Tatort Nordsee. Sandra Dünschede

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Название Tatort Nordsee
Автор произведения Sandra Dünschede
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994906



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der in der Kommission war und und das von Seiten des Amtes abgenommen hat, kennen Sie den?«

      »Na, Herr Saathoff, so groß ist unsere Behörde nun auch nicht. Selbstverständlich kenne ich ihn, er ist mein Chef.«

      »Ach«, August lachte ebenso verkrampft wie sonst am anderen Ende der Leitung Redenius, und er ärgerte sich über seine dumme Frage. »Den werden sie dann wohl kennen, sie arbeiten direkt für ihn, also, ich sag mal, unter ihm, Sie wissen, wie ich das meine?«

      »Noch, ja.«

      »Wieso noch?«

      »Mein Chef wird nächstes Jahr pensioniert.«

      »Dann kommt ein neuer?«

      »Es sieht so aus, dass ich dann seinen Stuhl übernehmen werde«, sagte Redenius, und diesmal, aber nur dieses eine Mal, schwang so etwas wie Genugtuung in seiner Stimme mit.

      »Freerk, was ist denn los, der Bus wartet nicht!« Henrike war genervt, weil gerade ihr Ältester an diesem Morgen nicht fertig wurde. Freerk hatte am Abend zuvor bei einem Freund Geburtstag gefeiert, versprochen, spätestens um zehn zu Hause zu sein, und war schließlich um kurz nach zwölf zurück gewesen.

      »Du riechst nach Bier, vorsichtig ausgedrückt«, hatte Henrike ihm ohne zu grüßen ins Gesicht gesagt. Sie hatte schon geschlafen, Freerk hatte seinen Hausschlüssel vergessen und so lange geklingelt, bis seine Mutter ihm geöffnet hatte. Sie war natürlich sauer, erstens wegen seiner Verspätung, zweitens, weil er mitten in der Nacht so einen Lärm veranstaltete. Zum Glück war keines der Kinder aufgewacht, und auch August hatte wie ein Bär geschlafen.

      »Die Geburtstagsfeiern, bei denen Kakao getrunken und danach Topfschlagen gespielt wird, sind eben vorbei, Mama«, hatte Freerk grinsend in der Tür stehend gesagt und war dann schnurstracks in sein Zimmer gegangen, ein »Danke fürs Türaufmachen« nuschelnd. Jetzt kam er nicht aus dem Bett, um 7.20 Uhr fuhr sein Bus. Es war bereits fast 7 Uhr, und Freerk hatte noch nicht gefrühstückt.

      »Kannst du mich mit dem Auto bringen?«, rief er zu seiner Mutter herunter.

      »Vergiss es, das kannst du selbst ausbaden.«

      »Mann, Mama, ich hab den Wecker nicht gehört, und so ganz fit bin ich heute Morgen nicht.«

      »Das wundert mich nicht. Soll ich dich jetzt bemitleiden, oder was?«

      »Ist ja gut. Aber ein Brot einpacken, das kannst du doch?«

      »Könnte ich, hier liegt aber gerade keines rum, das man einpacken könnte. Ein geschmiertes schon gar nicht.«

      »Ich möchte eins mit Käse und eins mit Salami.«

      »Mach’s dir selbst, wozu wirst du bald 17?« Henrike ärgerte sich. August war muffelig zum Melken gegangen, und nun wurde der Große nicht fertig. Ausgerechnet der. Nächstes Jahr wird er 18 Jahre alt. Wahlfreiheit, alle Rechte des freien Bürgers in der Demokratie, Führerschein (das Gebettel um das Geld dafür ging schon los) – aber morgens nicht rechtzeitig in die Socken kommen und dann noch von Mama das Butterbrot machen lassen. Henrike blieb stur.

      Schließlich kam Freerk die Treppe heruntergestürzt. »Wo sind meine Brote?«

      »Weiß nicht, wo hast du sie denn hingepackt?«

      »Och Mama, hast du wirklich keine gemacht?«

      »Nein, hab ich nicht. Ich bin nicht euer Sklave, Freerk, du wirst demnächst volljährig …« Weiter kam sie nicht.

      »Ist ja gut, hör mit den Sprüchen auf … immer dieselben … wäre ja nur mal ein Gefallen gewesen, aber wenn das schon zu viel verlangt ist … kann doch jedem mal passieren, dass er verschläft …«

      »Das sind keine Sprüche, das ist …« Freerk warf sich seine Jacke über und knallte die Tür hinter sich zu. Henrike schaute aus dem Fenster auf die Hauseinfahrt und sah Freerk nur Sekunden später auf seinem Rad Richtung Haltestelle sprinten, mit offener Jacke und der Tasche unterm linken Arm.

      »Mach die Jacke zu«, murmelte sie nutzloserweise und dachte gleichzeitig: »Na, die Brote hätte ich doch machen können.« Einen Moment zweifelte sie, ob sie nun richtig gehandelt hatte, entschied aber, dass es keinen Sinn habe, weiter darüber nachzudenken. Nur wenig später betrat August das Haus.

      »Na, fertig mit dem Melken?«, fragte Henrike, mehr um irgendetwas zu sagen.

      »Saukalt heute Morgen im Stall. Hast du Tee klar?«

      »Nein, hab ich nicht, hast du, hast du … könnt ihr nichts anderes als fragen, ob ich dies oder das gemacht habe? Ihr könnt mich mal gernhaben!« Diesmal knallte Henrike die Küchentür und verschwand im Schlafzimmer. August guckte erst einmal etwas verdattert in die plötzliche Leere. Dann verstand er, dass an diesem Morgen nicht alles so verlaufen war, wie es sollte. Er stellte den Wasserkessel auf den Herd, räumte den Frühstückstisch ab, wischte ihn sauber und platzierte zwei Tassen darauf. Nachdem er den Tee aufgegossen, das Stövchen auf den Tisch gestellt und Kluntjes in die Tassen gegeben hatte, ging er zum Schlafzimmer und öffnete behutsam die Tür. Henrike stand am Fenster.

      »Alles in Ordnung?«, erkundigte er sich so sanft es einem friesischen Bauern möglich war.

      »Ja, klar. Aber ich sehe nicht ein, warum ich euch alle von hinten bis vorne bedienen muss. Ein paar Dinge können die Kinder mittlerweile auch allein tun – die sehen gar nicht, was alles zu erledigen ist, und wundern sich nicht, wenn alles immer wieder auf wundersame Weise in Ordnung gebracht wird. Und bei dir habe ich auch manchmal den Eindruck.«

      August merkte, dass Henrikes Wut noch keineswegs verraucht war.

      »Hast wohl recht«, begann er und überlegte angestrengt, was zu sagen jetzt wohl das Beste wäre. »Vielleicht sollten wir feste Aufgaben verteilen, so nach dem Motto, du räumst den Tisch ab, du die Spülmaschine ein …«

      »… wenn schon mal nicht jeder seinen Scheiß überall einfach so liegen lassen würde. Jeden Tag räume ich hinter allen her, ich hab es satt!«

      Einen Moment war Stille. August näherte sich mit kleinen Schritten seiner Frau. Früher hatte er öfter gekocht, es hatte ihm Spaß gemacht, jedenfalls so zwei, drei Gerichte. Die konnte er. Aber in den letzten Jahren hatte es nachgelassen.Vieles war selbstverständlich geworden, Henrike wirbelte von morgens bis abends. Ein ›Danke‹ sprang dabei selten heraus, was für ihn selbst und für alle restlichen Familienmitglieder galt. Mama macht das schon.

      »Lass uns Aufgaben verteilen. Und wer nicht mitmacht, bekommt Taschengeldkürzung. Gute Worte sind prima, aber Restriktionen helfen, sie zu verstärken«, schlug August vor.

      »Na, du bist ja ein Erziehungsgenie.« Henrike schien aufzutauen. »Jedenfalls kommt das heute Abend auf die Tagesordnung. Und jetzt will ich Tee trinken, ich mach mal welchen.« Damit stand sie auf und wandte sich Richtung Treppe.

      »Ist fertig«, sagte August, der auf diesen Moment gewartet hatte.

      »Das hört sich schon besser an«, Henrike zeigte ein Lächeln, »und das nun nicht nur einmal, sondern öfter, immer öfter.«

      »Ja, ich werde in Zukunft dran denken, versprochen!« August fügte hinzu: »Soll ich am Wochenende nicht mal kochen? Du weißt, mein Gulasch ist sehr gut.«

      »Mann, bist du platt.« Henrike wusste nicht, was sie noch dazu sagen konnte, irgendwie so etwas wie ›Männer sind manchmal so furchtbar banal.‹ Andererseits war der Vorschlag an sich ja gar nicht so schlecht.

      Sie lächelte erneut. »Der Vorschlag ist o. k., Samstag oder Sonntag?«

      »Sonntag, 13 Uhr ist alles fertig.«

      »Da bin ich gespannt.« Mittlerweile waren beide in der Küche angekommen, hatten sich vor ihre Tassen gesetzt, und August schenkte ein.

      »Sieh mal, wie eine sanfte Wolke …«, flötete August. Beide schauten sich einen Moment die Sahne auf der Oberfläche des Tees an, dann küsste August Henrike auf die Stirn.