Die Suche nach der Identität. Hans-Peter Vogt

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Название Die Suche nach der Identität
Автор произведения Hans-Peter Vogt
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783942652483



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Dann könnte ich als Dennis wiederaufstehen. Man wird vielleicht einen Frachter oder einen Kapitän finden, der schwört, er habe mich im Schiffsraum mitgenommen. Ich habe meine Überfahrt abgearbeitet. Vielleicht bin ich auch als blinder Passagier mitgefahren. Lasst euch mal was einfallen.“

      Es war minutenlang still. Dann sah Trifter den Dicken an. „Wir können schlecht sagen, wir hätten Dennis auf eine Forschungsreise geschickt. Wir müssen uns eine Geschichte für ihn ausdenken.“

      Der angehende Jurist dachte lange nach. „Die Sache mit der Medikamentenmafia macht mir immer noch Sorgen. Wir sollten Dennis Wiedergeburt nicht an die große Glocke hängen. Vielleicht kann er offiziell in die Dienste von Conny treten. Als ungelernte Kraft. Mülleimer raustragen und so. Natürlich nur offiziell. Jedenfalls sollten wir kein öffentliches Freudenfeuer für Dennis anzünden. Das muss gut vorbereitet werden. Jeder muss auf seinem Posten sein. Vielleicht kann er uns auch eine Postkarte aus Buenos Aires schicken. Die ist ein paar Wochen unterwegs. Dann kann er in zwei Wochen im Hafen von Hamburg abgeholt werden. Sowas lässt sich leicht fälschen und kostet auch nicht viel.“

      Er fuhr fort: „Dann kann seine Mutter beeiden, dass Dennis ihr Sohn ist und alles geht seinen bürokratischen Gang. Laura und Conny tun so, als sterben sie vor Freude, wenn sie ihn wiedersehen. Vielleicht sollten wir aber erst Connys Abitur abwarten, falls es wider Erwarten doch einen Rummel gibt. Dennis war schließlich eine ziemlich bekannte Persönlichkeit, ihr wisst ja selbst. In der Zwischenzeit kann Dennis etwas über das heutige Südamerika lernen. Alles, was er wissen muss. Es wird ihm nicht schaden. So wie ich dich kenne, Dennis, wird es nicht lange dauern, dann willst du noch mal dahin. Ich würde es nicht anders machen.“

      Das war eine lange Rede und der Beginn eines noch längeren Abends. Wie gut, dass das Wochenende vor Ihnen lag. Laura und Conny hatten schulfrei. Die andere Arbeit konnte aufgeschoben werden.

      Sie diskutierten lange. Schließlich brach „der Dicke“ das Gespräch ab. „Ich denke mal, heute werden wir nichts mehr beschließen. Nicht im Detail. So oder so ähnlich machen wir das. Trifter und ich werden uns die Einzelheiten überlegen. Wir werden das deichseln. Dennis wird Erdkunde und sowas büffeln. Die Landschaft kennt er ja, aber er weiß nichts über heutige Städte, über Länder, über politische Strukturen. Vielleicht kann Laura ihm dabei helfen. Laura kann ihre Arbeit in der Stiftung etwas vernachlässigen. Sie hat dort ein paar gute Leute sitzen, die sie in den nächsten Wochen, zusammen mit Trifter, vertreten können. Wichtig ist jetzt ein lückenloser Nachweis der Identität, auch wenn Dennis sich selbst spielt. Ich sage euch das als angehender Jurist. Naja. Und natürlich als euer Freund.“

      „Wir brauchen mindestens zwei Wochen, bis wir alles geregelt haben. Ich denke die Postkarte sollte höchstens zwei Tage vor Dennis Eintreffen in Hamburg hier ankommen. Sonst wird nur unnötig blöde nachgefragt.“

      Sie verabschiedeten sich. Die Sache war im Groben abgemacht.

      So hatte Dennis in wenigen Stunden Aussicht auf eine alte und eine neue Identität bekommen. Er war froh. Er wollte sich nicht verstecken.

      Die paar Wochen würde er lernen, so wie das „der Dicke“ gefordert hatte. Er sah Laura an. „Hilfst du mir?“ Er sah die Antwort in Lauras Gesicht. Er würde bald viel mehr wissen über diesen Kontinent.

      „Ich habe einen Computer“, orakelte Conny. „Den könnt ihr benutzen, um im Internet zu recherchieren. Laura weiß, wie das geht. Bücher besorgen wir dir aus der Leihbücherei. Aber das können wir morgen besprechen. Ich will ins Bett.“

      Auch Dennis und Laura zogen sich zurück.

      „Ist es das was du wolltest“, fragte sie, als sie nebeneinander lagen.

      „Ich glaube schon“, antwortete Dennis.

      Als sie am nächsten Morgen aufwachten, streckte sich Dennis erwartungsfroh. „Heute freue ich mich auf das Frühstück. Brötchen, Kaffe, Käse, Speck, Tomate… all das.” Laura lief, um Brötchen zu holen. Dennis machte Kaffee, briet Speck und Eier und deckte den Tisch.

      Als Conny herunterkam war alles fertig. „Ihr seid die besten“, lachte sie und goss sich Kaffee ein.

      8.

      Auch Dennis hatte heute richtig Hunger. Er hatte eine Perspektive. Sie war in greifbarer Nähe. Und er hatte eine konkrete Aufgabe. Er musste seine Legende glaubwürdig stricken.

      Dennis hatte sich schon beim Zubereiten des Frühstücks so seine Gedanken gemacht. Er schob es zunächst auf, das auszusprechen. Jetzt hielt er eine lange Rede, immer wieder unterbrochen durch Essen und Trinken.

      „Hört mir jetzt mal zu, und unterbrecht mich nicht. Heute ist der erste Tag für mich, wo ich all das vorbereiten muss, was jetzt vor mir liegt. Conny hat mich gestern mitlernen lassen. Das hat uns, glaube ich, beiden geholfen. Das, was heute vor mir liegt, wird auch Conny nützen, denn die Analyse ist Connys Schwachpunkt, hat sie gestern gesagt. Es geht nicht darum, jetzt irgendeinen Weg nachzuzeichnen. Es geht darum, den einen, absolut glaubwürdigen und nachvollziehbaren Weg zu erfinden.“

      „Wir brauchen eine Analyse der verschiedenen Fakten, die Auswahl einer glaubwürdigen Reiseroute, und vor allem das Hineindenken in die Situation und die Menschen des heutigen Südamerika. Davon weiß ich nichts. Dafür brauche ich jetzt eure Hilfe. Den Atlas zu lesen, das habe ich vergessen. Von Schiffen hab ich keine Ahnung. Ich weiß nicht, wie und wo ich diese Informationen möglichst schnell herbekomme. Es gibt viele Dinge, die ich ganz neu lernen muss. Conny, du bist die älteste. Du hast wahrscheinlich viele Kenntnisse durch deine Reisen. Hilfst du mir heute?“

      Zu Laura gewandt sagte Dennis: „Dein Organisationstalent ist deine Stärke. Du hast viele Kontakte. Du sagst, du kannst mit dem Computer umgehen. All das brauche ich jetzt.“

      Die beiden Mädchen nickten. Dann räumten sie den Küchentisch leer. Conny breitete den Atlas aus.

      „Zunächst mal: Warum bin ich damals abgehauen, wie hab ich das gemacht und wohin bin ich gegangen? Hab ich Geld gehabt? Was hab ich sonst alles gebraucht?“

      Sie überlegten. „Kannst du dich erinnern, dass du damals in der fünften oder sechsten Klasse so einen Durchhänger hattest“, fragte Laura. Das wusste Dennis nur zu gut. Es wurde ihm damals alles zuviel.

      „Wenn dir vor zwei Jahren dasselbe passiert ist. Wenn dir alles, ich meine alles, über dem Kopf zusammengeschlagen ist, dann hättest du einen Grund für eine Auszeit gehabt. Einfach mal abhauen. Alles liegen lassen. Nichts wie weg. Vielleicht wolltest du nach zwei oder drei Wochen wiederkommen, aber dann hast du dir das anders überlegt.“

      Dennis nickte. „So verantwortungslos bin ich nicht. Aber wer mich nicht genug kennt, der weiß das nicht. Das geht. Aber nun zur Route. Was hab ich gemacht?“

      „Ich denke, du bist mit dem Schiff gefahren. Zollkontrollen und so was wolltest du nicht. Vielleicht bist als blinder Passagier auf ein Schiff und nur durch Zufall in Südamerika gelandet?“

      Dennis nickte. „Wie lange dauert eine solche Passage? Welche Häfen bin ich angelaufen? Wie habe ich mich versteckt? Wie habe ich mir Essen organisiert? Dabei kann mir Laura später helfen. Aber das klingt gut. Ich muss weit weg von Europa gewesen sein. Vielleicht kann ich dann durch Zufall die Weste und die Dolche gefunden haben. Deshalb konnte ich auch nicht so einfach zurückkommen. Vielleicht bin ich ausgeraubt worden. Das können wir glaubwürdig stricken.“

      „Gut“, sagte Laura. „Sehn wir uns mal den Atlas an. Da gibt’s auch Seiten mit Schiffsrouten. Wo könntest du hingefahren sein?“ Sie einigten sich auf die Ostküste. Dann schlug sie die Seite von Südamerika auf. „Das könnten Caracas sein, Georgetown, Panamaribo oder Cayenne. Vielleicht bist du dann den Amazonas hinaufgereist. In den Anden gelandet und dann irgendwo weiter bis Lima oder La Paz gekommen. Du hast eine Weile bei den Buschindianern am Amazonas gelebt und gute Taten vollbracht. So wie du das immer