Название | Zeichentheorie |
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Автор произведения | Rudi Keller |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846348789 |
Kommen wir nun zu der Frage, was Frege als Sinn und was als Bedeutung von Sätzen ansieht. Die Antworten ergeben sich aus dem bisher Gesagten nahezu von selbst: Werden Prädikate durch Eigennamen gesättigt, entstehen Sätze. Daraus folgt: Wird die Bedeutung eines Prädikats durch die Bedeutung eines Eigennamens gesättigt, entsteht die Bedeutung des Satzes. Die Bedeutung des Prädikats ist der Begriff; die Bedeutung des Eigennamens ist der Gegenstand. Der Begriff ist eine FunktionFunktion, die Gegenstände in Wahrheitswerte abbildet. Wird also der Begriff durch einen Gegenstand gesättigt, entsteht ein Wahrheitswert. Es ist verblüffend, aber folgerichtig, wenn Frege sagt: „So werden wir dahin gedrängt, den Wahrheitswert eines Satzes als seine Bedeutung anzuerkennen.“27 Eine andere Überlegung führt uns zu demselben Ergebnis: Wenn wir in einem Satz den Eigennamen durch einen anderen ersetzen, der die gleiche Bedeutung hat, so darf sich auch die Bedeutung des Satzes nicht ändern. Was aber bleibt konstant, wenn wir einen Namen durch einen anderen, der auf denselben Gegenstand verweist, ersetzen? Konstant bleibt der Wahrheitswert.28 Es gibt für Sätze folglich genau zwei mögliche Bedeutungen. „Ich verstehe unter dem Wahrheitswerte eines Satzes den Umstand, daß er wahr oder falsch ist. Weitere Wahrheitswerte gibt es nicht. Ich nenne der Kürze halber den einen das Wahre, den anderen das Falsche.“29
Erinnern wir uns, ein NameName ist ein sprachlicher Ausdruck, der auf einen Gegenstand verweist; und ein „Gegenstand ist alles, was nicht FunktionFunktion ist, dessen Ausdruck also keine leere Stelle mit sich führt“.30 Ein Satz ist ein solcher Ausdruck, der keine leere Stelle mit sich führt, denn ein Satz entsteht, wenn ein Prädikat gesättigt wird. Ein Satz ist somit ein Name! Er ist „als Eigenname aufzufassen, und zwar ist seine Bedeutung, falls sie vorhanden ist, entweder das Wahre oder das Falsche“.31 Das Wahre und das Falsche sind somit keine Eigenschaften, sondern Gegenstände, die der Satz bezeichnet. Ein Behauptungssatz ist ein Name des Wahren oder Falschen. (Interessanterweise wird eine solche Auffassung auch durch unseren umgangssprachlichen Sprachgebrauch gestützt: Man sagt Sie sagt die Wahrheit, wenn sie etwas Wahres sagt, aber nicht Sie sagt die Schönheit, wenn sie etwas Schönes sagt.) Den Sinn eines Satzes, also die Art des GegebenseinsArt des Gegebenseins des Wahren oder Falschen, nennt Frege „GedankeGedanke“. Ein Satz drückt somit einen Gedanken aus und bezeichnet einen Wahrheitswert. Auch hier gilt: Ein Satz drückt, sofern er den Regeln der Sprache gemäß korrekt gebildet ist, einen Gedanken aus. Aber nicht jeder Satz bezeichnet notwendigerweise einen Wahrheitswert, das heißt, nicht jeder Satz hat eine Bedeutung im Fregeschen Sinne. Das gilt natürlich zunächst für alle nicht-assertiven Sätze, aber auch für einige assertive, nämlich für genau diejenigen Behauptungssätze, deren Prädikat keinen Begriff bezeichnet und/oder deren Prädikat mit einem Namen gesättigt ist, der keinen Gegenstand bezeichnet. Der Behauptungssatz Schneewittchen wog 73 kg hat keine Bedeutung, weil der Name Schneewittchen keine hat. Der von diesem Satz ausgedrückte Gedanke lässt sich so wenig auf seine Wahrheit hin beurteilen, wie sich Schneewittchen porträtieren lässt. Frege unterscheidet streng zwischen (i) dem Fassen eines Gedankens, (ii) dem Urteilen, d.h. dem Zuschreiben eines Wahrheitwertes, und (iii) dem Behaupten, d.h. der Kundgabe eines Urteils.32 „Wenn wir einen Gedanken innerlich als wahr annehmen, so urteilen wir; wenn wir solche Anerkennung kundgeben, so behaupten wir.“33 Daraus folgt: Der Satz Schneewittchen wog 73 kg lässt sich nicht behaupten. Denn über den Gedanken, den der Satz ausdrückt, lässt sich kein Urteil fällen, da der NameName Schneewittchen keinen Gegenstand bezeichnet und der Begriff, den das Prädikat wog 73 kg ausdrückt, nicht gesättigt ist. Wo ein Urteil nicht möglich ist, kann auch keines kundgegeben werden. Wer auch immer behauptet, dass Schneewittchen 73 kg wog, vollzieht also eine Scheinbehauptung!
Wir haben uns bezüglich der Theorie des AristotelesAristoteles gefragt, ob wir annehmen müssen, dass es sich um eine psychologische Bedeutungstheoriepsychologische Bedeutungstheorie handelt. Die Antwort war: Wir wissen es nicht, aber vieles spricht dagegen. Denn seine „Vorstellungen der Seele“ sind offenbar nicht als individualpsychologische innere Ereignisse konzipiert. Wenn es sich schon um eine psychologische Bedeutungstheorie handelt, so um eine entindividualisierte. Die analoge Frage können wir bezüglich Freges Theorie stellen. Wenn wir davon ausgehen, dass der Fregesche Sinn dem nahekommt, was man gemeinhin Bedeutung nennt, so können wir fragen: Hat Frege mit seiner Konzeption des Sinns eine psychologische Bedeutungstheorie (Bedeutung im nicht-Fregeschen Sinne) vorgelegt? Eine positive Antwort könnte etwa folgendermaßen begründet werden: Den Sinn eines Satzes nennt Frege „Gedanke“. Ein Gedanke ist das Produkt des Denkens. Denken ist ein individualpsychologischer Vorgang. Der Sinn eines Satzes ist somit das Produkt eines individualpsychologischen Vorgangs. Also ist die Theorie des Sinns eine psychologische Theorie. Eine solche Argumentation wäre ganz und gar nicht in Freges Sinne. Frege macht uns die Antwort leichter als Aristoteles, denn er äußert sich, vor allem in seinem Aufsatz „Der Gedanke. Eine Logische Untersuchung“, explizit dazu.
Der Gedanke ist für Frege eine Kategorie der Logik, nicht der Psychologie. Der Sinn des Satzes, also der durch ihn ausgedrückte Gedanke, ist auch, wie wir später sehen werden, keine Kategorie der SemantikSemantik einer Sprache. Er ist nicht gleichzusetzen mit dem, was man gemeinhin SatzbedeutungSatzbedeutung oder SatzinhaltSatzinhalt nennt. Schauen wir uns Freges Erläuterungen genauer an. „Der Logik kommt es zu, die Gesetze des Wahrseins zu erkennen.“34 Die Psychologie hingegen befasse sich mit psychologischen Gesetzen, etwa denen des Fürwahrhaltens. Man könne „zu der Meinung kommen“, schreibt Frege, „es handle sich in der Logik um den seelischen Vorgang des Denkens, und um die psychologischen Gesetze, nach denen es geschieht. Aber damit wäre die Aufgabe der Logik verkannt; denn hierbei erhält die Wahrheit nicht die gebührende Stellung.“35 Wir sehen also, dass Frege das Wort Gedanke auf eine sehr spezielle Weise verwendet. Der Fregesche „Gedanke“ soll gerade nicht das Produkt des Denkens sein. Der Gedanke ist das, was wahr oder falsch sein kann, unabhängig davon, ob er je gedacht oder gar behauptet wurde. Denn „zum Wahrsein eines Gedankens gehört nicht, daß er gedacht werde“.36 Wie entstehen Gedanken, wenn nicht durch den Vorgang des Denkens, und wo befinden sie sich? Sie entstehen nicht, sondern sie sind da, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sie sind zeitlos. Ihr Aufenthaltort ist weder der Kopf noch die Welt. „Die Gedanken sind weder Dinge der Außenwelt noch Vorstellungen. Ein drittes Reich muß anerkannt werden.“37 Was der Gedanke ist, charakterisiert Frege im Wesentlichen negativ. Die einzig positive Charakterisierung, die man geben kann, ist die bereits gegebene: Der Gedanke ist das, was man als wahr oder falsch beurteilt, wenn man ein Urteil fällt. „Eine Tatsache ist ein Gedanke, der wahr ist.“38 Tatsachen kann man weder hören noch sehen! „Daß die Sonne aufgegangen ist, ist kein Gegenstand, der Strahlen aussendet, die in mein Auge gelangen, ist kein sichtbares Ding, wie die Sonne selbst. Daß die Sonne aufgegangen ist, wird auf Grund von Sinneseindrücken als wahr erkannt.“39 Zum Wahren und somit zu den Tatsachen gelangt man, indem man über Gedanken Urteile fällt. Worin besteht das Denken eines Gedankens, wenn unter „denken“ nicht der Akt der geistigen Hervorbringung verstanden werden soll? Darauf kann Frege eine nur metaphorische Antwort geben: „Wir sind nicht Träger der Gedanken, wie wir Träger unserer Vorstellungen sind. Wir haben einen Gedanken, nicht, wie wir etwa einen Sinneseindruck haben; wir sehen aber auch einen Gedanken nicht, wie wir etwa einen Stern sehen. Darum ist es anzuraten, hier einen besonderen Ausdruck zu wählen, und als solcher bietet sich uns das Wort ‚fassen‘ dar. […] Beim Denken erzeugen wir nicht die