Название | Qualitative Medienforschung |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846386477 |
Schließlich wird die Anwendung klassischer Kriterien auf qualitative Forschung in Frage gestellt, da »das Wirklichkeitsverständnis« beider Forschungsrichtungen dafür »zu unterschiedlich« (Lüders/Reichertz 1986, S. 97) sei. Ähnliche Vorbehalte formulieren schon Glaser und Strauss (1979, S. 92).
Sie »bezweifeln, ob der Kanon quantitativer Sozialforschung als Kriterium […] auf qualitative Forschung […] anwendbar ist. Die Beurteilungskriterien sollten vielmehr auf einer Einschätzung der allgemeinen Merkmale qualitativer Sozialforschung beruhen – der Art der Datensammlung […], der Analyse und Darstellung und der […] Weise, in der qualitative Analysen gelesen werden.«
Big Tent Kriterien
Aktueller schlägt Tracy (2010) acht »Big Tent« Kriterien vor. Mit diesem Begriff bezeichnet sie, dass die Kriterien sich nicht auf einen einzelnen Schritt im Forschungsprozess beziehen. In einer Validitätsprüfung in der quantitativen Forschung wird die Gültigkeit der Messung geprüft. Andere Aspekte, werden eher außer Acht gelassen, etwa ob in der jeweiligen Studie überhaupt ein relevantes Problem (vgl. Charmaz 2014, die dies als Kriterium für Grounded Theory Forschung formuliert) untersucht wird. Tracy bezieht solche Aspekte ebenfalls mit ein und definiert ihre Kriterien wie folgt:
»[…] high quality qualitative methodological research is marked by (a) worthy topic, (b) rich rigor, (c) sincerity, (d) credibility, (e) resonance, (f) significant contribution, (g) ethics, and (h) meaningful coherence« (2010, S. 839). Dabei beschreibt sie alle Kriterien detaillierter. Bspw. bezeichnet »Worthy topic«: »The topic of the research is relevant; timely; significant; interesting«. »Rich rigor« bezieht sich auf Folgendes: »The study uses sufficient, abundant, appropriate, and complex theoretical constructs; data and time in the field; sample(s); context(s); data collection and analysis processes« (2010, S. 840; S. 841).
Im Kriterium »credibility« sind Strategien wie Triangulation, member checks und der Umgang mit abweichenden Fällen (hier unter dem Stichwort ›multivocality‹ diskutiert) zusammengefasst (2010, S. 844). Tracys Vorschläge sind aber ebenfalls mit dem Problem konfrontiert, das den Ansatz von Lincoln und Guba (1985) betrifft: Es lassen sich keine Grenzen (oder Grenzwerte) definieren, wieviel »worth«, »rigor«, »credibility« oder »sincerity« gegeben sein sollten, damit eine Studie diese Kriterien erfüllt. Ihre Kriterien sind allerdings Orientierungspunkte für eine Bestimmung der Qualität in der qualitativen Forschung.
Fazit
Es sollte deutlich geworden sein, dass die Fragen der Qualität, Qualitätssicherung und -förderung in der qualitativen Forschung noch nicht hinreichend beantwortet sind, auch wenn die Sensibilität für diese Themen in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist. Die Antwort wird zwischen der Formulierung von Kriterien und der Entwicklung von Strategien gesucht. Sowohl Kohärenz als auch Validität werden in diesem Zusammenhang als mögliche Kriterien diskutiert (etwa bei Steinke 1999), gleichzeitig aber auch als Ausgangspunkt für die Formulierung von Strategien der Geltungsbegründung genommen. Im einen Fall lässt sich durch die Beantwortung der Indikationsfrage und durch die Anwendung von Strategien des Qualitätsmanagements (→ Reichertz, S. 27 ff.) ein Beitrag zur Kohärenz qualitativer Forschung leisten. Im anderen Fall wird der Akzent von der Validität zur Validierung verlegt, wobei ebenfalls eher der gesamte Forschungsprozess als der einzelne, einer Validitätsprüfung zu unterziehende Schritt (etwa die Durchführung eines Interviews) in den Blick gerät.
Anmerkungen
1 Für eine auf diese Form der Kohärenz abzielende Darstellung qualitativer Methoden und Schritte des Forschungsprozesses vgl. Flick 2016.
2 Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob die klassischen Kriterien auf qualitative Forschung übertragbar sind bzw. warum nicht vgl. Steinke 1999.
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