Bitcoin, Blockchain & Co. — Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (überarbeitete Ausgabe 2021/22). Joe Martin

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Название Bitcoin, Blockchain & Co. — Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (überarbeitete Ausgabe 2021/22)
Автор произведения Joe Martin
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783947921089



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die immer der unverän-derten Wahrheit entspricht.

      Daten, die für alle Zeiten unveränderbar, manipulations- und zensursicher gespeichert werden sollen, müssen auf vielen, vonein-ander völlig unabhängigen Computern (Nodes bzw. Knoten-punkten) gleichzeitig gespeichert sein. Sie müssen zudem so mit-einander verknüpft sein, dass eine nachträgliche Änderung durch einen Manipulator von der Mehrheit der unabhängigen Computer abgelehnt und ignoriert wird.

      Hausbesitzer können das nachvollziehen, denn wenn das Grund-buchamt manipuliert werden würde, dann besitzt plötzlich jemand anderes das eigene Grundstück. Das könnte mittels einer bösartigen Kollaboration eines Notars mit einem Mitarbeiter des Grundbuchamtes durchaus bewerkstelligt werden. Es wäre aber nicht mehr möglich, wenn die Grundstücksübertragung im ersten Schritt schon gleichzeitig bei vielen Hundert, unabhängigen Stellen registriert und beurkundet worden wäre. Dann müssten schon Hunderte von Notaren und Grundbuchämtern zusammenarbeiten. Das ist praktisch unmöglich. Zugegeben, so etwas kommt in der Praxis — zumindest in Deutschland — sicher nicht vor. Es besteht jedoch konstant die theoretische Möglichkeit. Dessen sollte man sich immer bewusst sein.

      Transaktionen ohne Zeugen

      Im Grunde dient die Grundstücksmetapher ja auch nur als Beispiel, dass es theoretisch möglich ist, Informationen zu verändern, wenn nur wenige Beteiligte und Zeugen involviert sind.

      Wenn man jemandem 100 Euro in bar gibt und er später behauptet, das Geld nie erhalten zu haben, dann ist das die gleiche Manipulation in einer einfacheren Variante — innerhalb eines zentralen Systems ohne Notar, also ohne Zeugen. Selbst wenn man einen Freund darum bittet, dabei zu sein, wenn man den anderen bezahlt, selbst dann kann man nicht zu einhundert Prozent sicher sein, dass der Freund ein verlässlicher Freund ist und nachher bestätigt, dass man dem anderen die 100 Euro gezahlt hat. Er kann es vergessen haben oder behaupten, er habe es vergessen, weil er von dem anderen bestochen wurde.

      Zu diesem Thema gibt es tonnenweise Literatur und viele Wissen-schaftler an Universitäten und anderen Hochschulen rund um die Welt beschäftigen sich mit diesen Zusammenhängen. Die Spiel-theorie ist eine Wissenschaft, die versucht, Systeme zu verstehen, die aufgrund verschiedener Incentives das Verhalten von Menschen, die interagieren, vorherzusagen. Die Spieltheoretiker möchten verstehen, wie viel Geld ein Empfänger, der einem Freund 100 Euro zahlen muss, damit er sich “nicht mehr erinnert” und damit als Zeuge ausfällt. Es gibt in der Theorie immer einen Betrag, der es für beide lukrativ macht, zu manipulieren. Vielleicht nicht gerade bei 100 Euro, aber bei Millionenbeträgen sind das sicher keine seltenen Ausnahmen.

      Wenn die Übergabe der 100 Euro nun aber von 1.000 Freunden beobachtet wird und alle 1.000 als Zeugen zur Verfügung stehen, dann wird jeder Richter glauben, dass die 100 Euro bezahlt wurden, auch wenn einer, zehn oder sogar 200 der Zeugen das Gedächtnis verlieren. Deshalb gilt: Je größer die Zahl der Zeugen ist, desto geringer die Gefahr der Manipulation.

      Transaktionen mit Zeugen und einem Diktator

      Die Grundstückseigentümer in Deutschland können also aufatmen. Auch wenn Grundstücksübertragungen nicht bei allen deutschen Grundbuchämtern parallel verzeichnet werden, ist es unwahr-scheinlich, dass die Eigentumsverhältnisse durch den Notar und das jeweilige Amt manipuliert werden.

      Was aber ist mit dem Staat? Der Staat ist in letzter Konsequenz die höchste zentrale Instanz. Ein Grundbuchamt ist auch nur eine staatliche Stelle. Ein Amt. Der Notar ist an die Gesetze gebunden. Droht den Grundbesitzern also doch Ungemach?

      Wie in allen zentralen Systemen ist die Gefahr der Manipulation auch innerhalb eines Staats gegeben. In einer funktionierenden Demokratie durch Politiker, die die Gesetze beschließen. Je nach Staat ist das mehr oder weniger einfach oder manipulativ. In Deutschland streitet man sich seit Jahren über die Zahlung der GEZ-Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Der Staat, als zentrale Stelle, hat ein System eingeführt, welches jeden zwingt, Geld für etwas zu zahlen, was nicht jeder nutzt. Beispiele für Zentralisierung und dadurch Manipulationen durch den Staat — je nach Budgetlage und Interessen — gibt es zur Genüge, auch wenn man denkt, dass man in einem freien, demokratischen Staat lebt. Anliegerkosten für die neue Straße, Müllabfuhrgebühren, Kirchensteuer und so weiter und so weiter.

      In einer Diktatur können sich Hausbesitzer gleich gar nicht mehr wohlfühlen. Wenn der Schwager oder Neffe des Diktators zum Beispiel den Wunsch äußert, ein schönes Anwesen zu besitzen, welches noch jemand anderem gehört, dann werden sich die Besitzverhältnisse schnell ändern. Das ist in der Geschichte mehr als einmal passiert. Die zentrale Instanz — der Diktator — verändert dann einfach die Regeln.

      Meist halten sich Diktatoren nicht sehr lange und treten irgend-wann ab oder werden entfernt. Dann beginnt das große Aufräumen und jetzt stellt sich die Frage, welches Gebäude, wem, wann gehört hat. Herr Müller behauptet, es sei seins, Herr Maier behauptet dasselbe. Herr Maier habe Herrn Müller schließlich bezahlt. Zeugen gibt es nur wenige, wenn überhaupt, und jeder hat eine andere Erinnerung. Das zuvor geschilderte simple Problem der Zahlung von 100 Euro ist plötzlich auch das Problem eines durch den Staat enteigneten Hausbesitzers. Es gibt keine verlässlichen Aufzeichnungen und keine verlässlichen Zeugen. Was ist zu tun?

      All diese oben genannten Probleme sind durch dezentrale Systeme elegant und zuverlässig zu lösen.

      In einem echten dezentralen System gibt es immer genügend Zeugen und alle Aufzeichnungen aus der Vergangenheit sind für alle Zeiten unveränderlich. Deshalb kann man sich auch blind auf diese Daten verlassen.

      Ein solches System hat Nakamoto mit Bitcoin erschaffen. Bitcoin ist das erste dezentrale System, mit dem man Werte einhundert Prozent fälschungssicher von einem Eigentümer zu einem anderen transferieren kann. Das ist nur innerhalb eines dezentralen Systems möglich.

      Dezentralität kann leider auch nur scheinbar vorherrschen

      An dieser Stelle entstehen oft schon die ersten Missverständnisse. Der Unterschied zwischen zentralem und dezentralem System ist ein ganz entscheidender. Ein zentrales System ist einfach zu definieren. In einem Netzwerk ist es die eine Stelle, auf der alles gespeichert wird und wo entschieden wird. In einem Computer-netzwerk ist das ein zentraler Computer, auch Server genannt.

      Ein zentraler Server kann aber natürlich, wie jedes andere Gerät auch, aus vielfältigen Gründen ausfallen. Dann hat man keinen Zugriff mehr auf die Informationen und Entscheidungen können nicht mehr getroffen werden. Deshalb stattet man in der Regel diese Server so aus, dass alle wichtigen Teile mehrfach vorhanden sind. Das Ersatzsystem übernimmt, wenn das Original ausfällt.

      Das nennt man ein redundantes System. Redundante Systeme sind, unter anderem, in der Luftfahrt Standard, denn wenn eine Signalleitung Richtung Triebwerk ausfällt, darf der Flieger nicht abstürzen, sondern sollte in jedem Fall die Steuerungsimpulse zu steigen oder zu sinken über eine parallele Leitung empfangen können.

      Datenverluste können katastrophale Folgen haben

      Wenn Entscheidungen vorübergehend nicht getroffen werden können, ist das in vielen Fällen unerfreulich, wenn aber die Festplatte des zentralen Servers beschädigt ist und damit die Daten verloren sind, ist das in den meisten Fällen eine Katastrophe. Deshalb sind Back-ups auch unerlässlich. Back-ups sind aber allenfalls eine Teillösung, denn sie müssen erst einmal zurück-gespielt werden und der Server muss wiederhergestellt werden. Besser als nichts, aber keine befriedigende Lösung.

      Deshalb kamen Ingenieure auch schnell auf das Konzept der sogenannten Spiegelplatten. Dabei werden die Daten nicht nur auf einer, sondern gleichzeitig auf weiteren Festplatten gespeichert. Die Mischung aus diesen Festplatten sorgt für einen reibungslosen Datenzugriff.

      Jedoch ist auch damit der Bestand der zentralen Einheit nicht wirklich garantiert, denn der komplette Standort