternsystem stammt, zu dem wir reisen, das zuverlässigste Fahrzeug ist, das wir benutzen können, um dahin zu gelangen.

      Die Diamantene Führung ist also die spezifische Erscheinungsweise des Göttlichen Geistes in unserer Seele als persönliche Fähigkeit. Sie ist es, die unserer Seele die Fähigkeit verleiht, exakt zu wissen, was vor sich geht, und unsere Erfahrung zu verstehen. Verstehen unserer Erfahrung bedeutet zu wissen, was sie ist, sie direkt zu fühlen und in dieses Gefühl Einsicht zu haben, und all das als Teil der unmittelbaren Erfahrung. Weil die Diamantene Führung eine Reflexion, eine Emanation oder eine Partikularisierung des Göttlichen Geistes ist, besitzt sie die Fähigkeit, unsere Erfahrung zu enthüllen, ihre Schleier ganz bis hin zu Klarheit und Wahrheit zu durchdringen. Ich nenne die Diamantene Führung ein Fahrzeug realen Wissens, weil ihre spezifische Fähigkeit darin besteht, der Seele zu ermöglichen, sich selbst zu kennen und zu wissen. Und wenn man sich selbst kennt, dann kennt man seine Quelle, denn diese Quelle ist die letzte und eigentliche Identität.

      Die Gesamtheit der Seele ist ein Mikrokosmos der ganzen Realität, der Einheit des Seins. Die Diamantene Führung ist ein Mikrokosmos des Charakteristikums des Wissens (knowingness) Gottes, des Makrokosmos’ der Realität. Aber man darf nicht vergessen: Auf der Ebene wahrer Realität sind die fünf Charakteristika untrennbar. Die fünf Facetten sind miteinander verwoben und gleichzeitig da. Wir haben sie getrennt beschrieben, um über sie zu reflektieren, aber sie bilden alle eine einzige Realität. Folglich spiegelt die Diamantene Führung alle fünf Facetten: Bewußtheit, Einssein, Dynamismus, Offenheit und Wissen. Die wichtigste Facette aber, die zentrale, die Diamantene Führung reflektiert, ist Wissen.

      Ich nenne die Diamantene Führung manchmal den essentiellen Nous, die Version der individuellen Seele vom universellen Nous der Griechen, wie Plotin ihn beschrieben hat. Im Sanskrit wird der essentielle Nous als prajna bezeichnet, während die unterscheidende Bewußtheit – der universelle Nous – jnana genannt wird. Sowohl in buddhistischen als auch in hinduistischen Lehren weiß man, daß man prajna benutzt, um zu jnana zu gelangen. Prajna wird als unterscheidende Einsicht und jnana als inhärentes Wissen (knowingness) oder unterscheidende Bewußtheit bezeichnet. Prajna ist also die Erkenntnis von Mustern, Verstehen, Einsicht und Realisierung, während jnana das inhärente Selbst-Wissen reiner Bewußtheit ist. Jnana ist nicht die Erfahrung einer bestimmten Einsicht oder eines Verstehens; jnana ist die Erkenntnis, daß alle Erfahrung Wissen (knowledge) ist und daß man als Wissen im Sinne von knowingness und knowledge existiert.

      Nun ist die wahre Natur, wie gesagt, auch dynamisch, und ihr Dynamismus ist schöpferisch. Er erschafft ständig neue Formen, und diese Schöpfung neuer Formen ist eine Entwicklung, eine Veränderung. Die Diamantene Führung impliziert also einen Dynamismus, eine Kreativität. Bei dieser schöpferischen Aktivität ist das, was gewußt ist, ein sich entwickelndes, sich veränderndes Wissen (knowingness). Es ist nicht so, daß man einfach etwas weiß: „Ich bin traurig“, und sonst nichts. Man kann sich in dieser Weise gegenüber einem Gefühl verhalten, aber dann passiert nicht viel. Anerkennung des Gefühls ist nur der Anfang des eigentlichen Prozesses.

      Diamantene Führung und Inquiry

      Was tun wir nun, damit sich das Wissen (knowingness) entfalten kann? Wir machen „Inquirys“. Wir fragen uns: „Worum geht es? Warum bin ich traurig?“ Um eine Bewegung einzuleiten, die uns zu einer