Psychologie. Hans P. Langfeldt

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Название Psychologie
Автор произведения Hans P. Langfeldt
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783846386255



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wir an, Sie befinden sich nachts gegen halb ein Uhr in einer dunklen Straße auf dem Nachhauseweg. In der Ferne kommt Ihnen ein Mann torkelnd und lallend entgegen. Sie wissen aus Ortskenntnis, dass um die nächste Straßenecke eine Kneipe liegt, in der es häufiger schon zu Prügeleien kam. Vermutlich werden Sie nun annehmen, der entgegenkommende Mann sei betrunken. Möglicherweise halten Sie Betrunkene für unberechenbar und eher aggressiv. Weil Sie fürchten, angerempelt zu werden, wollen Sie einer Begegnung aus dem Wege gehen und wechseln die Straßenseite.

      Anders sieht für Sie die Situation aus, wenn der torkelnde und lallende Mann sich erkennbar in Richtung der beleuchteten Notdienst-Apotheke bewegt. Möglicherweise glauben Sie jetzt, dass er Hilfe gebrauchen kann und gehen auf ihn zu.

      Die meisten Menschen bewältigen ihre sozialen Schwierigkeiten oder persönlichen Krisen mit ihren eigenen Mitteln. Sie scheinen also durchaus effektive Alltagstheorien über soziale Sachverhalte zu besitzen. Diese Schlussfolgerung verführt leicht zur Auffassung, man könne auf eine wissenschaftliche Psychologie verzichten, da man von ihr nur höre, was man ohnehin schon wisse.

      Tatsächlich kann man als Psychologe häufig die Erfahrung machen, dass Laien nach der psychologischen Erläuterung eines Sachverhaltes antworten: »Na und? Das habe ich schon immer gewusst!« (Langfeldt 1989) – Oder aber: »Das glaube ich nicht! So ist das nicht!« Laien neigen offensichtlich dazu, es immer schon oder gar besser zu wissen. Auf einem Kongress der wissenschaftlich tätigen Psychologen hat dies einmal zu folgender Klage geführt:

      »Sie (die Psychologie, der Verf.) gehört ja zu jenen Gebieten, über die sich alle Welt rasch ein Urteil zutraut. Schließlich ist unsere Umgangssprache auch so ›vollgesogen‹ mit psychologischen Erklärungsmustern und Denkschemata, dass sich die Psychologisierung von Sachverhalten kaum vermeiden lässt, und es schwer fällt, nicht andauernd den Maßstab des psychologischen Vorverständnisses an die Welt (und damit auch an die wissenschaftliche Psychologie) anzulegen. Man achte nur einmal darauf, wie selbstverständlich Wörter wie ›motiviert‹, ›frustriert‹, ›aggressiv‹ etc. verwendet werden, so als ob damit ganz bestimmte reale Tatbestände erfasst wären, und nicht bloß auf psychologische Konstrukte Bezug genommen würde. Es ist deshalb eigentlich nicht erstaunlich, dass Laien meinen, auch Psychologen selbstverständlich darüber belehren zu können, wie ein bestimmtes Phänomen psychologisch zu erklären sei. Und tatsächlich gibt es ja kaum einen Juristen, dem nicht ein ganzes Arsenal psychologischer Theorien zu Gebote stünde, wenn es darum geht, Gründe dafür zu finden, weshalb jemand etwas Bestimmtes getan oder nicht getan hat. Da gibt es kaum einen Mediziner, kaum einen Architekten, kaum einen Literaturwissenschaftler, kaum einen Ökonomen, und eigentlich auch sonst niemanden, der nicht über die Motive handelnder Personen Bescheid wüsste. Wir stehen immer einer Mauer unerschütterlicher Vorverständnisse gegenüber, durch die vorgeformt ist, was als ›sinnvolle‹ und ›mögliche‹ psychologische Erklärung zu gelten hat und was nicht. Nicht wir sind die anerkannten Experten menschlichen Verhaltens, sondern alle anderen« (Foppa 1989, S. 6 – 7).

      Spätestens jedoch, wenn man selbst unüberwindlich und hartnäckig in Schwierigkeiten geraten ist oder wenn man jemand anderen aus solchen Schwierigkeiten heraushelfen möchte, stellt sich heraus, dass man mit den eigenen Vorstellungen und Alltagstheorien nicht immer so erfolgreich ist, wie man es sein möchte. Scheinbar bewährte Rezepte, Strategien oder gar Tricks funktionieren nicht mehr. Dann ist psychologisches Wissen gefragt und notwendig, das solche Wege weist wie die wissenschaftliche Psychologie.

      Wissenschaftliche Psychologie liefert Beschreibungen und Erklärungen für das Erleben und Verhalten von Menschen, die dazu beitragen sollen, das soziale Leben verstehbar zu machen. Das Ziel solcher Beschreibungen und Erklärungen ist es, sich selbst und andere genauer, angemessener und differenzierter wahrzunehmen und dadurch Handlungsräume zu erweitern und Probleme in neuem Licht sehen zu können.

      Unter dieser Zielsetzung möchten wir in diesem Buch eine Einführung in psychologische Denkweisen über den Menschen geben und Sichtweisen zu wesentlichen Facetten des Erlebens und Verhaltens von Menschen vorstellen.

      Das Nachdenken über das Erleben und Verhalten von Menschen hat eine lange Tradition, aus der sich die Psychologie als empirische Wissenschaft in ihrer heutigen Gestalt herausgebildet hat. Im zweiten Kapitel wird diese Tradition in ihren wichtigsten Linien nachgezeichnet, um dann deutlich zu machen, wodurch sich psychologische Erkenntnis von anderen Erkenntnisformen menschlichen Erlebens und Verhaltens unterscheidet und auszeichnet. Dabei wird sich zeigen, dass es im Bereich der Psychologie durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen über die Gegenstände, Ziele und Vorgehensweisen psychologischer Erkenntnisgewinnung gibt.

      Im Mittelpunkt psychologischer Betrachtung steht der Mensch – genauer: die menschliche Individualität. Im dritten Kapitel beschäftigen wir uns mit diesem Grundgedanken genauer. Zunächst wird deutlich gemacht, welchen Stellenwert der Gedanke individueller Persönlichkeit in unserer zivilisatorischen Entwicklung hat und wie es dazu gekommen ist. Danach werden verschiedene Betrachtungsweisen von Persönlichkeit vorgestellt, die in der Psychologie von besonderem Einfluss sind.

      Wir begreifen das Erleben und Verhalten eines Menschen eingebunden in zwei wesentliche Zusammenhänge: zum einen in den Zusammenhang seiner lebensgeschichtlichen, biographischen Entwicklung, und zum anderen in den Zusammenhang der sozialen, zwischenmenschlichen Bezüge und Beziehungen, in denen er lebt.

      Entsprechend geht es im vierten Kapitel darum, die wichtigsten Entwicklungsgesichtspunkte aufzuzeigen, die einen Menschen zu dem machen, was er ist. Auch zu dieser Frage gibt es innerhalb der Psychologie sehr unterschiedliche Antworten bzw. Entwicklungstheorien. Wir stellen vier wichtige Ansätze vor und beschäftigen uns dann speziell mit Fragen des Lernens und der Erziehung als einem gesellschaftlich wichtigen Motor der Entwicklung.

      Das Erleben und Verhalten von Menschen erklärt sich auch aus den Begegnungen mit anderen Menschen und den wechselseitigen Beeinflussungsprozessen, die in solchen Begegnungen stattfinden. Daher steht im fünften Kapitel das Thema Interaktion und Kommunikation im Mittelpunkt. Die Grunddimensionen sozialer Interaktion werden erläutert und der Einfluss sozialer Interaktion auf unsere Verfasstheit als gesellschaftliches Wesen wird dargestellt.

      Soweit sind die Grundlagen für ein psychologisch fundiertes Verständnis des Erlebens und Verhaltens von Menschen gelegt. Auf dieser Grundlage können wir uns dann zwei klassischen Anwendungsfeldern psychologischen Wissens zuwenden – der Psychologischen Diagnostik (sechstes Kapitel) und der Psychologie der Intervention (siebtes Kapitel). Am Ende spitzen wir im achten Kapitel die Zielsetzung dieses Buches auf den speziellen Fall sozialpädagogischer Tätigkeit zu. Dazu werden ausgewählte Arbeitsbereiche dieser Tätigkeit vorgestellt, um an ihnen zu demonstrieren, wie die dargestellten psychologischen Erkenntnisse zu einem genaueren Selbstverständnis sozialpädagogischer Tätigkeit beitragen können.

      Wenn wir den Anspruch dieses Lehrbuches bildlich darstellen, dann fällt uns eine Wanderkarte ein, in der Aussichtspunkte eingezeichnet sind. Von ihnen aus kann man einen Landstrich unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten und jeweils neu entdecken. Will der Wanderer jedoch wissen, wie eine Aussicht wirklich ist, dann muss er sich selbst auf den Weg machen. Ein Lehrbuch bietet Aussichtspunkte an. Aber so wie die Karte dem Wanderer nicht den Weg abnimmt, so kann auch dieses Buch es den Lesern und Leserinnen nicht ersparen, in der Praxis selbst herausfinden zu müssen, ob eine bestimmte Sichtweise lohnend ist oder nicht.

      2. Psychologie als Wissenschaft

      In diesem Kapitel erläutern wir, was es bedeutet, psychologische Erkenntnisse als wissenschaftliche Erkenntnisse zu betrachten.

      Zu diesem Zweck berichten wir zunächst, wie Psychologie als Wissenschaft zustande kam und sich entwickelt hat (2.1.). Im Verlauf dieser Geschichte hat sich die Psychologie in Spezialgebiete ausdifferenziert, die wir anschließend vorstellen (2.2.). Den Prozess der Erkenntnis psychologischen Wissens beschreiben wir in allgemeiner Weise (2.3.). Darüber, wie der Wissenschaftscharakter der Psychologie zu bestimmen ist, gibt es durchaus unterschiedliche