BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann

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Название BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil
Автор произведения Harm Peter Westermann
Жанр Языкознание
Серия Schwerpunkte Pflichtfach
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783811453562



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      Die gesetzlichen Formvorschriften verfolgen verschiedene, oft jedoch auch zusammenhängende Zwecke, die je nach Regelungskontext und mit Blick auf die jeweilige Formart unterschiedliches Gewicht haben. Die jeweiligen Zwecke müssen durch Auslegung der jeweils in Rede stehenden Formvorschrift ermittelt werden. Oft sind Geschäfte betroffen, die für einen der Beteiligten typischer Weise mit besonders hohen Gefahren einhergehen – so etwa Bürgschaftsverträge oder Grundstückskaufverträge. Das zeigt sich etwa in § 311b Abs. 1 und Abs. 3, aber auch in § 766. Durch die Form des Rechtsgeschäfts werden die Betroffenen vor dem Abschluss besonders riskanter Geschäfte gewarnt (Warnfunktion) und vor übereilten Entscheidungen geschützt (Übereilungsfunktion). Daneben stellen Formvorschriften oft sicher, dass Einzelheiten eines Geschäfts angemessen dokumentiert werden und dienen so auch der Beweiserleichterung in denkbaren Streitsituationen (Informationsfunktion, Dokumentationsfunktion, Beweisfunktion).

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      Auch im Allgemeinen Schuldrecht finden sich praktisch wichtige und prüfungsrelevante Formvorschriften, die typischer Weise bedeutsame und regelmäßig riskante Rechtsgeschäfte in den Blick nehmen. Nur diese Formvorschriften werden im Folgenden in ihren wesentlichen prüfungsrelevanten Inhalten dargestellt.

3. § 311b Abs. 1 (Grundstücksverträge)

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      § 311b Abs. 1 betrifft eine der wohl praktisch bedeutsamsten Formvorschriften überhaupt: Den Grundstücksvertrag. Täglich werden in Deutschland viele solcher Kaufverträge in den Amtsstuben (oder Besprechungszimmern) der Notare geschlossen. Dass sie nicht etwa schlicht am heimischen Küchentisch oder gar per Handschlag geschlossen werden, liegt an § 311b Abs. 1: Verträge, durch die sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedürfen gem. § 311b Abs. 1 S. 1 grundsätzlich der notariellen Beurkundung. Allerdings kann der Formmangel durch Auflassung und Eintragung in das Grundbuch geheilt werden (§ 311b Abs. 2).

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      § 311b Abs. 1 berücksichtigt die meist hohe wirtschaftliche Bedeutung von Grundstücksgeschäften, die für beide Vertragspartner weitreichende Konsequenzen haben können. Die notarielle Beurkundung stellt zudem sicher, dass die Vertragspartner über die Folgen und die rechtlichen Hintergründe des Geschäfts aufgeklärt werden. Das ist gerade dann wichtig, wenn die Beteiligten solche Geschäfte nicht häufig abschließen. Die Abwicklung von Grundstückskaufverträgen geht oft mit Sicherungsgeschäften (Grundschulden oder Hypotheken) einher, die für Laien nur schwer verständlich sind. Warnfunktion, Übereilungsfunktion und Informationsfunktion sind für § 311b Abs. 1 bedeutsam. Aber natürlich werden viele Einzelheiten durch den notariell beurkundeten Vertrag auch sicher dokumentiert (Dokumentationsfunktion), so dass sie im Streitfall auch leichter beweisbar sind (Beweisfunktion).

      In Fall 14 soll die notarielle Beurkundung beispielsweise A davor schützen, unüberlegt eine derart hohe Summe auszugeben, die möglicherweise langfristige Kredite o.ä. erfordert. Auf diesem Wege wird sie regelmäßig auch über bestehende Belastungen und deren Rechtsfolgen aufgeklärt, damit darüber im Nachgang kein Streit entsteht. Dass A und B angesichts der Höhe der entstehenden Kosten und eigener Gewinnvorstellungen die Entscheidung treffen, vor dem Notar einen falschen Kaufpreis anzugeben, ist vom Gesetz freilich nicht intendiert.

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