Blütenpracht und schlaue Hühner. Susanne Wiborg

Читать онлайн.
Название Blütenpracht und schlaue Hühner
Автор произведения Susanne Wiborg
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783956141614



Скачать книгу

früher allgemein üblich war: Zäune ums Gemüse und um die Kostbarkeiten, ansonsten möglichst freier Zugang für die Gefiederten. Die danken das nämlich nicht nur mit den unvergleichlich leckeren Eiern, sondern auch als gnadenlose Ungezieferpatrouille mit im Garten deutlich sichtbaren Erfolgen. Kein Nacktschneckengelege entgeht ihnen, kleine Schädlinge haben ein kurzes Leben, und ein ganz großer Bonus: Seit die Hühner da sind, gibt es auf meinem Grundstück keine Zecken mehr. Dass sie alle Gartenabfälle, notfalls gehäckselt, noch einmal begeistert recyceln, macht sie ebenfalls zur idealen Ergänzung.

      Mein liebstes Plus aber ist die buchstäblich begleitete Gartenarbeit. Im Gegensatz zu Pflanzen, die bekanntlich nicht sehr gesprächig sind, genießen es viele Hühner, sich mit fleißigen Gärtnern ausgiebig zu unterhalten. Es ist schon ein Spaß für sich, auf dem Gartenrundgang von einem Kometenschweif eifriger kleiner Hennen verfolgt zu werden, die jeden Handgriff erwartungsvoll kommentieren. Man kann so entspannend nett mit den Mädels plaudern, denn Hühner verfügen über eine erstaunliche Fülle an Ausdrucksmöglichkeiten. Wissenschaftler haben bis jetzt mehr als dreißig verschiedene Lautäußerungen identifiziert, mehr als bei den meisten anderen Tieren, mit denen die Vögel nuanciert kommunizieren. Ihre Botschaften sind präzise: Jedes Huhn kann zum Beispiel dem Warnruf eines anderen genau entnehmen, ob eine vermutete Gefahr von Boden oder aus der Luft zu erwarten ist.

      Es gibt ruhigere Typen wie meine rundlichen Damen, aber auch ausgeprägte Plappertaschen, die kaum einen Schritt machen können, ohne ihn mit ihrem abwechslungsreichen Singsang zu begleiten. Besonders drollig sind da befreundete Hennenpaare, die jede Regung im Revier eifrig »besprechen« und mit ihren gereckten Hälsen und neugierig glänzenden Augen auf verblüffende Weise an genüsslich klatschende Cafegäste erinnern. Auch mit ihrem Menschen kommunizieren Hühner gerne, und ihre langgezogenen »Gaaacks« sind oft gar nicht so schwer zu übersetzen: »Buddel schneller, ich will endlich meinen Wurm!«, »Wann kommt die nächste Weintraube angeflogen?«, oder, gleich im ganzen Chor: »Na los, schmeiß uns schon mehr Kompost runter!« Und ein kurzes, ärgerliches Stakkato-»Ackackack!« weiß ich inzwischen auch zu deuten: Terrier Erbse, in Hühnerkreisen nicht wirklich beliebt, kommt etwas zu schnell um die Ecke – ihr könnte ja ein Leckerbissen entgehen.

      Ein so friedliches, entspanntes Hühnerleben wie das von Hermine, Henriette und ihrer kleinen Herde ist heute eine Seltenheit. Warum eigentlich? Sicher, Gallus gallus domesticus ist als Gattung Opfer des eigenen Erfolges geworden und wird das auch bleiben. Kein anderes Haustier ist dermaßen anpassungsfähig und gibt dem Menschen für so wenig so viel zurück, und keines wird zum Dank dermaßen rücksichts- und respektlos millionenfach misshandelt. Vom heiligen Vogel, vom stolzen Wappentier und dem magischen Wächter auf der Kirchturmspitze bis hin zum billigen Wegwerf-Protein – das ist ein bitterer, steiler Abstieg für einen jahrtausendelangen Begleiter.

      Aber das muss ja nicht alles sein. Noch zwingt uns niemand, auf Spaß und Nutzen eigener Hühner zu verzichten, und zum Glück scheint sich das Blatt tatsächlich wieder ein bisschen zu wenden: Auch außerhalb trostloser Produktionshallen gackert es immer häufiger. Immer mehr Gärtner finden Spaß an ein paar eigenen Hennen, an frischen Eiern von glücklichen Tieren und einem zusätzlichen Vergnügen draußen. Vor allem die englischsprachige Hühner- und Gartenliteratur boomt in Internet und Buchregal, bis hin zu genau ausgetüftelten Anweisungen, wie man die Gefiederten in verschiedenen Gartentypen oder als Recycling-Hilfe jeweils am effizientesten einsetzen kann. Aber auch unsere örtliche Hühnerschau verzeichnet hohe Besucherzahlen, und die Züchter berichten von großer Nachfrage nach ihren Junghennen.

      Alle Neu-Hühnerfreunde, mit den ich bisher gesprochen haben, haben eines gemeinsam: diese ansteckende Begeisterung. Keiner kann sich mehr vorstellen, wie man es eigentlich jemals ohne die schrägen Vögel ausgehalten hat? Der Garten muss doch todlangweilig gewesen sein, so ganz ohne diesen lebendigen Schuss Verrücktheit? Vielleicht hat der Trend ja recht: Vielleicht ist tatsächlich der Moment gekommen, alte Freunde aus einem unwürdigen Dasein zu befreien und sie, zu aller Nutzen, wieder dorthin einzuladen, wohin sie gehören: in den eigenen Garten.

Image Image

       Es werde Licht

      Mit dem letzten Winter kam das Wunder, auf das ich längst nicht mehr zu hoffen gewagt hatte: Die finstere Nadelreihe an meiner Gartengrenze fiel. Es war ein Dutzend riesiger, düsterer Fichten und Douglasien, in den sechziger Jahren gepflanzt als Mitkämpfer in einem Nachbarschaftsstreit, inzwischen das deprimierendste Handicap meines kleinen Gartens: eine schwarze Mauer über die gesamte Südseite, noch weit ausladend nach Ost und West, von August bis April jedes bisschen Licht verschluckend. Tendenz buchstäblich steigend, und entsprechend unerbittlich fraß die von Jahr zu Jahr vorrückende Düsternis den Garten. Vorhersehbare Tode: Meine älteren, inzwischen viel niedrigeren Obstbäume kümmerten nur noch, die meisten Strauchrosen starben nach langem Siechtum, was blieb, kränkelte mürrisch dahin. Selbst Schattenpflanzen sind in so einer Lage keine Option mehr. Mir ist jedenfalls keine begegnet, die unter einem dicken, alljährlich weiter herabregnenden Nadelteppich auch nur halbwegs gedeiht. Hätte mir früher jemand gesagt, dass es Bäume gibt, die ich regelrecht hassen würde, hätte ich sehr gelacht – aber genauso war es, zumal immer dieser bittere Frust dazukam: Mein Garten wurde mir einfach weggenommen – und ich konnte nichts dagegen tun.

      Und dann passierte es doch noch: die Horrorbotanik fiel. Wie ist das, wenn ein Wunder geschieht? Unbeschreiblich, also halten wir uns an die Fakten: Es war ein schmuddeliger Tag früh im Jahr, als es hier plötzlich hell wurde. Der Himmel kam wieder in Sicht, es wurde buchstäblich Licht, und es wurde mit jedem fallenden Baum lichter. Einer der größten Tage meines Gartens – und wer hätte je gedacht, dass der ausgerechnet in den Februar fällt? Ich brauchte lange, um mein Glück zu fassen, und dem Garten schien es ganz ähnlich zu gehen: Es sah aus, als blinzelten die kahlen Obstbäume unter der ungewohnten Helligkeit. Wenn das schon im Winter so überwältigend war, wie strahlend würde wohl erst der Frühling ausfallen …? Prompt erwischte mich, was in dieser Lage wohl jeden Gärtner erwischt hätte: der dringende Impuls, zum Saisonstart eine botanische Großbestellung aufgeben – nun, wo ich doch endlich wieder einen Garten hatte! Allerdings: Es war einer, den ich so überhaupt noch nicht kannte und der jetzt sozusagen falsch herum lag. Die überlebenden Schattenpflanzen hatten nun die offene Südseite, die, die ich auf die letzten Lichtflecken in Ost und West umgesiedelt hatte, drängten sich plötzlich an den dunkelsten Stellen. Der Kompost lag mitten in der Sonne, das Gewächshaus im Apfelbaumschatten, der bisher der lichteste Fleck auf dem Grundstück gewesen war. Und wie alles aussehen, wie Licht und Schatten fallen würden, sobald die Obstbäume austrieben, konnte ich zunächst nur ahnen. So verschob ich den grünen Konsumrausch aus schließlich schierer Neugier: Bevor ich umzubauen begann, wollte ich einfach sehen, was passieren würde, wenn im Revier buchstäblich die Sonne aufging, wenn die Letzten plötzlich die Ersten waren.

      Was dann geschah? So etwas wie das nächste Wunder: Alles startete durch, als gelte es, die verlorenen Jahre in einer Saison aufzuholen. Das erste Mal seit langer Zeit konnte ich mir wieder Tomatentöpfe auf die Südterrasse stellen, die sogar trotz eines nassen Sommers Früchte trugen. Die letzten Rosen blühten wie nie zuvor, und statt verpilzt zu schmollen, präsentierte der Weißwein an der Hauswand dicke süße Trauben. Mein kleiner Quittenbaum brachte nach acht Jahren Schattendasein die ersten samtigen Früchte. Die Hühner, ebenfalls jäh mit einem sonnigen Revier beglückt, besannen sich darauf, dass die Legeleistung von der Lichtintensität abhängt, und schütteten uns mit Eiern regelrecht zu. Sogar die Totgeglaubten kehrten zurück: Das arme Birnbäumchen, lange ein Muster für tapferen Überlebenswillen unter widrigsten Umständen, hatte den ungleichen Kampf aufgegeben, als der Nadelüberhang es regelrecht krummschubste. Seine Krone war bis auf zwei Rest äste abgestorben. Und jetzt, ganz unerwartet, hatte der jämmerliche Underdog in letzter Sekunde doch noch über die brutale Übermacht triumphiert. Seine beiden Äste badeten förmlich frei im Frühlingslicht, blühten duftig und trugen im Herbst sogar stolze drei Birnen. Der mickrige Stamm trieb kräftig neu aus, und so gibt es jetzt die begründete