Название | Borgo Sud |
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Автор произведения | Donatella Di Pietrantonio |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783956144714 |
Adrianas Viertelstunde zog sich hin, wollte nicht enden. Dann war sie plötzlich um, und die Zeit begann zu rasen. Ich sah Adriana tot, mit einem Messer in der Brust, erwürgt oder einfach zufällig von jemandem überfahren, da sie das Laster hatte, auf die Straße zu laufen, ohne sich umzusehen. Schon immer hatte ich Angst um sie gehabt, so leichtsinnig und fahrig, wie sie war. Als junge Mädchen hatten wir ein paar Jahre zusammengewohnt. Ich stand damals kurz vor dem Examen, saß abends am Küchentisch und lernte unter der runden Neonlampe. Adriana kam und kam nicht heim. Gegen zwei, drei Uhr morgens sank mein Kopf auf die Bücher, erschöpft vom Warten auf ein winziges Geräusch: das Drehen ihres Schlüssels im Schloss, den Beweis, dass sie wieder eine Nacht voller Abenteuer in der Stadt überlebt hatte.
Wie lange sollte ich auf sie warten? In dem gnadenlosen Licht schien sich die Vorahnung ihrer letzten Worte schon bewahrheitet zu haben: Zu Hause passte Piero auf das Kind auf, das unterdessen bestimmt aufgewacht war.
Als sie unvermutet an der Autotür stand, wusste ich nicht einmal, woher sie gekommen war. Unterm Arm trug sie einen in Zeitungspapier gewickelten Gegenstand.
»He, willst du noch länger hier rumstehen?«, herrschte sie mich sofort an.
Sie nahm den Hut ab und legte ihn vorsichtig hinten auf den Gegenstand, den sie noch geholt hatte. Zwischen den wenigen Millimetern Haar, die auf ihrem Kopf nachgewachsen waren, funkelten lauter Schweißtropfen wie winzige Brillanten.
Bis zur Brücke über den Fluss schwiegen wir, im wütenden Verkehr des Sommernachmittags. Adriana hatte meine Sandalen ausgezogen und die Füße auf die Lüftungsklappe gestützt.
»Wer weiß, ob Vincenzo bei Piero geweint hat«, sagte ich leise.
»Dein Mann kann gut mit Kindern umgehen«, erwiderte sie nachdenklich.
»Und Rafael? Ist er der Vater?«
»Als er noch da war, hat er immer mit Vincenzo rumgetollt.« Bei der Erinnerung zitterte ihre Stimme.
»Und wo ist er jetzt?«, fragte ich.
Zum Kaufhaus Upim hingewandt, um ihre Tränen zu verbergen, bedeutete sie mir mit der linken Hand, sie nicht weiter zu bedrängen.
»Was war denn noch so Wichtiges im Haus?«, fragte ich nach ein paar Minuten, als wir an der Ampel standen.
»Das wirst du gleich sehen.« Adriana streckte sich zum Rücksitz hin.
Sie riss das Papier ab, es schien sich um ein Bild zu handeln, so von der Seite betrachtet. Der große Vincenzo, wie sie ihn nun nannte, lehnte neben seinem Freund, dem Zigeuner: sie lächelten in Schwarz-Weiß, beide mit einer Zigarette zwischen den Fingern. Im Hintergrund unscharf das sich drehende Karussell, und dann eine Wiese unter dem heiteren Himmel. Ein paar Monate nach der Beerdigung hatte ein anderer Zigeuner dieses Foto gebracht, und Adriana hatte es für sich beansprucht. Im Dorf hing es an der Wand gegenüber von unserem Bett, wir sahen es jeden Morgen beim Aufwachen.
Aus dieser Wohnung, die ganz ihr selbst gehörte, hatte sie sich ein Stück unserer Erinnerungen zurückgeholt.
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