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die Wahrscheinlichkeit von cheating verringert. Da bei wiederholtem Handeln die Wahrscheinlichkeit besteht, erneut auf dieselben Akteure zu treffen, würde unnötiges cheating zu einer Belastung zukünftiger Interaktionen führen, deren Kosten erhöhen und somit den eigenen Interessen zuwiderlaufen.1 Ebenfalls besteht bei wiederholter Kooperation in Institutionen ein Transaktionskostenvorteil, da die Institution nicht jedes Mal wieder neu aufgebaut werden muss, wenn sie einmal geschaffen wurde – die Kosten für Zusammenarbeit sind versunken („sunk costssunk costs“, Stinchcombe zitiert nach Keohane 1984, 102). Somit haben Institutionen langfristig das Potential, Kosten-Nutzen-Kalkulationen der in ihr organisierten Akteure zu verändern. Mehr noch: Durch wiederholte Kooperation kann sich auch eine Kooperationsnorm entwickeln, die wiederum normkonformes Verhalten der Akteure fördert und nicht-normkonformes Verhalten sozial bestraft. Langfristig ist es so also denkbar, dass Staaten ihre Interessen zunehmend so formulieren, dass sie von vornherein kooperationskompatibel sind (Wallander et al. 1999, 9f.). Gerade mit Bezug zur deutschen Außenpolitik wurde eine derartige Erklärung ihres kooperativen und multilateral-integrativen Impetus über die vergangenen Jahrzehnte immer wieder vorgebracht (Hellmann 2007; Wallander 1999, 148ff.).

      2.1.2 Institutionen und Sicherheit

      Es gibt eine offene Debatte zwischen InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)mus und Realismus über die Anwendungsfähigkeit des InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)mus auf Sicherheitsfragen. Während die institutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)tische Schule (auch unterstützt durch liberalLiberalismuse Ansätze, s. Moravcsik 1997) die Auffassung vertritt, dass der Anwendung ihrer Theorie auch im Feld Sicherheit nichts Prinzipielles entgegensteht und sich viele Analysen von Sicherheitsphänomenen und Sicherheitsorganisationen des InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)mus bedienen (Dembinski und Hasenclever 2010; Wallander 1999), ist der NeorealisRealismus (Neo-)mus der Auffassung, dass Kooperation im Feld Sicherheit zu unbeständig ist, vermeintlich institutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)tische Erklärungen in Wirklichkeit auf andere Faktoren zurückzuführen sind und Institutionen somit im Feld Sicherheit epiphänomenal seien, also keine oder nur eine marginale Relevanz hätten (s. Kap. 3.1).1

      Die bedeutendste Kritik der Anwendbarkeit des InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)mus auf Sicherheit wurde von Mearsheimer geschrieben, dem wichtigsten Vertreter des (offensiven) NeorealisRealismus (Neo-)mus. In seiner Brandschrift The False Promise of International Institutions vertritt Mearsheimer die Auffassung, dass der InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)mus lediglich auf Kooperationssituationen anwendbar sei, in denen zwei (oder mehr) Seiten gegenseitig kompatible Interessen haben. Dies sei gerade bei Fragen von Krieg und FriedenFrieden nicht der Fall, deren fundamentale Unsicherheitsbedingung sich nicht wie ökonomische Wechselbeziehungen institutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)ieren lasse. CheatingSpieltheorie habe hier im Zweifelsfall die Konsequenz, die territoriale und politische Integrität eines Staates zu beenden bzw. ihn schlichtweg auszulöschen. Daher könne man in Sicherheitsbeziehungen nicht das Problem relativer Gewinne bzw. relativer MachtMachtkalkulationen ausblenden. Findet Kooperation in Sicherheits- und Kriegsfragen statt, seien MachtMachtbeziehungen und relative Gewinne stets ausschlaggebend (s. Kap. 3.1). Von einer Relevanz von Institutionen könne nur dann gesprochen werden, wenn Staaten eine Politik betrieben, bei denen sie relative Gewinne missachteten oder wenn Institutionen trotz relativer MachtMachtprobleme erfolgreich seien. Für beides gäbe es nur schwache empirische Befunde (Mearsheimer 1994, 14ff.).

      Mearsheimers Fundamentalopposition wurde von verschiedenen Seiten kritisiert. Bereits früher hat Keohane darauf hingewiesen, dass Institutionen die Befolgung von gemeinsamen Entscheidungen als soziale, normative Verhaltenserwartung hervorrufen. Außerdem sei es unlogisch für Staaten, sich einer Institution anzuschließen und die Interessen, deren Erreichung zur Gründung der Institution geführt haben, dann nicht zu verfolgen (Keohane 1984, 98ff.). SozialisationSozialisations-, IdentitäIdentitätts- und NormNormenbefolgungsargumente wurden danach vielfach von Konstruktivist*innen empirisch analysiert (Lebow und Risse-Kappen 1995; Katzenstein 1996), gerade auch mit Bezug zur NATO (Behnke 2000; Risse-Kappen 1996) oder zu den Außenpolitiken ihrer Mitgliedstaaten (Duffield 1999; Hemmer und Katzenstein 2002; Ostermann 2019b). Gewissermaßen als Antwort auf Mearsheimer formulieren Haftendorn, Keohane und Wallander (1999) in Imperfect Unions – Security Institutions over Time and Space, wie der Einfluss einer Sicherheitsinstitution gemessen werden kann:

      1 Feststellen der normativen Gemeinsamkeiten;

      2 Spezifizität von NormNormenen und internen Regeln, die Kooperation steuern;

      3 funktionale Differenzierung von Aufgaben zwischen Mitgliedern, durch die gegenseitige Abhängigkeitsverhältnisse entstehen (Wallander und Keohane 1999, 24ff.).

      So argumentieren McCalla (1996, 456ff.), Wallander und Keohane (1999, 41ff.) sowie Tuschhoff (1999) mit Bezug zur NATO, dass ein zunehmender InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)ierungsgrad, normative Konvergenz, die Existenz von klaren Verhaltensregeln und funktionale Vielfalt sowie AnpassungsfähigkeitAnpassungsfähigkeitTransformation maßgeblich für das Fortbestehen der Allianz und ihren politischen Erfolg, Sicherheit und Verteidigung im nordatlantischen Raum zu organisieren, gesorgt haben. Wallander (1999, 19ff.) weist zudem darauf hin, dass Interaktionen zwischen Staaten sowohl aus machtbezogenen als auch kompatiblen Interessen bestehen können – beide können in Institutionen bearbeitet werden. Ungeachtet der auch heutzutage offen zutage tretenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Seiten des Atlantiks hat die NATO ihre Fähigkeit zu dieser Konfliktbearbeitung bisher immer wieder unter Beweis gestellt.

      2.1.3 Institutioneller Wandel und die NATO

      Die NATO hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 1949 fundamental verändert. Dies drückt sich nicht nur im Wandel ihrer Mitgliederstruktur aus, sondern auch in den MachtMachtverhältnissen innerhalb der Allianz, vor allem aber in der Verschiebung ihres Aufgabenspektrums von kollektiver Verteidigungkollektive Verteidigung gegen die UdSSR hin zu kollektivem Sicherheitshandeln im Namen der Weltgemeinschaft/ UN und seit 2014 (russische KrimUkraine/Krim(krise)invasion) wieder zurück Richtung Verteidigung. Wie konnte eine Allianz, die sich erfolgreich verteidigt und ihren Gegner 1991 verloren hat, diesen Wandel überleben, ohne sich aufzulösen oder ineffektiv zu werden, wie es realistische AllianztheorieAllianztheorie vorhersagt? InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)t*innen argumentieren, dass der einzigartig hohe InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)ierungsgrad der Atlantischen Allianz, die Existenz von Regeln sowie ihre normativ-ideologiIdeologieschen Gemeinsamkeiten die TransformationTransformationsfähigkeit der NATO erklären (s. auch Kap. 6, KonstruktivismusKonstruktivismus). Tuschhoff (1999, 146ff.) unterstreicht, dass trotz der MachtMacht der USA eine MachtMachtverschiebung zugunsten Europas stattgefunden hat, weil sie durch die integrierte Militärstruktur sowie die Beteiligung an gemeinsamen Missionen Einfluss auf Politiken der USA gewannen.

      Diese Erkenntnis hebt gleichzeitig Keohanes (1984, Kap. 6) früheres Argument hervor, dass Akteure innerhalb einer Institution an ihr festhalten, wenn sie die Interessen des Akteurs repräsentiert, auch wenn diese sich in der Zwischenzeit gewandelt haben mögen. Wegen der hohen Kosten, die mit der Initiierung einer neuen Institution verbunden sind, ist es zudem u. U. sinnvoll, eine Institution zu erhalten und anzupassen, anstelle eine neue aufzusetzen. Auch in Zeiten geringeren institutionellen Ertrags fallen zudem nicht die Informationsvorteile und der Aspekt der geringeren Transaktionskosten weg. Ein psychologischer Grund für den Erhalt einer Institution kann zudem die Bevorzugung von Stabilität gegenüber Unsicherheit sein (ibid., 100ff.). Damit deutet Keohane das in der Organisationstheorie entwickelte und im InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)mus übernommene Argument der Pfadabhängigkeit (path dependency) an (Keohane 1989, 169f.; March und Olsen 1984, 745). Pfadabhängigkeit bedeutet, dass einmal Geschaffenes die Tendenz hat, entweder zukünftige Lösungswege vorzugeben – z. B. eher kooperative Lösungen als konfrontative – und sich selbst nicht abschaffen zu wollen. Somit muss man internationale Organisationen auch als Bürokratien verstehen, in denen internationale Beamt*innen ein Eigeninteresse am Fortbestand ihres Wirkens haben und u. U. unabhängig von politischen Vorgaben1 oder Krisen handeln (Barnett und Finnemore 2004; March und Olsen 1989; McCalla 1996, 456ff.). Je höher