Die Vereinigung der Kraft. Hans-Peter Vogt

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Название Die Vereinigung der Kraft
Автор произведения Hans-Peter Vogt
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783942652490



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breitete er die Arme aus und begann seinen Singsang, der bald in ein fröhliches Zwitschern überging. Papageien kamen herangeflogen und setzten sich auf Paras ausgestreckte Arme. Para lachte und zwitscherte. Er trällerte und gluckste mit den Vögeln um die Wette.

      Manchmal ahmte er den Ruf der Affen nach. Es gab Stunden, da wurden sie von ganzen Affenfamilien begleitet, die neben der Straße von Baum zu Baum sprangen und die kleine Gruppe begleiteten.

      Einmal kam ein ganzer Schwarm von Bienen. Es waren Tausende dieser großen, gefährlichen Bienen, die sich von Fleisch ernähren. Heute werden sie Killerbienen genannt. Aber Para stieß seltame girrende und kaum hörbare Laute aus. Die Bienen umschwärmten die Gruppe eine Weile, aber sie griffen nicht an. Die Lamas wollten zunächst die Flucht ergreifen, aber Para hatte sie mit wenigen Worten und ein paar freundliche Klappsen zur Ruhe gebracht. Die Bienen folgten der Gruppe etwa 20 Minuten, dann flogen sie davon.

      Faroa kannte diese Bienen. Sie hatten seinen Vater getötet. Er konnte es kaum fassen, was da eben geschehen war. Natürlich kannte er Paras Vorliebe, mit den Tieren zu sprechen, aber so etwas hatte er noch nie erlebt. Er hatte in diesen 20 Minuten eine Todesangst wie selten zuvor. Er sah, dass Para völlig ruhig, fröhlich, ja glücklich schien. Para hatte nicht die Unbeschwertheit eines nichtsahnenden Kindes gezeigt, sondern er hatte sich ganz bewusst und mit klarem Instinkt auf die Bienen eingelassen, sie akzeptiert und auf seine eigene geheimnisvolle Weise beschwichtigt.

      Die Folge dieser Erlebnisse war, dass auch die kleine Vera begann, die Töne und Laute von Para nachzuahmen.

      Überraschend für Faroa hatte auch Polia in dieser Situation keine Angst gezeigt. Als Faroa sie darüber begann auszufragen, nickte sie ihm freundlich zu. „Ich habe gelernt, den Fähigkeiten von Dennis zu vertrauen. Para hat diese Fähigkeiten geerbt. Ich beobachte das schon lange. Ich habe Para mit den Bären sprechen sehen. Ich habe Para mit Lamas, Vögeln und Affen sprechen sehen. Ich weiß, dass er sich oft zurückgezogen hat, um mit Ratten und Mäusen zu reden. Warum sollte ich Para nicht auch bei den Bienen vertrauen?“

      Faroa, der so etwas wie ein väterlicher Freund war, erkannte, dass Para göttliche Fähigkeiten hatte.

      Die Reise war lang. Polia und Faroa waren in der Tradition der Indios erzogen. Also blieb es nicht aus, dass die beiden Vertrauten von Dennis bald begannen, das Nachtlager miteinander zu teilen. Polia und Faroa hatten ein neues Leben vor sich. Ein Leben, in dem Dennis nur noch in der Erinnerung und in seinen Kindern fort lebte. Sie mussten sich diesem neuen Leben stellen. Es war nur natürlich, dass Faroa begann, die Stelle des Ehemannes und Vaters für die Kinder einzunehmen. Vieles verband Polia und Faroa. Sie stammten aus demselben Dorf. Sie hatten beide die heilige Stadt kennengelernt. Sie hatten gelernt eine Gruppe von Menschen zu führen und sie hatten gelernt, sich in der großen Stadt zu behaupten.

      „Dennis hätte das so gewollt“, sagte Polia irgendwann einmal. Damit war das Thema für sie abgeschlossen.

       3.

      Auf dem langen Weg wurden sie ein paar mal von Kriegern der Thé angehalten, die dort patroullierten. Sie konnten sich ausweisen und durften ungehindert weiterreisen.

      Para nahm alles mit großen Augen und all seinen Sinnen auf. Es war ähnlich, wie damals bei der Reise mit Dennis und der Karawane der Händler. Das Reisen gefiel ihm.

      Als sie dann die große Straße verließen und in den dichten Urwald eindrangen, war Para zunächst aufgeregt und begann dann alles noch viel intensiver zu betrachten. Das hatte er noch nicht gekannt.

      Die Geräusche, das eigentümlich gedämpfte Licht, die Blumen und die Schmetterlinge in den Wipfeln. Das Surren, flattern und gurren erregte Para. Als sie abends Rast machten, machte er neue Erfahrungen. Es gab hier Insekten, die er nicht kannte. Spinnen, Käfer, große rote Ameisen, Würmer. Er betrachtete. Er befühlte. Er sah ihnen zu und er begann seltsame Laute auszustoßen.

      Para war noch zu klein um richtig zu sprechen. Er konnte sich mit seiner Mutter unterhalten, aber es war eine Kleinkindersprache.

      Man kann nicht sagen, ob es eine Kindersprache war, mit der er sich nun mit all diesen Tieren begann zu unterhalten. Vielleicht hatte er so etwas wie einen „Babybonus“, der Tiere veranlasst, Jungtiere zu beschützen. Manche sagen auch „Welpenschutz“ dazu. Doch würde sich schnell zeigen, dass es viel mehr war. Denn eigentlich akzeptierten nicht alle Tiere einen solchen „Babybonus“. Für manche Tiere war das eine willkommene Einladung, um das Baby zu fressen.

      Als erstes machte Para die Erfahrung mit einer kleinen aber sehr giftigen Schlange. Sie war nur einen halben Meter groß, schwarzgelb und züngelte. Faroa bemerkte davon glücklicherweise nichts.

      Para betrachtete sie eine Weile, dann begann er hohe, fast unmerkliche Zisch- und Pfeiff-Laute auszustoßen. Die Schlange kroch auf ihn zu. Sie züngelte und erfasste seinen Geruch. Als Beute war Para viel zu groß. Eine Gefahr schien er auch nicht zu sein. Die Laute verwirrten die Schlange. Para bückte sich, streckte seine Hand aus und die Schlange begann auf seine Hand zu kriechen und sich um seinen kleinen Arm zu wickeln. Para fipste weiter.

      Er hatte sich ein Stück vom Lager entfernt. Als Polia ihn rief, zuckte der Kopf der Schlange in ihre Richtung. Feindselig. Aber Para fipste weiter. Die Schlange beruhigte sich und Para setzte sie wieder auf den Boden. Dann ging er zu Polia zurück.

      Er erzählte von der Schlange, aber er kannte das Wort nicht. Schlangen hatte er zuvor nie gesehen. Langsam begriff Faroa, was Para da gesehen hatte. Es war eine Natterart und ihr Biß war tödlich. Er schnappte sich eines der langen Messer und ging ein Stück in den Wald, aber die Schlange war fort.

      Als sie schließlich in ihrem Dorf ankamen, wurden sie mit großem Erstaunen begrüßt. Es hatte sich noch nicht bis hierher rumgesprochen, dass Dennis tot war.

      Es war ein großes Hallo und es gab an diesem Tag ein Fest für die Heimkehrer, an dem viel getanzt und gesungen wurde und bei dem sie auch den toten Gott ehrten, der von ihnen gegangen war.

      Für Para war alles neu. Der Dschungel, das Lager, die neue Familie, die Hunde. Er war aufmerksam, er war freundlich. Er ging auf die fremden Menschen zu, die nun seine Familie werden sollten. Mit den Hunden nahm er sofort Kontakt auf.

      Sie schnupperten zunächst an ihm. Sie kannten ihn nicht, aber die Hunde merkten schnell, dass dieser kleine Junge kein Feind war. Er roch wie ein kleines Kind. Para hatte „Welpenschutz“.

      Schon bald begann Para mit den Hunden zu sprechen. Es war kein Gebell oder Gekläff. Es war seine eigene Sprache, die sich bald mit winseln und wuffen mischte. Er fasste die Hunde an, die sich das sonst nicht gefallen ließen. Er befühlte ihre Ohren und Schnauzen. Er wuffte und winselte. Die Hunde nahmen seine Hände in ihr Maul und sie schleckten ihn ab. Sie nahmen ihn in ihre Familie auf. Sie würden ihn beschützen.

      Polia sah das alles. Sie hatte immer ein waches Auge auf ihre Kinder. Sie lächelte. Sie stupste Faroa an und machte eine Kopfbewegung in die Richtung von den Hunden. Faroa sah zu Para. Er wollte etwas sagen wie „Hunde sind Hunde“, er meinte damit, dass man ihnen befehlen müsse, aber Polia sah ihn an und lächelte. Sie nahm seine Hand. „Para macht das auf seine Weise.“

      Den andern Krieger der Péruan sahen dieses Spiel zwischen Para und den Hunden, aber es war nicht ihr Sohn. Es war nicht ihre Aufgabe, sich da einzumischen, und sein Großvater, der Takilada des Dorfes sah in die Runde. „Para ist einer von uns, aber er hat die weißen Haare und die blauen Augen seines Vaters.“

      Alle wussten, was der Takilada damit meinte. Para war der Sohn des Thénnis. Er war ein Sohn Gottes.

       4.

      Para lebte sich schnell ein. Im Grunde war die Familie der Buschindianer nicht viel anders, als seine bisherige Familie der Knechte und Mägde in der großen Stadt. Es gab andere Kinder. Die Erwachsenen waren freundlich, manche Frauen hatten dicke Bäuche.

      Auch