Название | Globalisierung |
---|---|
Автор произведения | Christoph Scherrer |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846334003 |
|11◄ ►12|
Definition
Wir wollen im Folgenden mit einer sehr allgemeinen Definition arbeiten: Mit dem Begriff „Globalisierung“ wird ein Prozess des Bedeutungsschwunds nationaler Grenzen für menschliche Aktivitäten bezeichnet, der mit einem Bedeutungsgewinn für globale Bezugspunkte einhergeht.
Dimensionen der wirtschaftlichen Globalisierung
Der Begriff „Wirtschaft“ umfasst viele unterschiedliche Aktivitäten, die wir wie folgt gruppieren: Handel mit Gütern, Handel mit Dienstleistungen, Organisation der Produktion, kurz- und langfristige Kapitalinvestitionen und Angebot von Arbeitskraft.
Der grenzüberschreitende Handel nahm in den letzten Jahrzehnten rasant zu, und zwar schneller als die wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb der meisten Länder, so dass sich das Gewicht von Im- und Exporten für die einzelnen Volkswirtschaften deutlich erhöht hat. Während der Außenhandel für Deutschland schon immer wichtig war, nahm er beispielsweise in den USA in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts rasant zu, in Indien in diesem Jahrtausend.
Schaubild 1: Entwicklung des grenzüberschreitenden weltweiten Warenhandels von 1950 bis 2007 Index (1950 = 1), in konstanten Preisen, Zuwächse in Prozent
Quelle: World Trade Organization (WTO): International Trade Statistics 2005, 2008; eigene Berechnungen, Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de, Bundeszentrale für politische Bildung 2009: www.bpb.de
|12◄ ►13|
Dienstleistungen wie Haare schneiden waren lange gerade dadurch definiert worden, dass sie nicht gehandelt werden konnten, da Erbringung und Verbrauch zeitlich zusammenfallen. Dank des Internets können Dienstleistungen auch grenzüberschreitend erbracht werden, z.B. durch Online-Kurse der britischen Open University. Doch bereits zuvor konnten die Kunden der Dienstleister aus dem Ausland kommen, z.B. Touristen, oder die Dienstleister konnten zu den Kunden kommen, z.B. IngenieurInnen bei Staudammbauten. Die treibenden Kräfte, Dienstleistungen global zu erbringen, sind Banken und Versicherungen, die vor Ort Tochtergesellschaften gründen, die dann dort die jeweilige Kundschaft bedienen.
Ein großer Teil des Außenhandels findet zwischen Tochter- und Muttergesellschaften innerhalb von transnationalen Konzernen statt. Die fokalen Unternehmen, z.B. ein Endprodukthersteller, lenken heute nicht nur ihre Tochtergesellschaften, sondern auch rechtlich selbstständige Zulieferunternehmen in einer zunehmend globalen Herstellerkette (Wertschöpfungskette).
Der Aufbau solcher Wertschöpfungsketten, aber auch die Erbringung von Bank- oder Versicherungsdienstleistungen vor Ort bedarf einiger Maßnahmen. Dazu gehören Investitionen in Bauten und/oder Maschinen bzw. die Beteiligung an oder der Kauf von bereits vorhandenen Fabriken oder Bürogebäuden. Diese werden „ausländische Direktinvestitionen“ genannt (üblich ist die englische Abkürzung für Foreign Direct Investments: FDI) und bei ihnen steht die Kontrolle über die Investition im Vordergrund. Bei Portfolioinvestitionen hingegen sind die Kapitalgeber vor allem darin interessiert, die erworbenen Wertpapiere gegebenenfalls rasch verkaufen zu können. Zum Teil werden eher Veräußerungsgewinne angestrebt als Dividenden oder Zinszahlungen.
Globalisierte Menschen
Während die Hürden für grenzüberschreitende wirtschaftliche Transaktionen Schritt für Schritt abgebaut werden (→ Abschnitt politische Dimensionen der Globalisierung), haben viele Länder die Zuwanderung von Arbeitskräften in den letzten Jahrzehnten stark beschränkt. Gleichwohl nahm weltweit die Migration von Menschen nicht nur im Vergleich zu den Sechzigerjahren zu. Zu den Ursachen zählen viele Faktoren, u.a. das riesige Lebensstandardgefälle auf der Welt, die Deindustrialisierung der Länder der ehemaligen Sowjetunion (in der Ukraine stieg die Arbeitslosigkeit unter Frauen auf 80 Prozent an, Sassen 2006: 129), aber auch Kriege. |13◄ ►14| Besonders ausgeprägt ist die Binnenwanderung vom Land in die Slums der großen Metropolen im globalen Süden (z.B. Mumbai) aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Verdrängung der wenig effizienten Subsistenzlandwirtschaft, die primär der Eigenversorgung dient. In die entgegengesetzte Richtung zur Arbeitsmigration fließt in vielen kleinen Beträgen Geld in die Ursprungsländer zurück. Diese Rücküberweisungen – z.B. von MigrantInnen an ihre Familien im Heimatland – übersteigen mittlerweile insgesamt die öffentliche Entwicklungshilfe.
Für zwei Kategorien von Grenzüberschreitungen von Menschen bestehen kaum Einschränkungen. Zum einen ist eine wachsende Zahl an höher qualifizierten MitarbeiterInnen von transnationalen Konzernen für kurze oder längere Zeit im Ausland tätig. Zum anderen verbringen insbesondere die Menschen in den kleineren, reichen Ländern zu einem sehr hohen Prozentsatz einen Teil ihres Urlaubs ebenfalls im Ausland. Ungefähr 70 Prozent aller Urlaubsreisen der Deutschen haben das Ausland als Ziel. Für gering qualifizierte Menschen bestehen rigide Einschränkungen ihrer grenzüberschreitenden Mobilität. Dies beeinflusst jedoch nicht zwangsläufig die Entscheidung zu migrieren. Dementsprechend leben zunehmend Menschen als „Illegalisierte“ ohne legalen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung.
Schaubild 2: Trends in der internationalen Migration seit 1960
Quelle: Globale Trends 2010, Frankfurt/M: Fischer Taschenbuch Verlag
|14◄ ►15|
Globalisiert trotz geringer Teilhabe an der Weltwirtschaft?
Obwohl große Teile der Welt nur geringfügig am weltwirtschaftlichen Austausch teilnehmen, was insbesondere auf die meisten Länder Afrikas zutrifft, erfolgt deren geringe Einbindung nicht aus freiem Willen, sondern ist Folge ihrer Schwierigkeiten, sich in der globalen Arbeitsteilung erfolgreich zu behaupten. Der geringe Anteil Afrikas am Welthandel (nur 3% der Weltexporte ging 2008 von afrikanischen Ländern aus), bedeutet jedoch nicht, dass diese Länder vom Weltmarkt abgekoppelt sind:
• Hinter den geringen Exporterlösen versteckt sich auf Grund der geringen Produktivität eine große Zahl an Erwerbstätigen: Knapp ein Viertel der Bauern in Äthiopien (ungefähr ein Achtel der Erwerbsbevölkerung) baut Kaffee für den Export an und spürt somit die Schwankungen des Weltmarktpreises für Kaffee.
• Umgekehrt beeinflusst die Nahrungsmittelhilfe die lokalen Marktpreise in Afrika.
• Die zahlreichen Bürgerkriege werden nicht zuletzt durch den Handel mit Edelsteinen finanziert.
• Ungefähr 40 Prozent des afrikanischen Geldvermögens soll laut Schätzungen außerhalb des Kontinents angelegt sein.
• Aus vielen afrikanischen Ländern ist die akademische Elite ausgewandert.
• Die Mehrzahl der afrikanischen Länder ist überschuldet und muss daher die Auflagen des Internationalen Währungsfonds erfüllen.
Dimensionen der kulturellen Globalisierung
Mitte der Neunzigerjahre forderten MusikerInnen in Deutschland erstmalig die Einführung einer Radioquote. Diese sollte festlegen, dass ein bestimmter Anteil der im Radio gespielten Musik deutschsprachig ist. Damit sollte ein Beitrag zur Erhaltung der kulturellen