Название | DS-GVO/BDSG |
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Автор произведения | David Klein |
Жанр | Языкознание |
Серия | Heidelberger Kommentar |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811488519 |
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Zutreffend kann angenommen werden, dass das Verfolgen unionaler Gemeinwohlziele als Ausdruck öffentlicher Interessen angesehen werden kann; als Beispiel derartiger Gemeinwohlziele kann der Inhalt von Art. 3 EUV begriffen werden.[148] Hierzu gehören, neben der sehr allgemein gehaltenen Zielsetzung des Art 3 Abs. 1 EUV, insbesondere die Zielsetzung des Art 3 Abs. 2 EUV, den Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu bieten; entsprechend kann mit der Rechtsprechung des EuGH[149] die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität als öffentliches Interesse erachtet werden. Dem entsprechend sind auch Datenverarbeitungen zum Zwecke der Gefahrenabwehr und zum Zwecke der Beweissicherung bzgl. evtl. Strafverfahren als rechtmäßig i.S.d. lit. e Var. 1 anzusehen. Hierzu würde dann auch die Videoüberwachung, bspw. in Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs[150] oder im öffentlichen Raum im Übrigen[151], zählen.[152] Gleiches gilt für entsprechende Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, wenn diese aufgrund hinreichender Anhaltspunkte für konkrete Störungen, also über den Zweck einer „abstrakten Gefahrenabwehr“ hinaus, erfolgt.[153]
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Jedenfalls kann die Formulierung als Gegenbegriff zum individuell-privaten Interesse gesehen werden.[154] Deswegen ist die Anlage von Warndateien im Austausch zwischen Versicherungsunternehmen nicht auf lit. e zu stützen.[155] Ebenso nicht erfasst sind erwerbswirtschaftliche Zwecke, auch wenn die betreffende Aufgabe im öffentlichen Interesse liegen mag, so beim Betrieb von Verkehrs- oder Telekommunikationsstrukturen.[156] Dagegen ist die Einführung von sog. Smart Metering-Systemen zur Verbrauchserfassung jedenfalls dann auf lit. e zurückzuführen,[157] wenn den Versorger die Sorge für das bauliche Netz und eine effiziente, sparsame Energieversorgung trifft.[158] Im Übrigen gilt, dass je näher eine Leistung mit dem Bereich der Daseinsvorsorge verknüpft ist, desto eher die Annahme eines öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. So erfolgt die Versorgung mit Fernwärme, Elektrizität, Wasser, Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs, sowie der Entsorgung von Abwasser oder Abfall, in Erfüllung von Aufgaben im öffentlichen Interesse, gleich ob diese durch Eigenbetriebe, privatisierte Stadtwerke oder rein private Unternehmen wahrgenommen werden.[159] Erfasst ist auch die Förderung des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts nach Art. 3 Abs. 3 EUV, etwa durch Hochschulen und sonstige öffentliche Forschungseinrichtungen.[160]
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Alleine die überwiegende oder mehrheitliche Anteilseignerschaft der öffentlichen Hand an öffentlichen Wettbewerbsunternehmen rechtfertigt nicht die Annahme, dass diese in Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe handeln; hier muss eine Übertragung von Aufgaben, die im öffentlichen Interesse liegen, hinzutreten.[161]
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Ebenso sollen Datenverarbeitungen durch politische Parteien zur Ermittlung politischer Einstellungen potentieller Wähler von Art. 6 Abs. 1 lit. e gedeckt sein, jedenfalls, wenn diese Tätigkeiten für das Funktionieren des demokratischen Systems erforderlich sind.[162]
3. Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage
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Entsprechend ErwG 45 ist eine Aufgabe im öffentlichen Interesse wiederum nur dann anzuerkennen, wenn diese eine positiv-rechtliche Normierung gefunden hat. Damit liegt die Definitionsmacht über die Aufgabe im öffentlichen Interesse nicht in der Hand des Verantwortlichen.[163] Vielmehr folgt die Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung sowie die Aufgabenzuweisung aus der jeweiligen Aufgabennorm des mitgliedstaatlichen Rechts.[164] Bezgl. der Qualität dieser Rechtsgrundlage gilt das zu Art. 6 Abs. 1 lit. c Gesagte sowie die Ausführungen zu § 3 und Art. 6 Abs. 2 und 3;[165] ausreichend ist auch hier ein materielles Gesetz, bis hin zur kommunalen Satzung.[166] Die inhaltlichen Anforderungen, die an entsprechende Rechtssätze gestellt werden können, ergeben sich aus Art. 6 Abs. 2 und 3.[167]
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Im zuvor geschilderten Fall der Datenverarbeitungstätigkeit politischer Parteien mögen bspw. melderechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten können.
4. Erforderlichkeit
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Die in Art. 6 Abs. 1 lit. e geforderte Erforderlichkeit der Datenverarbeitung ist unionsrechtlich auszulegen; Datenverarbeitungen sind daher daraufhin zu überprüfen, ob sie mit den Zielen des DS-GVO in Einklang stehen, insbesondere ob sie verhältnismäßig sind.[168] Dabei lässt sich aus der Rechtsprechung des EuGH herleiten, dass eine Erforderlichkeit auch dann anzunehmen sein kann, wenn ohne die betreffende Tätigkeit ein legitimes Ziel nur weniger effizient zu erfüllen ist.[169]
III. Aufgabe in Ausübung öffentlicher Gewalt
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Art. 6 Abs. 1 lit. e Var. 2 bezieht sich auf die Datenverarbeitung im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt. Hier stellt die DS-GVO auf die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im Rahmen rechtlich festgelegter Befugnisse ab.[170] Dabei ist – wie bei lit. c – der Erlaubnistatbestand in der Rechtsetzung nach Abs. 3 zu sehen.[171] Zugleich wird die Wahrnehmung von Befugnissen in Ausübung öffentlicher Gewalt immer auch Ausdruck einer Aufgabe im öffentlichen Interesse sein;[172] es ist aber darauf hinzuweisen, dass die konkrete Datenverarbeitung eben im Rahmen dieser Aufgabenwahrnehmung erfolgen muss, die Übertragung der Aufgabe also nicht jede Form der Datenverarbeitung erlauben will.
1. Aufgabenträger
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Aufgabenträger i.S.d. der zweiten Variante können wiederum öffentliche und nichtöffentliche Stellen sein. Auch wird nicht davon auszugehen sein, dass die zweite Variante eine Beleihung Privater voraussetzt. Dies lässt sich aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 lit. e Var. 2 in Abgrenzung zu Art. 49 Abs. 2 und Art. 79 Abs. 2 herleiten, die jeweils von Ausübung hoheitlicher Befugnisse sprechen und damit – auch in Kombination mit dem Begriff der „Behörde“ – nur öffentliche Stellen ansprechen.[173] Gleichwohl sind auch Fälle der Beleihung, also der Übertragung hoheitlicher Gewalt durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, erfasst.[174] Damit sind alle öffentlichen Stellen, einschließlich der Stellen mittelbarer Staatsverwaltung, die Beliehenen und alle sonstigen mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betrauten Privatrechtssubjekte eingeschlossen. Nicht erfasst sind die Behörden und Einrichtungen der Union, da diese zwar öffentliche Aufgaben wahrnehmen können, aber gem. Art. 2 Abs. 3 weiterhin der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 unterfallen.[175]
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Die noch in Art. 7 lit. e DSRL enthaltene Variante „dem Dritten, dem die Daten übermittelt werden“, ist in Art. 6 Abs. 1 lit. e nicht mehr enthalten.
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