Название | Das Antikrebs-Buch |
---|---|
Автор произведения | David Servan-Schreiber |
Жанр | Медицина |
Серия | |
Издательство | Медицина |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783956140839 |
Krebsgene sind womöglich nicht defekte Teile unserer biologischen Maschinerie, die uns dazu verdammen, krank zu werden. Im Jahr 2009 erschütterten unabhängig voneinander zwei Forschergruppen, die eine in Quebec, die andere in Kalifornien, unser bisheriges Verständnis der genetischen Ursachen von Brust- und Prostatakrebs und insgesamt die Vorstellung, dass unsere Gene festlegen, wie hoch unser Risiko ist, an Krebs zu sterben. Bei der Lektüre dieser Studien fühlt man sich an die traditionelle Vorstellung von »Ahnen« erinnert, wie man sie aus asiatischen Kulturen oder dem alten Rom kennt. In diesen Kulturen glaubte man, die Geister der Ahnen würden die Orte bevölkern, an denen sie gewohnt hatten. Wenn man die Ahnen nicht beständig mit Gaben von Nahrungsmitteln besänftigte, konnten sie alles mögliche Unheil über den Haushalt bringen. Krebsgene könnten sich ein bisschen wie solche »hungrigen Geister« verhalten: Sie zeigen sich nur und richten nur dann Unheil an, wenn wir vergessen, uns angemessen um sie zu kümmern.
An der Universität von Montreal untersuchte eine Forschergruppe um Dr. Parviz Ghadirian Frauen, die Trägerinnen der Brustkrebsgene BRCA-1 und BRCA-2 waren, zwei Gene, die viele Frauen in Angst und Schrecken versetzen, weil beinahe 80 Prozent der Trägerinnen im Lauf ihres Lebens an Brustkrebs erkranken. Viele Frauen, die erfahren haben, dass sie Trägerinnen sind, lassen sich lieber beide Brüste amputieren, als mit der nahezu sicheren Perspektive zu leben, dass sie eines Tages erkranken werden. Doch Ghadirian und sein Team stellten fest, dass bei manchen Trägerinnen der beiden Gene das Erkrankungsrisiko erheblich geringer war. Und was war ihre Beobachtung? Je mehr Obst und Gemüse diese Frauen aßen, desto geringer war ihr Erkrankungsrisiko. Bei den Frauen, die pro Woche bis zu 27 verschiedene Sorten Obst und Gemüse verzehrten (allem Anschein nach ist es wichtig, dass es möglichst viele verschiedene Sorten sind), war das Risiko um nicht weniger als 73 Prozent vermindert.6An der Universität von San Francisco kam eine Forschergruppe um Professor John Witte zu ganz ähnlichen Ergebnissen bei Prostatakrebs.7 Bestimmte Gene triggern eine extreme Anfälligkeit für Entzündungsprozesse und regen langsam wachsende Mikrotumoren der Prostata an, sich zu aggressiven, metastasierenden Krebstumoren zu entwickeln.III Doch wenn die Männer, die Träger dieser Gene waren, mindestens zweimal pro Woche fetten Fisch mit viel Omega-3 konsumierten, blieben die Gene unter Kontrolle. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Tumoren aggressiv wurden, war fünfmal geringer als bei den Männern, die überhaupt keinen Fisch aßen.
Diese neuen Erkenntnisse sprechen für die Annahme, dass »Krebsgene« nicht so gefährlich sind, solange sie nicht durch unseren ungesunden Lebensstil aktiviert werden. Sie verhalten sich ein bisschen wie die jähzornigen Geister der Ahnen, die regelmäßige Opfergaben verlangen, damit sie ruhig bleiben. Tatsächlich sind es vielleicht einfach Gene, die nicht gut mit dem Übergang von der Ernährungsweise unserer Vorfahren, die perfekt an die Bedürfnisse unseres Organismus angepasst war, zu unserer modernen Ernährung mit vielen industriell hergestellten und verarbeiteten Produkten (siehe Kapitel 6) zurechtgekommen sind. Das würde beispielsweise erklären, warum vor dem Zweiten Weltkrieg geborene Frauen, die Trägerinnen des Brustkrebsgens BRCA sind, ein zwei- bis dreimal geringeres Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken, als ihre in der Fastfood-Ära geborenen Töchter und Enkelinnen.8 Vielleicht sind diese so sehr gefürchteten Gene letztlich gar keine »Krebsgene«, sondern eher »Fastfood-Unverträglichkeitsgene«. Entsprechendes könnte auch für andere Lebensstilfaktoren wie Bewegung und den Umgang mit Stress gelten.
Abbildung 2: Die Fähigkeit, die Entwicklung von Prostatakrebszellen zu hemmen, ist im Blut der Männer, die an Dr. Ornishs Programm teilnahmen, siebenmal höher als im Blut der Männer, die ihren Lebensstil nicht änderten.
Die Immunzellen im Blut gingen umso aktiver gegen die Krebszellen vor, je eifriger die Männer Dr. Ornishs Ratschläge befolgten und in ihrem Alltag anwandten. Damit war der Beweis für einen Zusammenhang zwischen einem veränderten Lebensstil und der gehemmten Entwicklung von Krebszellen eindeutig erbracht.
Abbildung 3: Je rigoroser das Programm umgesetzt wird, desto besser kann das Blut der Patienten das Wachstum der Prostatakrebszellen hemmen.
Kurzum, die Statistiken zur Überlebensrate bei Krebs unterscheiden nicht zwischen Patienten, die das Urteil der Ärzte passiv hinnehmen, und Patienten, die ihre eigene natürliche Abwehr mobilisieren. Die Patienten, die weiter rauchen, sich krebserregenden Substanzen aussetzen, sich typisch westlich ernähren (was, wie wir noch sehen werden, Krebs begünstigt), ihre Immunabwehr mit zu viel Stress und unbewältigten Gefühlen belasten oder ihren Körper im Stich lassen, indem sie sich zu wenig bewegen, werden ebenso vom »Median« erfasst wie die Patienten, die wesentlich länger leben. Deren erhöhte Lebensdauer ist aller Wahrscheinlichkeit nach darauf zurückzuführen, dass sie zusätzlich zur konventionellen Behandlung ihre natürliche Abwehr mobilisiert haben. Sie haben für sich den harmonischen Umgang mit vier grundlegenden Regeln gefunden: Entgiftung von krebserregenden Substanzen, eine Antikrebs-Diät, Bewegung und die Suche nach dem inneren Gleichgewicht.
Kein natürlicher Ansatz allein kann Krebs heilen. Aber Krebs bedeutet auch nicht, dass man sein Schicksal kampflos akzeptieren muss. Wie Stephen Jay Gould können wir die Statistik ganz nüchtern betrachten und uns die rechte Seite der Kurve mit ihrem langen Verlauf zum Ziel setzen. Und zu diesem Ziel führt kein besserer Weg, als zu lernen, wie wir die Ressourcen unseres Körpers so nutzen, dass wir ein erfülltes, langes Leben führen.
Nicht jeder geht diesen Weg aufgrund einer bewussten Entscheidung; manchmal zwingt uns eine Krankheit zum Umdenken. Im Chinesischen wird der Begriff »Krise« als Kombination der beiden Zeichen für »Gefahr« und »Chance« geschrieben. Krebs ist so bedrohlich, dass er uns blind für alles andere machen kann; wir begreifen nur mühsam die Chance. Meine Krankheit hat mein Leben in vielerlei Hinsicht zum Guten verändert, und das auf eine Art, die ich mir nicht vorstellen konnte, als ich dachte, mein Todesurteil sei gesprochen. Es begann kurz nach der Diagnose …
I | Stephen Jay Gould schildert seine Reaktion auf die Krebsstatistik in einem ausgezeichneten Aufsatz mit dem Titel »The Median isn’t the Message« (»Der Median ist nicht die Botschaft«). Er ist im Internet auf der Website www.cancerguide.org zu finden (auf Englisch). Dank an Steve Dunn und seine Website www.cancerguide.org, die diese Information einer breiten ÷ffentlichkeit zugänglich machen. |
II | Das ist allerdings keine wissenschaftliche Studie; die Zahlen stammen aus der Nachbeobachtung der Patienten, die an dem Programm teilgenommen haben. |