Das Beste aus meinem Leben. Axel Hacke

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Название Das Beste aus meinem Leben
Автор произведения Axel Hacke
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783888976193



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ich dachte noch, vielleicht macht er ja mal eine Heißmangel auf, er hätte es im Blut. Möglicherweise, dachte ich noch, wird er ja auch Bundeskanzler oder Rennfahrer oder Journalist oder irgendetwas, das ich mir gar nicht vorstellen kann.

      Ich flüsterte ihm ins Ohr:

      »Du schaffst das schon, alles. Das Leben ist ein Abenteuer!«

      Paola sah mich kurz an, gab ihm einen Kuss, sah mich wieder an und fragte müde:

      »Was hast du gerade gesagt?«

      Findst du mich denn gar nicht bello?

      Wissen Sie, wer mir vollkommen wurscht ist? Alain Delon ist mir vollkommen wurscht.

      Sie können sich gar nicht vorstellen, wie egal mir Alain Delon ist.

      Alain wer? ist? das? überhaupt?

      Die neue zweite Kraft bei »Serge, le Coiffeur« in der Sendlinger Straße? Der Favorit im dritten Daglfinger Rennen? Ein Deodorant-Stift von Gillette?

      Kann mich nicht erinnern.

      Einmal kam ein junger Bursche in die Bar des italienischen Dorfs, das wir in den Ferien immer besuchen. Er war anscheinend nicht aus der Gegend und fragte die verrückte Alte, die oft im geblümten Kittel am einzigen Tisch sitzt, ob er sich setzen dürfe, und sie sagte:

      »Wenn du Alain Delon wärst…«

      »Was wäre dann?«

      »Wenn du Alain Delon wärst, dann würde ich mir das Gebiss rausnehmen und dir einen…« (Entschuldigung, für das letzte Wort hat leider mein Italienisch nicht gereicht.)

      Toll, was Alain Delon für Frauen haben kann, was?

      Na, wie gesagt, mir ist er egal.

      Wie komme ich überhaupt auf seinen Namen?

      Ich komme darauf, weil ich sehr oft zusammen mit der Frau meines Lebens Filme anschaue, sagen wir, nur ein Beispiel, Die Farbe des Geldes mit Paul Newman. Wir sitzen zusammen auf dem Sofa, und ich schaue und schaue, und Paola schaut und seufzt, und ich schaue zu ihr, und sie schaut zu Paul Newman und seufzt, und ich schaue wieder auf den Bildschirm, und sie auch und seufzt, und ich schaue wieder zu ihr, und sie seufzt, den Blick auf Paul Newman gerichtet. Und ich frage:

      »Was seufzt du eigentlich dauernd so?«

      Und sie seufzt.

      »Sag’s ruhig«, sage ich ruhig, »kannst es ruhig sagen.« Und sie seufzt.

      »Ach«, sagt sie dann seufzend und schaut mich an, als Paul Newman einmal kurz nicht auf dem Bildschirm zu sehen ist, »wie souverän er ist…«

      Und ich seufze.

      Dann nehme ich meine Rhett-Butler-Maske aus dem Schrank, tanze ein paar Schritte durch das Zimmer und singe das Lied aller Männer, die mit ihrer Frau zusammen Filme anschauen:

      »Bin nicht Brad, bin nicht Pitt,

      bin nur Du-hu-hurchschnitt.

      Bin nicht Al, nicht Pacino,

      sitz nur neben dir im Kino.

      Bin nicht Redford, nicht Marcello –

      findst du mich denn gar nicht bello?«

      Klasse, oder? Aber jetzt hören Sie den Refrain:

      »Bin nicht Clark, bin nicht Gable,

      aber ich hab’ einen Faible:

      für dich!

      Bin nicht Cary, bin nicht Grant,

      aber mein Herz, das brennt:

      für dich!«

      Jedenfalls ist es besser, als es zu machen wie mein Onkel Heinz. Vor vielen Jahren sah meine Tante Elma einmal Omar Sharif in Doktor Schiwago. Wochenlang sprach sie bei jeder Gelegenheit von Omar, seiner Leidenschaft und Männlichkeit, so lange, bis der Onkel mit rotem Kopf in den Keller rannte, sich eine Axt holte und im Garten eine mittelgroße Tanne fällte, bei jedem Hieb brüllend: »Doktor Schiwago! Doktor Schiwago!«

      Das ist lange her. Onkel Heinz ist schon tot, Tante Elma lebt bei ihrer Tochter und den Enkeln, und Omar ist wahrscheinlich auch schon Opar.

      Wie hieß jetzt noch mal dieser Typ, der mir völlig schnuppe ist?

      Richtig: Alain Delon. Was also nun Alain Delon angeht, so hatte ich kürzlich einen kleinen Streit mit meiner Frau, in dessen Verlauf ich mich sehr erregte, zu allerlei Unverschämtheiten verstieg, schließlich sogar das Haus verließ, um in einem Lokal in der Nähe zu trinken, dann zurückkehrte, mich weiter in der Wortwahl vergriff, bis Paola mich schließlich anschrie:

      »Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Alain Delon, oder was?«

      Gut, dass mir ausgerechnet Alain Delon so total gleichgültig ist.

      Ein Kühlschrank hat Angst

      Ich saß mal wieder nachts in der Küche und starrte aus dem Fenster in den Hinterhof und auf das gegenüberliegende Haus, in dem gerade das letzte Licht hinter einem Fenster im vierten Stock erloschen war. Es war die Stunde, in der ich mich oft mit Bosch unterhalte, meinem sehr alten Kühlschrank und Freund. Ich trank Rotwein.

      »Ich hätte auch gerne mal Rotwein«, sagte Bosch. »Nie stellst du Rotwein in mich rein.«

      »Rotwein ist nichts für Kühlschränke«, antwortete ich, »und Kühlschränke sind nichts für Rotwein.«

      Sein Motor brummte ein bisschen mürrischer als sonst, und ich fügte hinzu: »Ich habe gelesen, dass es bald Kühlschränke mit eingebautem Computer geben wird. Sie werden an das Internet angeschlossen und können selbständig im Supermarkt Nachschub bestellen, wenn keine Butter mehr da ist oder keine Erdbeermarmelade. Und wenn das Verfallsdatum der Milch abgelaufen ist, bestellen sie auch Milch. Solche Kühlschränke könnten sich auch selbst Rotwein kommen lassen.«

      »Und wie kommt die Butter dann hierher und der Wein?«, fragte Bosch.

      »Ein Bote bringt sie«, sagte ich.

      »Schade«, sagte Bosch. »Es wäre doch schön, wenn die Kühlschränke auch selbst einkaufen gehen würden. Sie könnten in die Geschäfte gehen und Butter, Milch und Marmelade holen, und an der Kasse würden sie ihre Tür öffnen, und die Kassiererin könnte gleich alles in ihren Leib hineinstellen. Sie bräuchten nicht einmal einen Einkaufskorb.«

      »Aber wie willst du in den Supermarkt kommen?«, fragte ich. »So ein langes Elektrokabel gibt es nicht.«

      »Man bräuchte halt einen Akku, der sich auflädt und zwei, drei Stunden hält«, sagte Bosch. »Ich habe gehört, dass es Akkus gibt. Der kleine Black & Decker hat es mir erzählt, der Tischstaubsauger, weißt du. Er hat selbst einen Akku.« Er seufzte. »Man würde auch mal andere Kühlschränke kennenlernen. Wir könnten uns beim Einkaufen treffen und über alles reden. Ich habe gehört, dass es auch Kühlschränke gibt, die Siemens heißen oder Liebherr. Und ich würde so gerne mal in ein Geschäft gehen und selbst einkaufen. Ich war noch nie in einem Geschäft, außer in dem Laden, in dem du mich gekauft hast, damals.«

      Ich machte seine Tür auf, um mir ein Stück Käse zu nehmen. Er atmete mich kühl an, wie immer, aber irgendwie kam es mir vor, als leuchte er besonders hell, wenn er so erzählte. Er hat ja wirklich nur mich zum Reden und ein paar Elektrogeräte in der Küche. Aber die meisten mag er nicht: Der Herd sei ein Idiot, sagt er immer, alle Herde seien Idioten, und die Mikrowelle sei schon gar nicht sein Fall, ein hysterisches junges Ding, das ihn anschwärme, weil er so cool sei, immer so herrlich cool. Ich hatte auch gelesen, dass ein Professor in den USA beabsichtige, nicht mehr bloß Herzen und Lebern, sondern auch Köpfe zu verpflanzen. Eines Tages wird es soweit sein, dass man Köpfe auf Kühlschränke verpflanzt, dachte ich, und Beine wird man auch dranmachen, und dann wird so ein Bosch mit ins Wohnzimmer