Название | Rund um das Bett der Anna von Österreich |
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Автор произведения | Walter Brendel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783966511384 |
Vier Jahre später muss der König gezwungen werden, die Prozedur zu wiederholen. Alle Welt treibt ihn dazu, mit den derben Scherzen jener Epoche, in der sich Brautfeste im allgemeinen Trubel abspielen. Am 21. Januar 1619 findet die Verlobung von Christine von Frankreich, der Schwester Ludwigs XIII., mit Viktor Amadeus von Savoyen statt. In einer für heutige Begriffe erstaunlich freizügigen Redeweise, vor al-lem im Mund eines Diplomaten, sagt der Nuntius zum König: „Sire, ich glaube, Sie sollten die Schande nicht hinnehmen, dass Ihre Schwester einen Sohn bekommt, bevor Eure Majestät einen Dauphin hat.“
Diese Predigt wurmt Ludwig XIII. Am 20. Januar heiratet seine natürliche Schwester, Mademoiselle de Vendome, den Herzog von Elboeuf. Am Abend nach dem Souper begibt er sich zu der Jungverheirateten, „um sie von der Sache abzuhalten“, schreibt der Arzt Heroard in seinen Aufzeichnungen. Aber nicht, um ihr, wie bei solchen Gelegenheiten üblich, aus Spaß das Bett durcheinanderzubringen oder Juckpulver hineinzustreuen. Er braucht eine Vorführung. Er wohnt dem Vollzug der Ehe bei. Die junge Frau hat weder die Feinfühligkeit noch die Komplexe ihres Halbbruders. Nach dem Liebesakt gurrt sie wie eine Taube und sagte „Sire, machen Sie dasselbe mit der Königin, und es wird Ihnen gut bekommen.“
Ludwig XIII., gemalt von Philippe de Champaigne
Als im ganzen Jahr 1618 also nichts geschah, herrschte in Paris große Aufregung unter bestimmten ausländischen Gesandten, wenn auch im Flüsterton und mit verdeckten Worten. Philipp III. fühlte sich durch die beunruhigenden Nachrichten aus Paris in seiner königlichen Ehre und seiner väterlichen Liebe empfindlich gekränkt, denn er hing an seiner Tochter weitaus mehr als Maria von Medici an der ihren. Er suchte den Nuntius auf, und im Beisein des Paters Arnoux, des königlichen Beichtvaters, beratschlagte das Trio. Der spanische Gesandte fragte zunächst bei Ludwig nach, ob die Ehe vollzogen wurde. Seine Frage wurde verneint.
Und ein weiterer Grund für Ludwig war, dass der spanische Gesandte, der täglich zu jeder Stunde freien Zutritt zu seiner Gemahlin hat, und annähend hundert iberischen Damen, die ihn offen verachteten, die ständige Umgebung der Königin bildete. Wem wundert es, dass der König die Gemächer der Königin als ein Klein-Spanien ansah und wenig Lust verspürt hat, sich dort hineinzubegeben.
Ludwig war gegen Monteleone und die spanischen Damen so erzürnt, dass er die arme junge Königin nicht mal wenigstens fünf Minuten am Tag besuchte. Trotzdem trug die gute Arbeit des Paters Arnoux bei Anna bereits Früchte. Luynes war für eine Annäherung des königlichen Paares mittlerweile ganz gewonnen, zumal da Madame de Luynes die engste Freundin Annas von Österreich geworden war und eine intimere Verbindung der Gatten die Gunst des Günstlings nur begünstigen konnte.
Luynes also bemühte sich aufs Neue, und lud Ludwig hatte auf sein Schloss Lesigny-en-Brie ein. Und weil es ihm wenig ausmachte, den Louvre und Klein-Spanien hinter sich zu lassen, nahm er die Einladung freudig an, einige Tage im Schloss seines Favoriten zu verbringen. Tatsächlich blieb er über einen Monat, vom elften September bis zum sechsundzwanzigsten Oktober, und feierte dort seinen siebzehnten Ge-burtstag. Am fünfzehnten September traf die Königin ein, mit Gott sei Dank sehr begrenztem Gefolge. Luynes hat dieses Beisammensein des Königspaares regelrecht organisiert, in der Hoffnung, die beiden Gatten einander näherzubringen. Trotzdem, als Anna von Österreich der Karosse entstieg, empfing Ludwig sie zwar mit größter Höflichkeit, aber ohne dass sein Gesicht die mindesten Gefühle zeigte.
Es war ja kein Geheimnis, dass die Umgebung der Königin ihn bisher von ihr fernhielt, um es vorsichtig auszudrücken – ein Fernhalten, unter dem die Königin litt. Deshalb verfügte der König nun, die spanischen Damen ebenso zurückzuschicken wie er auch das Besuchsrecht des spanischen Gesandten beschnitt. Wie damals, als seine Mutter in die Verbannung nach Blois ging, sah Ludwig wortlos zu, wie die Karossen der spanischen Damen am vierten Dezember 1618 sich entfernten.
Mit einer Woche Unterschied waren König und Königin im selben Alter, und beide würden in sieben Monaten ihr achtzehntes Jahr erreichen. Das Schlimme war aber, dass sie gegeneinander so bittere Gefühle hegten. Und das war ein Jammer, denn Ludwig mangelte es nicht an Ansehnlichkeit, er hatte einen kräftigen Körper und ein männliches Gesicht, und wenn Anna auch nicht die Schönheit war, die von den Malern und Hofpoeten in den Himmel gehoben wurde, fand ich sie doch hübsch und anziehend mit ihrem reichen und lockigen blonden Haar, ihren großen blauen Augen, ihrem kleinen Purpurmund und ihrem sehr anmutig gebildeten Gesicht. Wollte man strenger sein, was ich freilich nicht war, hätte man bemängeln können, dass die Nase im Verhältnis zur Gesamtheit ihrer Züge ein bisschen groß war. Der Seele oder dem Geist, wie man will, der diese reizende Hülle bewohnte, eigneten sprudelnde Fröhlichkeit, ursprüngliche Lebhaftigkeit, weiblicher Charme und gegebenenfalls viel liebendes Empfinden; woran es aber fehlte, waren Gewandtheit, Besonnenheit und Urteil.
Als verlassene Gemahlin, bevor sie überhaupt erobert worden war, litt sie schwer unter dieser Kränkung sowohl in ihrem Stolz wie in ihrem Fleisch. Wäre sie jedoch klüger gewesen, hätte sie bei diesen täglichen Besuchen trotzdem nicht auf Ludwigs verlegene Komplimente in jener frostigen, distanzierten, geradezu hochfahrenden Weise geantwortet, die sie an den Tag legte. Denn für Ludwig war dieses Betragen ein zusätzlicher Panzer, der ihm diesen Körper, der ihm ohnehin Angst machte, noch uneinnehmbarer erscheinen ließ.
Aber es hätte zweifellos größerer Erfahrung bedurft, als sie sie haben konnte, oder aber der Einfühlung, um zu verstehen, dass von ihnen beiden er der am meisten Bangende war und dass sie besser Verführung und Zärtlichkeit angewandt hätte, als sich hinter ihrem kastilischen Hochmut zu verschanzen.
Am Donnerstag, dem vierundzwanzigsten Januar 1619, gegen 23.00 Uhr erfolgte ein Theatercoup. Monsieur de Luynes trat ein, ging stracks auf das Bett des Königs zu, fasste ihn mit beiden Händen bei den Schultern und sagte, indem er ihn schüttelte, mit starker Stimme: »Pfui, Sire, Ihr werdet jetzt nicht schlafen! Versprochen ist versprochen! Sofort erhebt Ihr Euch und geht zur Königin!«
„Ich will nicht! Ich will nicht!“ schrie Ludwig und versuchte sich loszumachen.
Ein Diener und Luynes fasste Ludwig gefolgt von Berlinghen mit dem Degen des Königs, hoben sie Seine Majestät hoch und schleppte ihn quasi bis zum Zimmer der Königin und über die Schwelle bis vor ihr Lager.
Ludwig XIII., gemalt von Peter Paul Rubens
Es waren außer der Königin, die erwacht war und blickte, als wären alle vom Mond gefallen, nur eine sehr alte spanische Kammerfrau und Madame du Bellier, die Erste Kammerfrau, zugegen.
Man gab dem König die Freiheit kurz vor dem Himmelbett wieder, in dem Anna ruhte. Der Leuchter zu ihren Häupten umgab ihre blonden Haare mit einer Aureole. Bei unserem Eintritt kreuzte sie die Hände über ihrer Brust und setzte sich auf, wobei ihre großen blauen Augen vor Überraschung gleichsam aus den Höhlen traten. Ludwig schien bei ihrem Anblick von Bewunderung ergriffen, weil er sie aber betrachtete, ohne einen Ton zu sagen, ohne sich zu rühren oder sich ihr weiter zu nähern, zog Luynes ihm vor Ungeduld im Handumdrehen das Nachtgewand aus und hob ihn, als er nackt war, in seinen Armen hoch, ohne dass Ludwig diesmal den geringsten Widerstand leistete. So trug er ihn zum Bett seiner Gemahlin und legte ihn dort nieder. Hierauf wich er behände zurück und befahl der ganzen Gesellschaft, das Zimmer zu verlassen. Nur Madame du Bellier ließ er bei dem Paar, die ja notwendig bleiben musste, damit sie am nächsten Tag bezeugen konnte, was geschehen war.
Um zwei Uhr nachts kam der König in sein Bett zurück. Héroard, der ehrwürdiger Doktor der Medizin stellte fest: Er hat ihn zweimal drin gehabt!
Ludwig erwachte um neun Uhr, und während Héroard ihm den Puls fühlte, kündigte er an, er wolle die Königin besuchen. Anna enttäuschte die Erwartung nicht. Man sah sie rosig, erbebend, wie von Stolz erfüllt, nun Weib geworden zu sein, und zugleich hatte sie binnen einer Nacht ihren spanischen Hochmut