Название | Medienrezeptionsforschung |
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Автор произведения | Helena Bilandzic |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846340035 |
1 Sie lernen die in der Medienrezeptionsforschung untersuchten Phänomene (Verarbeitung und Erleben) kennen.
2 Sie können die Medienrezeptionsforschung in der Kommunikationswissenschaft verorten und von anderen Traditionen der Forschung zu den Medienrezipierenden unterscheiden.
3 Sie verstehen die Charakteristika der Auseinandersetzung mit einer Medienbotschaft (subjektive Interpretation, Zeit, Intensität und Beschaffenheit).
1.1 Medienrezeptionsforschung als Feld
1.1.1 Reichweite der Medienrezeptionsforschung
Es ist schwer, sich unsere heutige Welt ohne Medien vorzustellen: Das Angebot an traditionellen Massenmedien wie Fernsehen, Hörfunk und Zeitungen ist ungeheuer vielfältig; das Internet sorgt dafür, dass Inhalte aus diesen traditionellen Massenmedien sowie von den Usern generierter Inhalt überall und jederzeit verfügbar sind. Die Medienrezeptionsforschung widmet sich der Frage, wie diese Medien und Medieninhalte von Menschen verarbeitet und erlebt werden.
Definition: Medienrezeptionsforschung
Die Medienrezeptionsforschung untersucht Verarbeitung und Erleben von Medien und medienvermittelten Inhalten.
Die folgenden Fragestellungen sind typisch für die Rezeptionsforschung:
Was verstehen Zuschauerinnen und Zuschauer von einer durchschnittlichen Sendung der Tageschau?
Wann denken Zuschauerinnen und Zuschauer, dass Sendungen wie CSI der Realität entsprechen?
Warum haben Leserinnen und Leser Mitleid mit Harry Potter, der doch eindeutig nicht wirklich existiert?
Warum fühlen sich manche Menschen von Germany’s Next Top Model unterhalten, andere nicht?
Warum trauern Menschen, wenn eine beliebte Serienfigur in einer Serie stirbt?
Lesen Eltern Zeitungsartikel zur frühkindlichen Bildung anders als Nicht-Eltern?
Warum mögen nicht alle Männer Sportberichterstattung und warum nicht alle Frauen romantische Komödien?
Derartige Fragestellungen kann man mit den zwei Prozessen, die wir oben bereits genannt haben, beschreiben: Verarbeitung und Erleben beziehen sich auf die kognitive, emotionale und verhaltensbezogene Aktivität von Rezipierenden, die auf einen bestimmten Medientext gerichtet ist.
Definition: Medientext
Medientext wird hier umfassend gebraucht als medialer Inhalt mit seinen spezifischen formalen Merkmalen (etwa Fettdruck oder grafische Elemente in der Zeitung, Schnittfolge oder Animationen im Fernsehen), unabhängig davon, ob es sich um eine textliche, visuelle, auditive oder audio-visuelle Vorlage handelt.
Definition: Rezipient und Rezipientin/Rezipierende
Rezipierende sind Personen, die aktuell einen Medientext verarbeiten, und ihn auf eine bestimmte Weise erleben.
Verarbeitung bezeichnet die mentalen Vorgänge, die im Menschen ablaufen, wenn er oder sie sich einem Medientext widmet. Hier spielen Aufmerksamkeit, bestehendes Wissen, die interpretative Transformation und Speicherung medial vermittelter Informationen eine Rolle. Diese Fragen werden in Kapitel 2, Verarbeitung von Medieninhalten, behandelt und werden auch in den Kapiteln zum Erleben (s. u.) immer wieder thematisiert.
Erleben beschreibt die Art und Weise, wie ein Medientext empfunden und interpretiert wird und welche Erlebnisse er den Rezipierenden ermöglicht. Dies ist der größte Bereich der Rezeptionsforschung und umfasst die meisten Kapitel in unserem Buch. In diesem Bereich besprechen wir,
wann Rezipierende Verbindungen zwischen sich und dem Medientext herstellen können (Kapitel 5: Involvement, Resonanz und Selbstreferenzierung),
wie Medientexte Emotionen ansprechen (Kapitel 6: Emotion und Stimmung),
wie Rezipierende sich in Medientexte vertiefen und die Vermittlung durch ein Medium ausblenden (Kapitel 7: Narratives Erleben und Präsenz),
wie Rezipierende Medienfiguren erleben (Kapitel 8: Wahrnehmung von Medienfiguren),
unter welchen Umständen Medientexte als realistisch empfunden werden, sogar dann, wenn sie fiktional sind (Kapitel 9: Realitätsbezug und empfundener Realismus),
wie das Gefühl der Unterhaltung zustande kommt (Kapitel 10: Unterhaltung und Rezeptionsvergnügen),
wie Menschen Medientexte verarbeiten, die sie von einer bestimmten Meinung überzeugen oder zu einem bestimmten Verhalten bewegen wollen (Kapitel 11: Verarbeitung persuasiver Kommunikation), und
wie soziale Dimensionen der Medienrezeption aussehen können (Kapitel 12: Soziale Dimensionen der Medienrezeption).
Dem Verarbeiten und Erleben ist die Auswahl dessen vorgelagert, was rezipiert werden soll. Selektion bezeichnet die Auswahl eines Mediums oder einer Medienbotschaft. Ein Mensch kann etwa zwischen den verschiedenen Medientypen Fernsehen, Hörfunk, Zeitung und Internet auswählen; zwischen verschiedenen Medienprodukten (z. B. ARD und ZDF oder Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung), zwischen inhaltlichen Angeboten (in der Zeitung: Nachricht, Glosse, Kommentar; im Fernsehen: Nachricht, Film, Dokumentation) oder die Aufmerksamkeit auf verschiedene Informationen innerhalb eines konkreten Angebotes richten (vgl. Donsbach, 1989). Modelle, die Selektion und Gründe der Selektion darstellen, werden in Kapitel 3 (Selektivität und Gratifikationen) besprochen; Selektivität in digitalen, interaktiven, partizipativen Medienumgebungen wird auch Gegenstand von Kapitel 4 (Interaktivität) sein.
Der Schwerpunkt dieses Lehrbuches liegt auf den psychischen Prozessen und dem subjektiven Erleben von Individuen, die wir als Basis für weitergehende Prozesse der Wirkung betrachten; im individuellen Erleben manifestieren sich jedoch auch kulturelle Aspekte, und das Erleben ist umgekehrt ebenfalls von diesen beeinflusst. Was es bedeutet, Kultur als Faktor und Bedingung der Rezeption einzubeziehen, werden wir in Kapitel 13 (Kulturelle und interkulturelle Dimensionen der Medienrezeption) besprechen.
1.1.2 Verortung in der Kommunikationswissenschaft
Die Kommunikationswissenschaft gliedert sich klassisch nach den Elementen des Kommunikationsprozesses, die in einer eingängigen und vielzitierten Formulierung von Harold Lasswell (1948) zu finden sind: »who says what to whom in what channel with what effect«. Maletzke (1963, S. 35 f.) reduziert die Elemente auf folgende vier, die jeweils mit den großen Forschungsfeldern der Kommunikationswissenschaft verknüpft sind (vgl. Pürer, 2014, S. 109):
1 Der Bereich Sender untersucht Prozesse der Produktion und des Zustandekommens medialer Botschaften. Er findet sich in der Kommunikator- oder Journalismusforschung wieder (vgl. Maier, Stengel & Marschall, 2010; Neuberger & Kapern, 2013).
2 Der Bereich Inhalt verweist auf die Medieninhaltsforschung, die die Aussagen selbst sowie Muster darin betrachtet, etwa zu Gewalt, Nachrichten oder sozialen Rollen (vgl. Bonfadelli, 2002; Maurer & Reinemann, 2006).
3 Der Bereich Medium findet sich in Feldern wie etwa der Mediensystemforschung, Medienpolitik oder Medienökonomie wieder und untersucht Bedingungen, Struktur und Funktionsweisen von Mediensystemen (vgl. Beck, 2012; Puppis, 2010; Pürer & Raabe,