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Geltungskreis, etwa nicht nur in Bayern, sondern in Deutschland oder weltweit. Nach dem Ansatz des »Kritischen Rationalismus« (vgl. als klassischen Text Popper 2002 [1934]) lassen sich Hypothesen nicht verifizieren, d. h. als wahr beweisen, weil nie alle denkbaren Fälle, Orte und Zeitpunkte untersucht werden können. Für eine Falsifikation ist dagegen grundsätzlich nur ein einziger widersprüchlicher Fall notwendig. Zumindest kann der Forscher festlegen, wann die Hypothese als falsifiziert gilt, etwa wenn die Lebenserwartung von Frauen nicht »statistisch signifikant« höher ist als von Männern. Aus der Falsifikation von Theorien oder andererseits ihrer Bewährung lassen sich aus dieser Sicht eindeutigere Erkenntnisse gewinnen als aus einem Versuch der Verifikation.

      Die folgende Tabelle fasst in der linken Spalte die Merkmale der quantitativen Forschungslogik nochmals zusammen. Es wird deutlich, dass diese Merkmale zwar auch den Umgang mit Zahlen beinhalten (z. B. durch die Anwendung statistischer Verfahren, Häufigkeitsverteilungen als Befunde), sich aber keineswegs darin erschöpfen.

      Die rechte Spalte zeigt spiegelbildlich die Charakteristika qualitativer Forschungslogik, die in dieser Einführung nicht vertieft werden können (s. dazu z. B. Flick 2007, Przyborski/Wohlrab-Sahr 2013). Typisch dafür sind unter anderem nicht standardisierte Erhebungsinstrumente (offene Interviews in Gesprächsform, unstrukturierte Beobachtungen etc). Ein wichtiger Aspekt besteht darin, dass der Forscher offen an die Fragestellung herangeht. Dies bedeutet nicht, dass er gar nicht erst eine Fragestellung formulieren müsste. Aber er ist offen für Aspekte, die sich erst aus dem Material ergeben, die er nicht durch Vorab-Überlegungen bereits vor der Erhebung festgelegt hat. Entsprechend besteht ein häufiges Ziel qualitativer Verfahren darin, ein theoretisches Konzept zu entwickeln (nicht zu prüfen), das zugleich bereits auf empirische Daten bezogen ist. Damit streben auch qualitative Untersuchungen die Formulierung allgemeinerer theoretischer Aussagen an. Aufgrund der Forschungslogik und des konkreten Vorgehens verallgemeinern sie jedoch auf anderen Wegen als durch statistische Repräsentativität. Qualitative und quantitative Forschung unterscheiden sich nicht allein durch das methodische Vorgehen im engeren Sinne, sondern bereits durch methodologische bzw. erkenntnistheoretische Herangehensweisen, das heißt durch Grundannahmen, die die Methoden beeinflussen (z. B. Annahmen dazu, welche Rolle die Situation und generell der Kontext für Verhaltensweisen einnehmen und wie man sie berücksichtigt).

      Tab. 3.1: Die Forschungslogik quantitativer und qualitativer Methoden

Quantitative MethodenQualitative Methoden
Schwerpunkt: Beschreibung oder theoriegeleitete ErklärungSchwerpunkt: Beschreibung oder Theorieentwicklung
Herausarbeitung von Mustern und Regelmäßigkeiten durch die Betrachtung vieler FälleUntersuchung von Zusammenhängen im Kontext jeweils von Einzelfällen bei eher wenigen Fällen
Eher linearer Forschungsablauf nach Regelgerüst; u. a. Klärung vor der Datenerhebung, was man wozu erhebt → Ergebnisse können Hypothesen oder Forschungsfragen zugeordnet werdenEher nicht linearer Forschungsablauf; u. a. Offenheit für Aspekte, die sich während der Forschung ergeben, z. B. Prioritäten der Befragten oder Kontexteffekte
Trennung von Datenerhebung und AuswertungTrennung dieser Schritte nicht unbedingt, auch Hin-und-Her-Bewegung möglich
Standardisierte DatenerhebungNicht standardisierte Datenerhebung
Auswertung oft mit statistischen VerfahrenStatistik untypisch (stattdessen z. B. hermeneutische Verfahren)
Meist statistische Repräsentativität angestrebtKein Anspruch auf Repräsentativität, Verallgemeinerung z. B. durch Typenbildung oder Erkennen einer allgemeinen Struktur am Einzelfall

      Oft wird eine Trennlinie nicht zwischen quantitativen und qualitativen Methoden gezogen, sondern präziser zwischen quantitativer/qualitativer Forschung einerseits und interpretativer Forschung andererseits. Letztere zeichnet sich dadurch aus, dass sie fallrekonstruktiv vorgeht, dass sie also Sinnzusammenhänge im Kontext am Einzelfall herausarbeitet und erst dann z. B. im Fallvergleich Typen konstruiert (vgl. z. B. die Beiträge in Mey/ Mruck 2014, insbesondere von Hans-Georg Soeffner und von Ronald Hitzler; Keller 2012).

      Es geht dabei nicht darum, sich zu entscheiden, welche Forschungslogik man prinzipiell »besser« findet. Vertreter der Richtungen haben verschiedene Vorwürfe gegen die jeweils andere Richtung vorgetragen. So pauschal stimmen sie jedoch auf beiden Seiten nicht. Weder ist beispielsweise die qualitative bzw. die interpretative Forschung per se »lebensnäher« (bzw. in diesem Ziel erschöpft sich die Forschung nicht), noch ist die quantitative Forschung per se aussagekräftiger auf der Basis von Standardisierung und statistischer Repräsentativität. Somit ist keine Forschungsrichtung einer anderen grundsätzlich überlegen, sie haben zum einen ihre jeweiligen Anwendungsbereiche – je nach der Art der Forschungsfrage –, zum anderen gibt es unter Umständen Verknüpfungsmöglichkeiten verschiedener Vorgehensweisen (vgl. Kap. 4.7). Eine gute Kenntnis quantitativer, qualitativer und interpretativer Forschungslogiken ist daher eine sinnvolle Basis für eine methodologisch reflektierte und methodisch sauber vorgehende empirische Sozialforschung.

      In einer Übersicht sieht ein Ablaufschema der quantitativen Forschungsschritte so aus (siehe Tab. 3.2).

      Diese Schritte werden in den folgenden Kapiteln näher, auch im Kontext der verschiedenen Erhebungsinstrumente und an Beispielen vorgestellt. Im Überblick lässt sich vorab sagen, dass Forschende in der Präzisierungsphase ausformulieren, was genau sie wissen wollen. Man erfindet dabei das Rad kaum neu, sondern stützt sich auf Fachliteratur zum Thema, um wichtige Dimensionen herauszuarbeiten, Begriffe zu konkretisieren und Hypothesen zu formulieren. In der Operationalisierungsphase hat die Forscherin daraufhin die Aufgabe, festzulegen, wie die präzisierten Sachverhalte gemessen bzw. wie die Forschungsfragen und Hypothesen in empirische Prozeduren übersetzt werden sollen. Eine Herausforderung besteht darin, den klaren roten Faden beizubehalten: Es geht nicht darum, welche Aspekte man zur groben Themenstellung potenziell erheben könnte, sondern wie sich die Hypothesen und konkreten Forschungsfragen ganz genau empirisch umsetzen lassen. Der Forscher reflektiert also im Idealfall seine methodischen Entscheidungen daraufhin, was er eigentlich wissen will und ob die methodischen Entscheidungen dazu beitragen. Am Ende dieses Schritts stehen ein anwendungsbereites Erhebungsinstrument und genaue Planungen dazu, wann, wo, bei wem, in welcher Situation das Instrument einzusetzen ist. Ein Pretest prüft die Praxistauglichkeit des Instruments, bevor es in der Haupterhebung bei einer größeren Zahl von Fällen eingesetzt wird. In der Phase der Auswertung und Interpretation werden die Befunde systematisch auf die Hypothesen, die Forschungsfrage insgesamt zurückbezogen und Schlussfolgerungen für einen Erkenntnisgewinn im Rahmen des bisherigen Forschungsstands gezogen. Eine empirische Untersuchung endet also keineswegs mit der statistischen Auswertung, sondern der Forscher bündelt die Ergebnisse und zieht Schlussfolgerungen, was er in verschiedenen Formen tun kann, etwa durch einen Forschungsbericht, Fachpublikationen, bei anwendungsorientierten Forschungen (z. B. der Evaluation neuer Arbeitszeitregelungen in Betrieben) etwa auch einschließlich praktischer Umsetzungsempfehlungen.

      Tab. 3.2: Forschungsschritte der quantitativen Sozialforschung

      Diese Linearität des Forschungsablaufs ist ein grundsätzliches Merkmal der quantitativen Forschung. Dennoch handelt es sich um ein idealtypisches Ablaufschema, das in der Praxis im Einzelnen auch durchbrochen wird. So wird ein Forscher schon früh damit beginnen, seinen Zugang zum Feld zu klären, nicht erst nach dem Abschluss des Pretests (erklären sich z. B. Unternehmen dazu bereit, dass man die Mitarbeitenden befragt, will der Betriebsrat den Fragebogen vorab sehen etc.). Und andererseits hindert den Forscher prinzipiell nichts daran, Auswertungen vorzunehmen – und so Hypothesenprüfungen zu ergänzen oder zu differenzieren –, die er nicht bereits vor oder spätestens während der Operationalisierung formuliert hatte. Dies funktioniert allerdings nur dann, wenn er die dafür notwendigen Daten auch erhoben hat.