Die Geburt der Schamanin. Hans-Peter Vogt

Читать онлайн.
Название Die Geburt der Schamanin
Автор произведения Hans-Peter Vogt
Жанр Современная зарубежная литература
Серия
Издательство Современная зарубежная литература
Год выпуска 0
isbn 9783942652506



Скачать книгу

errichtet werden, um die Aktiviät des schlafenden Vulkans ständig zu beobachten.

      Der Vulkan ist schon zu lange still gewesen, hatte Dennis gewarnt. Irgendwann wird er wieder ausbrechen. „Wir wissen nicht, wann das geschehen wird. Wir wissen, wie viele Meter Asche damals herabgeregnet sind. Wir wissen inzwischen, wie viele Menschen von dem gewaltigen pyroplastischen Strom verbrannt worden sind. Es waren Zehntausende. Wir sollten gewappnet sein. Vulkane haben stets bestimmte Zyklen. Dieser Vulkan ist seit langem überfällig. Wir wollen unsere wertvolle Ausgrabung nicht noch einmal verlieren. Schließlich wohnen hier inzwischen viele Menschen. Sie und viele Ihrer politischen Freunde haben hier Häuser. Bauen wir ein Frühwarnsystem.“

      Der Ministerpräsident hatte genickt. In den nächsten Wochen waren viele Experten befragt worden. Der Ministerpräsident hatte schließlich angeordnet, dass auf dem Berg und auch rundherum Frühwarnstationen errichtet wurden. Es gab dort bald sehr teure Messgeräte, und es gab dort ein festgebautes Haus aus Stein und Holz, in dem sich ständig ein oder zwei Vulkanologen aufhielten. Der Ministerpräsident hatte auch angeordnet, dass dieses Gebiet, das als Naturpark ausgezeichnet war, stets von mehreren Rangern bewacht wurde, die mit allen Indios Kontakt aufnahmen, die dort oben auf der Hochebene wohnten und Lamas züchteten. Straßen gab es hier oben nicht, aber Wildpfade und Trampelpfade der Lamaherden. Die Gefahr, dass Fremde hierauf kamen, war Gott sei Dank gering.

      Der Ministerpräsident hatte Dennis später einmal gesagt: „Die Ausgrabung ist derzeit unser wichtigstes aussenpolitisches Aushängeschild. Wir müssen dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Sorgen Sie für die Sicherheit der Besucher in Ihrem Hotel. Ich sorge für die Sicherhheit der Region.“

      Dennis hatte in diesem Herbst auch dafür gesorgt, dass dort neben der Solaranlage, die auf der Hochebene errichtet worden war, ein festes Haus gebaut wurde. Hier wurden Planen in ausreichender Zahl glagert, um die Solaranlage notfalls schnell abdecken zu können. Solche Planen gab es auch im Hotel, um die Solaranlage auf den Dächern zu schützen.

      Théra hätte mit diesem Wissen damals nichts anfangen können. Sie wusste davon nichts. Später einmal sollte sie erfahren, wie weise die Vorraussicht von Papa und dem Ministerpräsidenten war.

       16.

      Als der Frühling kam, kam auch Papa wieder.

      Théra hatte den Winter über gelernt, Verantwortung für ihre Schwester Clara zu übernehmen. Aber auch, wenn sie die Älteste war, so war sie doch immer noch Papas kleines Mädchen.

      Als Dennis dann gekommen war, hatte Théra ihren Papa mit Beschlag belegt. Sie erzählte ihm von ihren Erlebnissen und sie bat auch Papa von seinen Erlebnissen in dieser fernen Stadt zu erzählen. Papa hielt Wort.

      Immer wieder, wenn die Zeit dafür gut war, setzte er sich mit Théra zusammen in einen Liegestuhl, oder legte sich mit ihr auf eine Decke vor ihrem Holzhaus und er erzählte. Théra hatte viele Fragen. Sie lernte Berlin von seiner positiven Seite kennen, aber Papa erzählte auch, dass viele seiner Freunde im Verborgenen leben. Sie verstecken sich vor der Polizei, erzählte Papa.

      Théra war in einer Welt aus Geborgenheit und Liebe aufgewachsen. Nur einmal hatte sie diesen Zusammenstoß mit dem Soldaten. Jetzt hörte sie Papa mit großen Ohren und Augen zu. Eine solche Welt war neu für sie.

       17.

      In diesem Sommer passierte noch mehr. Die Siedlung der Indios wurde fertig. Die Stadt entlang des Flusses wuchs und wuchs. Eine Brücke aus Stahlbeton war gebaut worden, welche die alte Holzbrücke ersetzte. Der Staudamm unten im Tal wuchs und wuchs, und schließlich wurde der See geflutet. Über den Staudamm führte eine Straße, die man als Fussgänger und mit Tieren begehen durfte. Man kam über diesen Staudamm viel schneller in die Ausgrabung hinüber.

      Im Sommer wurde Théras kleiner Bruder Pesa geboren. Er war dunkelhaarig wie Mama und wie Théra, und auch er hatte diesen braunen warmen Augen seiner Mutter Alanque.

      Théra lernte, dass sie Mama entlasten musste. Sie fühlte sich jetzt schon groß. Manchmal fegte sie mit Mama oder Papa das kleine Haus und sie machte Besorgungen. Mama lehrte sie mit Nadel und Faden umzugehen. Bei den Indios in der Siedlung lernte sie wie man aus der Wolle der Alpaccas Fäden sponn, Decken und warme Pullover webte. Sie lernte, manchmal auf Pesa aufzupassen. Mama nahm das Baby aber fast immer zur Arbeit mit.

      Ihre Schwester war noch klein. Para kam oft mit in die Siedlung und trug Clara auf dem Arm. Sie wuselte überall unter den Indios umher und lachte sie alle an. Sie hatte inzwischen richtige Goldlocken bekommen und sie hatte dieselben energiegeladenen Hände wie ihre Schwester. In der Ausgrabung war entdeckt worden, dass zwei der Königinnen blondes Haar hatten. Die Indios wussten, dass Para, Dennis und Théra große Kräfte haben. Sie entdeckten, dass auch die kleine Clara sich genauso entwickelte. Sie konnte in die Menschen hineinhorchen. Sie galt den Indios bald als eine Art Wiedergeburt der Sonnengöttin, die dort in dem Sarkophag gefunden worden war. Die Indios glaubten an diese Dinge.

      Schließlich hatten Para und Théra schon mehrfach Kinder der Indios auf wunderbare Weise geheilt. Es waren immer Krankheiten, bei denen das Wissen der Ärzte versagte. Immer wurden Para und Théra von einem geheimnisvollen Feuer umgeben, das manchmal statisch war, das sich manchmal aber auch wild bewegte. Manchmal sprühten Funken, manchmal legte sich dieses Feuer wie ein dichter Nebel über den Raum. Tiere, die in der Nähe waren, wurden still und geradezu andächtig. Sie stellten das Fressen ein. Sie legten sich hin, sie beobachteten das Geschehen, sie winselten manchmal leise. Die Indios wussten, dass sie darüber nicht mit den Weißen reden durften. Es blieb ein Geheimnis unter den Indios.

      Para und Théra wurden bald so etwas wie Götter für die Indios. Sie wurden gerufen, wenn nichts mehr anderes half. Sie waren stets freundlich. Nie kam es vor, dass die beiden Geld nahmen. Sie ließen sich gern zum essen und trinken einladen. Sie saßen bei den Schulungen und beteiligten sich daran. Sie lernten, genauso wie auch die Indios selbst lernten. Sie waren ein Teil der Indiogruppe, und dennoch waren sie etwas Besonderes. Sie verlangten keine Unterwürfigkeit und sie hätten das strikt abgelehnt, aber sie besaßen die Hochachtung aller Indios. Diese Hochachtung wurde auch auf die kleine Clara übertragen.

      Im Hotel war es nicht anders. Es gab dort viele Indios. Manche halfen in der Küche. Ein Großteil der Zimmermädchen waren Aymara-Indianer, einige bedienten die Gäste. Dennis und Bübchen hatten dafür gesorgt, dass sie englisch lernten. Einige lernten sogar französisch und japanisch. Dennis und Bübchen (der als Direktor alles im Hotel befehligte) sorgten gut für die Indios und sie honorierten jede gute Leistung.

      Schließlich war auch die Siedlung von Papas Stiftung gebaut worden, in der alle diese Indios lebten. Die Indios hatten damals darüber diskutiert, sie hatten abgestimmt, sie hatten an den Bauarbeiten mitgewirkt, und sie hatten ihre Familien hergeholt. Ihr Herzblut steckte in dieser Siedlung. Inzwischen wohnten dort über 5000 Indios, Erwachsene und Kinder.

      Die Familie von Dennis und ihre Freunde waren für die Indios wie das beschützende und sorgende Oberhaupt ihres Clans.

      Théra hatte jetzt eine große „Familie“ bekommen. Alle diese Indios waren „ihre Familie“. Manchmal kam sie alleine mit ihren beiden Hunden und ließ sich von den Indios einladen. Sie aß mit ihnen. Manchmal schlief sie bei ihnen. Théra war ein Teil dieses Clans. Sie konnte überall ein- und ausgehen. Sie kannte nicht jeden der 5000 Indios, aber doch viele von ihnen. Auch bei den Kindern genoss sie eine seltene Hochachtung.

       18.

      Eigentlich durfte man nicht mehr nur von zwei Hunden sprechen.

      Théra war im Frühjahr mit Papa einmal ins Tal des Wasserfalls gesprungen. Die Familie hatte drei Hütehunde, die Para ihnen besorgt hatte und die inzwischen schon wieder eigene Nachkommen hatten.

      Papa fand, es sei an der Zeit, dass Théras großer irischer Wolfshund eigene Kinder bekommt. So wurde Suse (so hieß Théras Wolfshund) von dem Leitrüden der Hundemeute gedeckt.

      Im