Название | Sag mir, was du wirklich meinst |
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Автор произведения | Oren Jay Sofer |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867813693 |
Denn genau so ist es: Kommunikationsfertigkeiten zu erlernen hat bemerkenswerte Ähnlichkeiten damit, eine neue Sprache zu lernen. Es erfordert Wiederholung. Je öfter Sie üben, desto eher können Sie flüssig sprechen. Und selbst wenn Sie bloß ein paar Worte einer neuen Sprache kennen, wird Ihnen das dabei helfen zu sagen, was Sie meinen. Ich ermutige Sie also, jeden Tag ein wenig zu üben, sei es mithilfe der formalen Übungen oder in alltäglichen Unterhaltungen. Selbst fünf Minuten täglicher, absichtsvoller Übung werden mit der Zeit Wirkung zeigen.
Am Ende eines jeden Kapitels finden Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte sowie eine Reihe von Fragen und Antworten. Viele dieser Fragen beruhen auf Transkripten von Workshops und Retreats. Sie sollen einige der häufigsten Fragen aufgreifen, die sich möglicherweise auch Ihnen auf dem Weg stellen. (Namen oder Details von Geschichten wurden zum Teil geändert, um die Privatsphäre der jeweiligen Personen zu wahren.) Die Schlüsselbegriffe im Zusammenhang mit achtsamer Kommunikation sind bei ihrer erstmaligen Erwähnung kursiv gesetzt, Sie können sie im Glossar am Ende des Buches nachschlagen. Die Anmerkungen, ebenfalls am Ende des Buches, enthalten weiterführende Informationen und Referenzen, die für Sie interessant sein könnten.
Schließlich möchte ich noch auf eine wichtige Unterscheidung hinweisen, die sich durch das Buch zieht. In jedem Kapitel finden Sie Prinzipien, die den zugrunde liegenden Ethos oder das Ziel eines bestimmten Kommunikationsaspekts wiedergeben. Außerdem finden Sie Übungen, die Ihnen dabei helfen sollen, die Methoden und Prinzipien auf konkrete Weise in Ihrem eigenen Leben umzusetzen. Ihnen werden Prinzipien begegnen, wie beispielsweise »Je bewusster wir sind, desto mehr Möglichkeiten haben wir«. Und Sie werden entsprechende Übungen finden – manche können Sie machen, während Sie lesen, andere können Sie in Ihre Kommunikation im Alltag mitnehmen. Zu besagtem Prinzip der Bewusstheit kann es zum Beispiel eine Anleitung zum achtsamen Atmen geben.
Die Gefahr bei jeglicher Art von Kommunikationstraining besteht darin, dass wir die Praxis mit dem Prinzip verwechseln und anfangen, rigide oder roboterhaft zu sprechen, in dem Versuch, uns an eine Art Dogma oder Systematik zu halten. Zwar sind Systematiken unglaublich nützlich (und die Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg hat einen wichtigen Stellenwert in diesem Buch), aber ich bin weniger daran interessiert, einem bestimmten System zu folgen, als vielmehr daran zu lernen, dem Augenblick verständnisvoll und dynamisch zu begegnen.
Mit anderen Worten, versuchen Sie nicht, sich sklavisch genau an irgendeine bestimmte Sprechweise zu halten. Um eine weitere Analogie anzubieten: Es ist ein wenig so, wie ein Instrument zu lernen. Es gehört zwar dazu, Tonleitern zu üben, aber das Ziel ist es schließlich, Musik zu machen. Die Methoden und Übungen hier sind sehr wertvoll, um neue Kommunikationsgewohnheiten zu etablieren, doch das Ziel besteht darin, sich entspannt in den Fluss eines Gesprächs begeben zu können.
Was Sie erwarten können
Das Feld der Kommunikation umfasst viele Bereiche: private und professionelle Beziehungen, Fähigkeiten auf höherer Ebene wie Gruppenmoderation oder Mediation sowie strategische Anwendungen wie Diplomatie und gewaltfreier Widerstand. Natürlich kann dieses Buch nicht all diese Felder abdecken, und das ist auch gar nicht beabsichtigt. Der Fokus liegt auf der interpersonellen Kommunikation in sozialen Kontexten und nahen Beziehungen. Sollten Sie darüber hinaus Interesse haben, sich weiterzubilden, werden die hier vorgestellten Methoden eine unentbehrliche Basis für weitere Anwendungsbereiche darstellen.
Dieses Buch ist unmittelbar von meiner eigenen Lebenserfahrung geprägt, was auch bedeutet, dass es in mancherlei Hinsicht durch diese Erfahrung begrenzt ist. Insbesondere Aspekte meiner Konditionierung als heterosexueller, jüdischer, weißer Mann aus der Mittelschicht haben zur Folge, dass ich schlecht gewappnet bin, die Vision zu verwirklichen, die Marshall Rosenberg für sein Werk artikuliert hat. Noch immer bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, was er im Jahr 2005 bei einem Retreat in der Schweiz sagte:
Wenn ich Gewaltfreie Kommunikation dazu benutze, dass Menschen freier und weniger deprimiert werden, dass sie besser mit ihren Familien auskommen, ich sie aber nicht gleichzeitig auch lehre, ihre Energie darauf zu verwenden, schnellstens die Systeme in dieser Welt zu transformieren, dann bin ich Teil des Problems. Im Wesentlichen beruhige ich die Leute dann, sorge dafür, dass sie zufriedener in den Systemen leben, so wie sie sind. Dann benutze ich Gewaltfreie Kommunikation als Betäubungsmittel.4
Etwas zu lehren macht bescheiden: Ich weiß, dass ich noch vieles zu lernen habe, insbesondere was die blinden Flecken meiner eigenen Privilegien5 betrifft. In dem Ausmaß, in dem es mir gelungen ist, über meine eigenen Konditionierungen hinauszusehen, wird der Text hoffentlich auch andere Menschen in verschiedensten sozialen Situationen dabei unterstützen, sich aus ihren eigenen Konditionierungen zu befreien und sich mehr und mehr auf den Tanz der Kommunikation einzulassen. Nichts würde mich mehr freuen. Und in dem Ausmaß, zu dem ich noch nicht über meine Konditionierung hinausgesehen habe, widme ich mich weiter der Praxis der achtsamen Kommunikation als einem lebenslangen Weg des Lernens und der Transformation.
Solch eine langfristige Selbstverpflichtung ist die hilfreichste Weise, sich dieser Praxis zu nähern. Gelingende Kommunikation ist nicht etwas, was wir an einem Wochenendworkshop meistern, genauso wenig wie durch einen sechswöchigen Kurs oder ein Buch mit vier Teilen. Es erfordert Geduld, Interesse, Engagement und Bescheidenheit. Es ist normal, sich in verschiedenen Phasen dieses Prozesses ganz und gar unfähig zu fühlen. Manchmal kann es einem sogar so vorkommen, als wäre man besser dran gewesen, bevor man diese Methoden ausprobierte!
All das muss Sie nicht überraschen. Was auch immer man lernt, es ist ein Prozess, in dem man Fehler macht. Rechnen Sie damit, ab und zu eine Bruchlandung hinzulegen. Es ist egal, wie oft Sie hinfallen, wichtig ist nur, dass Sie sich wieder aufrappeln. Denken Sie daran, dass jeder kleine Erfolg, jede Interaktion, in der es Ihnen gelingt, eine der Methoden oder eins der Prinzipien anzuwenden, Ihr Selbstvertrauen stärken und ein neues Muster in Ihrem Geist anlegen wird.
Wir können die Art, wie wir kommunizieren, nicht über Nacht verändern. Es hat gedauert, die Gewohnheiten zu lernen, die wir uns angeeignet haben. Es wird dauern, sie zu verlernen und eine neue Kompetenz zu erwerben. Doch jede Minute, in der Sie etwas dazulernen, lohnt sich. Es wird sich auszahlen in der Qualität Ihrer Beziehungen, im Ausmaß an Wohlbefinden in Ihrem Leben und in Ihrer Fähigkeit, sich wirkungsvoll in der Welt zu engagieren.
Fahrrad fahren lernen
Ich erinnere mich gut an meine Begeisterung und meine Neugier als Kind, aber ich erinnere mich auch daran, wie schwer es trotz meines Redebedürfnisses für mich war, in den schnellen, lebhaften Gesprächen an unserem Abendbrottisch zu Wort zu kommen. Noch heute sehe ich mich an dem schwarzen Küchentisch sitzen, mit einem Gefühl der Schwere in meiner Brust, einem festen Knoten im Hals und unter der Oberfläche brennenden Tränen der Frustration, während der Rest meiner Familie durch eine Unterhaltung preschte, in der es so gut wie keinen Raum für meine Stimme gab.
Die eigene Stimme finden, lernen, das zu sagen, was man meint, und tief zuhören – das gehört wohl zu den bereicherndsten Abenteuern, zu denen man aufbrechen kann. Wenn man die Fähigkeit entwickelt hat, weise zu sprechen und gut zuzuhören, verfügt man über eine unerschöpfliche Ressource, mit der man sich nicht nur in der Welt zurechtfinden, sondern sie sogar transformieren kann. Anstatt Ihren Gesprächen den faden, neutralen, »netten« Anstrich zu verpassen, werden die Anregungen in diesem Buch Ihnen helfen, sich lebendiger und wirklich beteiligt zu fühlen.
Als