Название | Das unerträgliche annehmen |
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Автор произведения | Joanne Cacciatore |
Жанр | Зарубежная психология |
Серия | |
Издательство | Зарубежная психология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962572549 |
Wenn andere unsere Trauer infrage stellen, unsere jahrelange Beziehung zu unseren geliebten Verstorbenen missachten, uns wie Aussätzige behandeln, uns aus dem Weg gehen und uns zur Heilung drängen, bevor wir dazu bereit sind, dann machen sie unsere Last noch schwerer.
Es scheint fast so, als könnten wir unseren Schmerz nur auslöschen, indem wir unsere Liebe aufgeben – indem wir den Platz für den geliebten Menschen in unserem Leben entfernen. Doch wenn wir auf die Weisheit unseres Herzens hören, wissen wir, dass das unmöglich ist.
Trauer und Liebe gehen Hand in Hand.
2
Öffentliche und private Trauer
Mögen wir so sehr eins sein, dass, wenn einer weint,n der andere Salz schmeckt. Khalil Gibran
Am 22. Dezember 2009 verabschiedeten sich Katie und Zack von ihrer Mutter, um sich in ihrer Kleinstadt im Süden Arizonas mit Freunden zu treffen. Es war das letzte Mal, dass sie sich sahen. Bei einem plötzlich aufkommenden Staubsturm kollidierten neun Sattelzüge und 13 Personenkraftwagen in einem so überwältigenden Flammenmeer, dass von der Straße auch acht Stunden später noch Rauch aufstieg. Bei dem schrecklichen Unfall verloren Katie und Zack ihr Leben. Ihre Eltern Sandie und Mark erlitten einen unwiederbringlichen Verlust, der sie für immer verändern sollte. Alle zwei Wochen besuchten sie mich in Phoenix, eine vierstündige Fahrt von ihrem Wohnort entfernt. Sandie saß oft einfach nur weinend da. Auch Mark weinte, war aber offener für Gespräche.
Indem sie ihrer Trauer Ausdruck verliehen, fühlten sich Sandie und Mark ein wenig besser. Sandie sagte: „Es ist so, als ob man zu viel gegessen hätte und einen Teil davon wieder abführen würde. Das schafft ein bisschen mehr Platz für die Traurigkeit, von der ich schon so lange esse.“
Katies und Zacks Tod war stark in den Medien präsent, sie wurden schon im Fernsehen genannt, als ihr älterer Bruder noch gar nicht verständigt worden war. Medienvertreter stellten Sandie und Mark nach, um an Interviews zu kommen. Verstörende Bilder des Unfalls wurden weltweit im Fernsehen gezeigt. Die respektlose Art und Weise, wie Katies und Zacks Tod unsensibel und sensationslüstern von den Massenmedien ausgeschlachtet wurde, führte bei den Eltern zu nur noch größerer Angst und Vereinsamung. Sechs Jahre später sind die Kinderzimmer noch immer unangetastet, wie eine heilige Stätte, an der alles seinen festen Platz hat. Freunde fanden, es sei für Sandie und Mark nicht gut, die Zimmer einfach so zu belassen. Den Tränen nah erwiderte Sandie, wenn sie etwas an den Zimmern verändern würde, habe sie das Gefühl, sie würde noch mehr von dem Wenigen verlieren, was noch von ihnen übrig war. Die Zimmer unangetastet zu lassen, war ein symbolischer Weg für sie, um ihren Kindern weiterhin nahe zu sein – was viele einfach nicht verstanden. Und ohne dieses Verständnis zweifelten und urteilten andere, als hätten sie selbst die immense Last zu tragen.
Im Laufe der Jahre brachten einige wenige Menschen ihnen aktives Mitgefühl entgegen, worüber Sandie und Mark sehr froh waren. Ein Lehrer aus der Schule ihrer Kinder organisierte einen Gedächtnismarsch für Katie und Zack, um ein Stipendium zu ihrem Gedenken zu finanzieren. Wegen Katies beständigem Engagement für den Vegetarismus trat Sandie in ihre Fußstapfen und ernährte sich von nun an pflanzlich. Und wegen der tiefen Liebe ihrer Kinder zu Tieren engagieren sie und Mark sich jetzt in der Hunderettung.
Bis sie an diesen Punkt gelangten, war es für sie ein langer, beschwerlicher Weg.
Ich kann mich noch an den Tag erinnern, als das Begräbnis von Prinzessin Diana im Fernsehen übertragen wurde und Millionen von Zuschauern die Prozession verfolgten.
In derselben Woche rief mich eine Frau an, die sich Sorgen machte, weil ihre Schwester, deren Baby bei der Geburt gestorben war, das Begräbnis ihres Babys auf Video aufnehmen wollte. Die Anruferin fand das makaber und anormal und bat mich, ihre Schwester davon zu überzeugen, es nicht zu tun.
„Haben Sie zufällig das Begräbnis von Diana gesehen?“, fragte ich ganz behutsam. Sie verstand sofort. Es ergab keinen Sinn, sich das Begräbnis einer Fremden anzusehen und dabei gleichzeitig das persönliche Gedenken ihrer Schwester infrage zu stellen. Das Begräbnis von Prinzessin Di und die Geburtstagsfeierlichkeiten für Elvis in Graceland sind beispielhaft für das öffentliche Zelebrieren einer fiktiven zwischenmenschlichen Beziehung zu Fremden. Unsere Gesellschaft akzeptiert Graceland als Museum, aber kritisiert Sandies und Marks legitime Entscheidung, die Zimmer ihrer Kinder unangetastet zu lassen. Berechtigte Trauer wird hinterfragt, während die Trauer um fremde Prominente glorifiziert wird. Genau betrachtet ist das doch ziemlich merkwürdig.
Entscheidungen, die wir als Trauernde treffen, verdienen den Respekt der anderen.
Trauernde müssen von ihrem Umfeld respektvoll gefragt werden, ob und wie ihr Schicksalsschlag öffentlich gemacht werden soll. Wir sollten unseren Schmerz so zum Ausdruck bringen und unserer Lieben so gedenken können, wie wir es wollen. Wenn wir Glück haben, schenkt unser Umfeld uns Großzügigkeit ohne die Erwartung von Gegenleistungen, Privatsphäre, ohne uns dabei zu isolieren, selbst gekochtes Essen, ohne dafür unseren Dank zu erwarten, und das gut gemeinte „Ich bin für dich da“, ohne dass wir darauf eingehen müssen.
Beistand wie dieser, so vergleichsweise selten es ihn gibt, ist allerdings oft nur von kurzer Dauer, die Trauer aber bleibt. Die Leute kehren rasch wieder in ihren gewohnten Alltag zurück. Normalität stellt sich ein, zumindest für diejenigen, die nicht trauern.
Aber wenn wir Angst haben und leiden, brauchen wir andere, mit denen wir ehrlich sein können. Wir brauchen andere, die mit uns gemeinsam durch das Tal der Tränen gehen, manchmal immer und immer wieder. Wir brauchen jemanden, an den wir uns wenden können, der vertrauenswürdig ist, nicht urteilt, nicht dichtmacht oder unserem Leid ausweicht. In unserem Schmerz brauchen wir vielleicht auch erst einmal den Mut, uns überhaupt an andere zu wenden. Und all das brauchen wir auf unbestimmte Zeit.
Trost und Zuwendung kommen aus vielerlei Richtungen. Aufmerksame, achtsame, nicht urteilende Zuhörer sind oftmals dort zu finden, wo wir es am wenigsten erwarten. Achten Sie auf Menschen, die bereit sind, Ihnen beizustehen, und suchen Sie ihre Hilfe.
Die Zeit mit solchen Menschen kann Ihnen in unwegsamem Gelände Halt geben.
3
Ritueller und künstlerischer Umgang mit Trauer
Zu lieben bedeutet, uns sowohl Trauer, Kummer und Enttäuschung als auch Freude, Erfüllung und somit einer Intensität des Bewusstseins zu öffnen, die wir zuvor nicht für möglich gehalten haben. Rollo May
Je nach der Region, in der wir leben, unserer Religion und unserer ethnischen Zugehörigkeit können wir Trauer auf unterschiedliche Weise ritualisieren, verstehen und verarbeiten, doch gleichzeitig ist Trauer der am meisten verbindende Aspekt der menschlichen Erfahrung. Jede Kultur und jede Religion weiß von der Trauer.
Siddhartha Gautama, der zum Buddha wurde, verlor bereits im Säuglingsalter seine Mutter Mayadevi. Mit der Kreuzigung Jesu wurde die Jungfrau Maria zur trauernden Mutter. Jesus trauerte, als sein Freund Lazarus starb, auch wenn er an das ewige Leben glaubte. Mohammed verlor seinen jungen Sohn Ibrahim und seinen Enkel. Abraham begrub seine Frau Sarah und der Thora zufolge brauchte ihr Sohn Isaak nach ihrem Tod drei Jahre, bis er wieder Liebe und Trost in den Armen seiner Frau Rebekka fand. In der Bahai-Tradition starb Bahá’u’lláh’s Vater in dessen früher Jugend.
Über Zeiten, Kulturen und Religionen hinweg berührt Trauer uns alle. Trauer ohne festes Verfallsdatum ist eine unausweichliche Wahrheit der menschlichen Existenz. Trauer ist von Natur aus labyrinthisch und rätselhaft; sie hat emotionale, körperliche, soziale, zwischenmenschliche, wirtschaftliche, spirituelle und existenzielle Auswirkungen.
Zahlreiche Faktoren beeinflussen, wie Trauer sich manifestiert: unsere Beziehung zum Verstorbenen, die Todesart, die Intensität unserer Liebe und Verbindung, gegenseitige Abhängigkeiten, Totenrituale bei frühzeitigen Todesfällen, wie während des Trauerfalls mit uns umgegangen wird, wie wir darüber benachrichtigt werden, das Verhalten