Название | Business Crime – Skandale mit System |
---|---|
Автор произведения | Herbert Storn |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783963178467 |
Zum 01.03.1960 ist in der Bundesrepublik Deutschland das Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts vom 27.07.1957 (Wasserhaushaltsgesetz, WHG) in Kraft getreten. Mit diesem wurde das Grundwasser in Abkehr von der bis dahin geltenden Rechtslage vom Eigentum an Grund und Boden gelöst und einer eigenen öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterstellt.
Materiell-rechtlich verstärkte das Wasserhaushaltsgesetz den Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen unter anderem durch die Einführung des Besorgnissatzes in § 34 WHG.
Diese Vorschrift ist auch für das Verwaltungsrecht deshalb bemerkenswert, weil sie beim Vorliegen einer Besorgnis für nachteilige Veränderungen des Grundwassers der Behörde kein Ermessen einräumt, sondern ihr die Erlaubniserteilung zwingend versagt. Ein Einleiten von Schadstoffen in das Grundwasser kann daher anders als ein Einleiten von Schadstoffen in ein Oberflächengewässer seit dem 01.03.1960 in der Bundesrepublik praktisch nicht mehr erlaubt werden.
Die befristeten Versenkgenehmigungen von Kaliendlauge vom 12.11.1958 und vom 18.01.1960, befristet bis zum 04.10.1976 fußten also noch auf dem alten Recht.
Aber die seit dem 01.03.1960 für die Bundesrepublik geltende Rechtslage stand einer Erteilung weiterer Versenkerlaubnisse über den 04.10.1976 hinaus klar entgegen.
In dem vorliegenden Ermittlungsverfahren ging die Staatsanwaltschaft unter anderem der auch in diesem Buch vorrangig interessierenden Frage nach, welche Abläufe dazu führten, dass das Regierungspräsidium Kassel trotzdem die zehn Versenkerlaubnisse der Jahre 1976 bis 2016 erteilte.
Dabei spielten, so die Staatsanwaltschaft weiter, neben den vom Unternehmen in Aussicht gestellten alternativen Entsorgungswegen (u.a. eine 450 km lange Rohrleitung zur Nordsee!) auch falsche Annahmen in Bezug auf den Versenkhohlraum in tieferen Gesteinsschichten eine entscheidende Rolle.
Auf Letztere stützten sich die in den folgenden Jahrzehnten erteilten Versenkerlaubnisse (1976, 1981, 1986, 1991, 1996, 2001 und 2006).
Im Zusammenwirken von Behörden und dem Unternehmen konnte die benutzte falsche Hohlraumtheorie als Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis etabliert sowie ein Aufkommen widersprechender Erkenntnisse durch unabhängige Wissenschaftler und aus den Reihen der hessischen Behörden unterbunden werden. Neuere Erkenntnisse nach 1990 versuchte die Firma Kali und Salz zu delegitimieren.
Wegen des Widerspruchs zwischen geowissenschaftlichem Kenntnisstand einerseits und der Bestätigung eines noch verfügbaren Versenkhohlraums im Plattendolomit andererseits wurden die Gutachten von 2001 und 2006 im Jahr 2009 durch die Leitung des hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG ) für ungültig erklärt. Das Verhalten der Firma Kali und Salz in der Zeit von 1993 bis 2006 war durch Einschüchterung gegenüber BehördenvertreterInnen, unabhängigen WissenschaftlerInnen und JournalistInnen geprägt.
Die Staatsanwaltschaft Meiningen weiter: Das umschriebene Regime aus Umdeutung von Messwerten und Behinderung wissenschaftlicher Erkenntnisfindung in den Jahren 1993 bis 2006 sei in erster Linie durch Vertreter der Firma Kali und Salz koordiniert betrieben, maßgeblich aber auch in den Reihen der mit der Laugenversenkung befassten Behörden Hessens und Thüringens mitgetragen worden. Im Ergebnis dieses Klimas musste jeder Bedienstete, der das Konzept in Frage stellte, mit Bloßstellung, persönlichen Angriffen oder Marginalisierung rechnen. Dennoch erwies sich dieses Vorgehen spätestens Ende 2007 als nicht mehr machbar, nachdem eine technische Angestellte des HLNUG mittels einfacher Tabellenkalkulationen und Mischungsrechnungen den Nachweis erbrachte, dass es sich bei den diffusen Einträgen in die Werra tatsächlich um Versenkrückläufe der hessischen Kaliwerke handelt und dass von der bisher versenkten Lauge allenfalls 40% im Plattendolomit sich befinden, während 30% im Buntsandstein-Grundwasserleiter zirkulieren müssen und weitere 30% als diffuser Eintrag in die Werra beziehungsweise die Solz abgeflossen sind. (Im Wirecardfall haben wir hier übrigens eine interessante Parallele in Bezug auf eine kritische Mitarbeiterin.) Dies hatte immerhin die Anordnung der Einstellung einiger Versenkungen zur Folge.
Auch dies sei im weiteren Zeitablauf heruntergespielt und umgedeutet worden, so die Staatsanwaltschaft. Gestützt auf ein Rechtsgutachten im Auftrag des hessischen Umweltministeriums waren die Behörden des Landes Hessen allerdings 2008 zu dem Schluss gekommen, dass eine Fortsetzung der Laugenversenkung über diesen Zeitpunkt hinaus rechtlich nicht möglich ist, da eine solche gegen den wasserrechtlichen Besorgnissatz (§ 48 WHG ) verstößt. Die Versenkung könne allenfalls noch über einen kurzen Übergangszeitraum erlaubt werden.
Daraufhin wurde 2010 von K+S die ›ernsthafte Prüfung‹ des Baus einer Rohrfernleitung zur Nordsee zur Entsorgung der Kaliendlaugen angekündigt, die aber nicht in Angriff genommen wurde.
Der Versuch, mit einem neuen Rechtsgutachten eine neue Versenkerlaubnis zu erreichen, scheiterte zunächst an dem HLNUG, das in einer umfangreichen Stellungnahme vom 10.07.2014 darlegte, dass eine Erhöhung der Förderung einen Anstieg der Chloridwerte jenseits des Grenzwerts mit Besorgnis erfüllen würde.
Durch Einwirkungen aus den Reihen des Regierungspräsidiums Kassel und des hessischen Umweltministeriums zwischen September 2014 und Januar 2015 habe sich das HLNUG schließlich im Januar 2015 zu einer Protokollnotiz bereit erklärt, das Wort ›Besorgnis‹ in Bezug auf die dort bewerteten Trinkwassergewinnungsanlagen nicht im wasserrechtlichen Sinn verwendet zu haben. Dadurch wurde es dem Regierungspräsidium Kassel wiederum ermöglicht, auch die weiteren Verwaltungsentscheidungen zur Laugenversenkung mit der These zu begründen, eine Gefährdung der Trinkwasserversorgung sei ausgeschlossen, da auch nach Ansicht des HLNUG in Bezug auf die bestehenden Gewinnungsanlagen keine Besorgnis bestünde.
Die letzten Versenkerlaubnisse vom 17.12.2015 und vom 23.12.2016 basieren entscheidend auf dem sogenannten 4-Phasenplan, den die hessische Umweltministerin und der Vorstandsvorsitzende der K+S AG im September 2014 unterzeichneten und der Öffentlichkeit präsentierten. Dieser sieht unter anderem eine Fortsetzung der Laugenversenkung bis Ende 2021 vor, schreibt aber auch deren endgültiges Ende zu diesem Termin fest. Weiterhin regelt der Plan eine Zeitschiene an Maßnahmen und Investitionen bis zu diesem Zeitpunkt, die bei Fortführung des Betriebs der Kaliwerke den Entsorgungsweg Versenkung ab Ende 2021 entbehrlich machen sollen.
Aber auch dieser 4-Phasenplan basierte auf dem bis dahin benutzten 3-D-Grundwassermodell, das die gesetzten Ansprüche nicht erfüllte, kritisiert die Staatsanwaltschaft.
Dennoch erließ das Regierungspräsidium Kassel am 17.12.2015 die Übergangserlaubnis und begründete das Fehlen einer Besorgnis gemäß § 48 WHG allein mit dem modifizierten Kurzgutachten des Behördengutachters. Die dem entgegenstehenden Passagen in den Stellungnahmen des HLNUG und des Thüringer Landesverwaltungsamts wurden in der Bescheidbegründung hingegen übergangen.
Dass der Staatsanwalt trotz alledem zu dem Schluss kommt, dass ein Strafverfahren nicht eingeleitet werden könne, bestätigt die Feststellung von Hans See zu Beginn dieses Buches, dass mit Einzelgesetzen einem solchen Zusammenwirken von Konzernen und Behörden nicht beizukommen ist.
Die Begründung der Staatsanwaltschaft für die Einstellung des Verfahrens fußt dann auch zum einen darauf, dass das Umweltstrafrecht ein Individualstrafrecht sei, und Rechtswidrigkeit nicht ausreiche.14
Zudem läuft der strafrechtliche Begriff der Drohung ins Leere, weil die Drohung wesentlich darin bestehe, dass der Druck mit dem Hinweis auf gefährdete Arbeitsplätze erzeugt wird. Dieses Muster wird uns immer wieder begegnen.
Die oben dargelegten Vorgänge erinnern sehr stark an den Wirecard-Betrug, bei welchem Wirecard gegen Privatpersonen und gegen eine Zeitung per Anzeige vorging, um sie einzuschüchtern. Und hinterher stellte sich heraus, dass die Kritik Recht hatte.
Die Aufklärung berührt auch sehr stark das Selbstverständnis der Grünen, nicht zuletzt, weil das involvierte hessische Umweltministerium gegenwärtig und seit längerer Zeit von prominenten Grünen geleitet wird und wurde: zurzeit von Priska Hinz (seit Januar 2014, aber auch schon unter