Einführung Gerontopsychologie. Ben Godde

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Название Einführung Gerontopsychologie
Автор произведения Ben Godde
Жанр Документальная литература
Серия PsychoMed compact
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783846345672



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Standardisierte Tests setzen voraus, dass die Versuchspersonen in verschiedenen Situationen gleich reagieren oder dieselbe Leistung zeigen.

      Typische Ansätze, die vor allem in der Kognitions- und Neuropsychologie zur Anwendung kommen, sind die mentale Chronometrie und das Testing-the-Limits-Paradigma.

      Mentale Chronometrie

      In vielen kognitions- und neuropsychologischen Experimenten wird die Reaktionszeit der Probanden gemessen. Dieser Ansatz geht u. a. auf F. C. Donders (1818 – 1889) zurück. Donders nahm an, dass Aufgaben in elementare mentale Prozesse aufgeteilt werden können und dass jeder Prozess eine bestimmte Zeit in Anspruch nimmt. Mittels der Subtraktionstechnik (Abbildung 3.4) kann diese Zeit gemessen werden. Dieser Ansatz war sehr einflussreich und die Subtraktionstechnik ist auch heute noch sehr weit verbreitet, um die zeitliche Struktur mentaler Prozesse zu untersuchen.

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      Zur Illustration der Subtraktionstechnik stelle man sich vor, dass Probanden drei Aufgaben bearbeiten. In der ersten Aufgabe soll einfach nur eine Antworttaste gedrückt werden, wenn ein beliebiger Reiz erscheint, z. B. der Buchstabe „A“ oder „B“. Die involvierten kognitiven Prozesse sind das Wahrnehmen des Reizes und das Ausführen der Antwort. In der zweiten Aufgabe soll die Taste nur bei „A“ gedrückt werden. Hier muss also noch zusätzlich zum Wahrnehmen des Reizes und dem Ausführen der Antwort unterschieden werden, um welchen Reiz es sich handelt. In der dritten Aufgabe soll bei der Darbietung des „A“ die linke und beim „B“ die rechte Taste gedrückt werden. Hierbei sind auch Wahrnehmen des Reizes, Unterscheiden des Reizes und Ausführen der Antwort wichtig, allerdings muss noch die richtige Antwort ausgewählt werden.

      Testing the Limits

      Unter dem Begriff „Testing the Limits (TtL)“ sind Teststrategien subsummiert, bei denen es nicht um die Erhebung eines momentanen Zustandes, sondern um die Erfassung des Potenzials geht. Hierzu werden die gezielte Interventionsforschung und im Speziellen auch Studien zur Testung des Lernpotenzials gezählt. Als eine grundlegende Prämisse von TtL gilt, dass entwicklungs- und altersbedingte Unterschiede umso stärker hervortreten, je näher man an die absoluten Leistungsgrenzen herankommt. „Testing the Limits“ hat somit zum Ziel, Reserven zu mobilisieren und leistungshemmende Faktoren zu minimieren, um die (kognitive) Plastizität zu quantifizieren (Kühl & Baltes, 1988).

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      Bei Experimenten mit älteren Personen ist zu beachten, dass Verarbeitungsprozesse und Reaktionen generell verlangsamt sind. Bei der mentalen Chronometrie, aber auch bei anderen Tests, mit denen Reaktionszeiten gemessen und interpretiert werden, muss deshalb diesbezüglich kontrolliert werden.

      Feldstudien und Beobachtungen

      Mit Feldstudien oder Beobachtungen unter natürlichen Bedingungen will man einige Limitationen der Laborstudien umgehen. Hierbei werden die Probanden unter realen Bedingungen beobachtet und ihr Verhalten aufgezeichnet, ohne diese Bedingungen zu manipulieren oder zu kontrollieren. Eine beliebte Alltagssituation für ein solches Experiment in der Altersforschung ist der Straßenverkehr. Hier müssen die Versuchspersonen gleichzeitig auf viele verschiedene Reize reagieren und ein Ziel verfolgen. Aus dem Vergleich der Leistung in einer solchen realen Verkehrssituation mit der Leistung in ähnlichen Tests im Labor lassen sich ebenfalls Rückschlüsse darauf ziehen, inwieweit die Leistung Älterer durch die künstliche Situation im Labor beeinflusst wird.

      Die modernen technologischen Entwicklungen machen es heute möglich, mit sogenannten „virtual realities“ auch im Labor sehr realitätsnahe Bedingungen zu schaffen. Es ist zu erwarten, dass diese Methoden in Zukunft noch besser erlauben, ökologisch valide und dennoch optimal kontrollierte Versuchsbedingungen zu schaffen. Aufgrund der Weiterentwicklung von „Eye trackern“, Geräten zur Blickbewegungsmessung, können Blickbewegungsdaten auch in der Realität gemessen werden, z. B. während einer realen Autofahrt. Blickbewegungen geben beispielsweise Auskunft darüber, worauf ein Proband seine Aufmerksamkeit richtet.

      Weitere Strategien zur Datengewinnung

      Fragebögen und Interviews

      Fragebögen und Interviews werden verwendet, um Informationen über eine Gruppe oder unterschiedliche Gruppen von Personen zu erhalten, die dann für eine größere Population mit ähnlichen Merkmalen generalisiert werden können. Der Umfang solcher Befragungen kann von einem einseitigen Fragebogen bis zu mehrstündigen Interviews reichen. Der Vorteil von Fragebögen liegt darin, dass diese gleichzeitig an viele verschiedene Personen verteilt werden können und damit die Zahl der Untersuchten deutlich höher ist als im Labor. So erreicht man über das World Wide Web heute viele tausend Teilnehmer gleichzeitig. Interviews, sei es persönlich oder telefonisch, sind hingegen ähnlich aufwendig wie Laboruntersuchungen und werden häufig an einer deutlich kleineren Stichprobe durchgeführt. Mit Fragebögen und Interviews können sowohl qualitative als auch quantitative Daten im Selbstreport erfasst werden.

      Strukturierte und nicht strukturierte Interviews

      Bei qualitativen Interviews unterscheidet man strukturierte (standardisierte), teilweise strukturierte (teilstandardisierte) und unstrukturierte (nicht standardisierte) Verfahren. In (teilweise) strukturierten Interviews sind die imagesFragen je nach Antwort der Befragten vorgegeben, sodass die nachträgliche Standardisierung der Antworten und die Vergleichbarkeit erleichtert werden.

      Fallstudien

      Um einen umfassenden und detaillierten Eindruck von einer einzelnen Person zu gewinnen, verwendet man sogenannte Fallstudien. Der Fokus liegt auf den Charakteristiken des Individuums und seinen persönlichen Erfahrungen. Fallstudien werden in der Regel im medizinischen Umfeld durchgeführt, wenn individuelle Diagnosen und daraus abzuleitende Therapien erforderlich sind. Gewonnene Daten aus Fallstudien können nicht generalisiert werden.

      Fokusgruppen

      Eine weniger formale Forschungsstrategie ist die Fokusgruppe. Darunter versteht man ein Treffen mit mehreren Teilnehmern zu einem bestimmten Thema. Diskussionen in Fokusgruppen werden vom Diskussionsleiter bezüglich des gewünschten Themas gesteuert. Das Ziel kann sein, konkrete Forschungsfragen für zukünftige Studien zu identifizieren oder Eindrücke über die Einsetzbarkeit eines Messinstruments oder einer Intervention zu erhalten. Solche Fokusgruppen haben den Vorteil, dass sie schon im Vorfeld einer geplanten Studie wichtige Probleme und konfundierende Faktoren deutlich machen können, die dann in der Studie selbst noch berücksichtigt werden können. Dies ist vor allem dann von Vorteil, wenn erst wenig wissenschaftlich gesichertes Wissen bezüglich des Forschungsthemas vorhanden ist. Nachteilig ist, dass die Methode offensichtlich wenig standardisierte Daten liefert, die weder einfach noch systematisch analysiert werden können.

      Metastudien

      Die Ergebnisse einzelner Studien – Laborstudien, Befragungen, Fallstudien – können in Metastudien zusammengefasst werden. Vorausgesetzt, die Daten der Einzelstudien sind ausreichend beschrieben oder zugänglich. Die Ergebnisse der einzelnen Studien lassen sich mit geeigneten statistischen Verfahren vergleichen und zu einer größeren Stichprobe zusammenfassen. Die Schlussfolgerungen aus solchen Metastudien sind in der Regel noch aussagekräftiger und besser generalisierbar als die der Einzelstudien.

      Evaluationsstudien

      Zu Trainings- oder Interventionsstudien werden häufig auch Evaluationsstudien durchgeführt. Diese haben zum Ziel, die Wirksamkeit, Effektivität und Machbarkeit der jeweiligen Intervention zu belegen oder zu quantifizieren.