Regionalentwicklung. Tobias Chilla

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Название Regionalentwicklung
Автор произведения Tobias Chilla
Жанр Математика
Серия
Издательство Математика
Год выпуска 0
isbn 9783846345665



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vielfältige Illustration. Dabei konnten wir dankenswerter Weise auf zahlreiche Abbildungen und Karten von Kollegen aus verschiedensten Institutionen zurückgreifen, die uns oft großzügig ihre Arbeiten zur Verfügung stellten. Großer Dank gilt in diesem Zusammenhang dem Erlanger Kartographen Dipl.-Geogr. Stephan Adler, der unsere Illustrationswünsche geduldig, ästhetisch und akkurat umsetzte. Herzlicher Dank gilt sodann Frau Melanie Reisch B. A., die mit ihren stets zielführenden und kreativen Recherchen und Zuarbeiten eine wichtige Stütze bei der Erstellung des Buches war. Zu danken habe wir darüber hinaus dem Ulmer Verlag in Stuttgart, wo uns Frau Sabine Mann M. A. eine außerordentlich freundliche und flexible Betreuung war.

      Erlangen und Weihenstephan im Juli 2016

      1.1Regionen und ihre Entwicklung –

      ein weites Feld

      Regionalentwicklung ist ein Themenfeld, das sich durch eine starke alltagsweltliche Verankerung auszeichnet: „Wie es so ausschaut“ in einer Region und wie sich diese entwickelt – diese Frage ist bei Weitem nicht nur von wissenschaftlichem Interesse. Die örtlichen Tageszeitungen berichten über aktuelle Entwicklungen in der Region, die Hausbesitzer beobachten die lokalen Immobilienpreise, der Unternehmer ist wegen des demographischen Wandels mit dessen Folgen für die Verfügbarkeit von Arbeitskräften besorgt, der Pendler macht sich im allmorgendlichen Stau Gedanken um metropolitane Verflechtungen, die Bürgermeisterin denkt an die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Gemeinde – Regionalentwicklung ist überall.

      Das vorliegende Lehrbuch hat zum Ziel, dieses große und komplexe Thema so aufzubereiten, dass die wissenschaftliche und praktische Befassung mit dem Thema erleichtert wird. Im deutschsprachigen Bereich liegt bislang kein Lehrbuch zur Regionalentwicklung vor, im Gegensatz zur Situation in der englischsprachigen Literatur (z. B. Pike et al. 2011).

      In einem solchen Zugang bestehen große Synergien mit benachbarten (und ‚überlappenden‘) Themenbereichen: Lehrbücher der Wirtschaftsgeographie (z. B. Braun & Schulz 2012), Raumplanung (z. B. Priebs 2013) und Regionalökonomie (z. B. Maier et al. 2012) sind hier wichtige Impulsgeber für die Befassung mit Regionalentwicklung. Auch Sammelbände mit sektoralen, konzeptionellen oder regionalen Ansätzen haben in den vergangenen Jahren einige Verbreitung gefunden (Kulke 2010, Gebhardt et al. 2013, Kühne & Weber 2015). Der interdisziplinäre Charakter der Analyse von regionaler Entwicklung setzt zwingend voraus, das Wissen aus verschiedenen Perspektiven einfließen zu lassen. Allerdings erscheint es sinnvoll, eine strukturierte, synoptische Arbeitshilfe für die Reflexion von regionaler Entwicklung zu formulieren, und diese möchte das vorliegende Lehrbuch bieten. Die Autoren des Bandes haben sich dabei vor allem an den folgenden Punkten orientiert:

       Theorie und Praxis: Regionalentwicklung wird im Folgenden sowohl aus der wissenschaftlichen Sicht (analytische Perspektive) reflektiert, vor allem aber werden auch die mögliche Handlungs- und Politikoptionen erörtert (normative Perspektive). Dies schlägt sich auch in der Illustration theoretischer Ansätze mit Fallbeispielen nieder.

       Multiperspektivität: Auch im Bereich der Regionalentwicklung gibt es keine ‚letzten Wahrheiten‘. Stattdessen sehen wir ein komplexes Wirkgefüge, das mit verschiedenen wissenschaftlichen ‚Brillen‘ beobachtet und reflektiert werden kann, und das im Hinblick auf die politischen Handlungsmöglichkeiten fast ausnahmslos umstritten ist. Es soll im Folgenden zumindest exemplarisch dargestellt werden, welche unterschiedlichen Perspektiven und Prioritäten vertreten werden. So macht es einen wesentlichen Unterschied, ob man eher dem Ausgleichspostulat der klassischen Ökonomie anhängt, oder ob man von einer grundsätzlichen Tendenz zur regionalen Polarisierung ausgeht.

       Pars pro toto: Es ist offensichtlich, dass das vorliegende Buch nicht vollständig sein kann. Die Themen jedes (Unter-)Kapitels werden an anderer Stelle in Form eigener Monographien behandelt. Es ist der Preis für eine übergeordnete Systematik, dass nicht alle Anwendungsfelder bearbeitet werden können.

       Regionaler Fokus: Der Fokus des vorliegenden Buches liegt auf Deutschland, wobei europäische Bezüge durchgängig im Blick gehalten werden. Auch darüber hinausgehende Argumente werden in Bezug genommen, beispielsweise Entwicklungen in den Vereinigten Staaten, wo Raumentwicklungsprozesse in aller Regel mit geringerer politischer Einflussnahme erfolgen als in Westeuropa. Der räumliche Fokus ist vor allem dadurch begründet, dass die Instrumente der Regionalentwicklung und deren historisch gewachsene Verankerung sich in hohem Maße zwischen den Staaten unterscheiden.

      Das vorliegende Lehrbuch stellt sich dieser recht umfassenden Aufgabe mit einem betont formalen Aufbau, insbesondere aus Gründen der Übersichtlichkeit: Kap. 1 erläutert die Begriffe ‚Region‘ und ‚Entwicklung‘, bevor Kap. 2 den ‚Werkzeugkasten‘ öffnet und rechtliche, finanzielle sowie persuasive Instrumente vorstellt. Kap. 3 erörtert die Handlungsfelder Wirtschaft, Gesellschaft und Natur vor dem Hintergrund des zur Verfügung stehenden Instrumentariums, bevor das Schlusskapitel Maßstäbe für eine ‚gute‘ Regionalentwicklung diskutiert und eine synoptische Betrachtung vornimmt.

      Die textliche Argumentation ist um eine solide Verankerung in der fachlichen Diskussion und zugleich um die stete Illustration mit Fallbeispielen bemüht. Wo ausführlichere Informationen sinnvoll erscheinen, greifen wir zum einen auf Textboxen zurück, in denen zentrale Inhalte vertieft und ergänzend dargestellt werden. Besonders aussagekräftige Fallbeispiele werden ebenfalls aus dem Fließtext herausgenommen und als eigenes Format dargestellt. Beide Elemente können übersprungen werden, ohne dass der Argumentationsfluss unterbrochen wäre.

      Der vermeintlich klare Begriff der Region ist bei näherem Hinschauen oft nur schwer greifbar, selten eindeutig definierbar – zwei Beispiele aus dem Norden und dem Süden Deutschlands zeigen dies: Wo und was ist eigentlich das Allgäu ? Dies kann man als touristischen Kernraum nahe Oberstdorf verstehen oder als die institutionalisierte Planungsregion, die mehrere Landkreise und kreisfreie Städte umfasst (Lindner & Böckler 2002). Und was ist die Region Hamburg ? Wo fängt sie an, wo hört sie auf ? Man mag Hamburg als (Hanse-)Stadt oder als Metropolregion definieren (s. Abb. 1). Die Arbeitsmarktregion überschreitet die Grenzen des Stadtstaats erheblich und ist ein Argument für eine großräumigere Kooperation, wobei dann überrascht, dass in der Metropolregion Hamburg die Stadt Kiel nicht einbezogen ist, zu der erhebliche Pendel-Bezüge bestehen – das erklärt sich dann aus politischen Gründen.

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      Abb. 1 Unterschiedliche Möglichkeiten der Abgrenzung der Region Hamburg (eigene Darstellung nach Metropolregion Hamburg o. J., Kropp & Schwengler 2011, BKG 2015)

      Regionalisierungen können auf sehr unterschiedlichen Maßstabsebenen und implizit auch mit unterschiedlichen Abgrenzungskriterien argumentieren. Diese Antwort-Optionen lassen sich systematisieren, wie Tab. 1 zeigt. Übergeordnet lassen sich Regionen dabei zunächst definieren als „Ausschnitt der Erdoberfläche, der über bestimmte gemeinsame oder verbindende Merkmale und Eigenschaften definier- und abgrenzbar ist“ (Braun & Schulz 2012: 83). Im Speziellen ist dann zwischen funktionalen / homogenen, administrativen und diskursiven Abgrenzungsmöglichkeiten zu unterscheiden.

Tab. 1 Formen der Abgrenzung und Definition von Regionen (Regionalisierung)
HomogenFunktionalAdministrativDiskursiv
räumliche Einheit von ähnlichen/gleichen Merkmalsausprägungenräumliche Einheit von miteinander verbundenen Elementen (Verflechtungen)Raumeinheiten für die statistische Erfassung und/oder für die Organisation politischer bzw. administrativer ZuständigkeitenRaumeinheiten in gesellschaftlicher Debatte (medial, politisch, alltagsweltlich)

      Zunächst lassen sich Regionen nach ähnlichen oder gleichen Merkmalsausprägungen abgrenzen. Das Homogenitätsprinzip stellt somit auf die gemeinsamen Merkmale eines Raumes ab. ‚Bierfranken‘ ist eine