Die weise Schlange. Petra Wagner

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Название Die weise Schlange
Автор произведения Petra Wagner
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783959665964



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für das rauere Klima hier zugelegt. An meinem dünnen Umhang hier hat er mich umhergezerrt, dort hinüber zu dem Wassergraben!“

      Eilfertig zeigte Loranthus schräg hinter sich zum Wegesrand. Dann veranstalte er einen Ringkampf mit sich selbst, legte sich die Hände um die Kehle, als würde er sich würgen, und quetschte aus schiefgelegtem Hals heraus: „Ich habe mit ihm gerungen, leider war er zu stark. Gerettet hat mich ein dürrer Ast, auf dem ich rücklings zu liegen kam. Als mich der Kerl würgte, brach er unter der Gewalt und knackte dabei laut. Der Idiot hat wohl gedacht, er hätte mir das Genick gebrochen und ließ von mir ab. Aber er verpasste mir noch einen derben Tritt in die Seite. Ich habe keinen Ton von mir gegeben und mich tot gestellt, obwohl meine Rippen heftig wehtaten und er mir noch meine eigenen Sandalen an den Kopf geworfen hat, stell dir das mal vor!“

      Zog Loranthus zu dieser fadenscheinigen Ausrede etwa einen beleidigten Schmollmund? Nun raffte er auch noch seinen Umhang an sich, als wolle er seine Sandalen vorzeigen. Vivianes Augen wurden schmal.

      Solche Jammerlappen waren es nicht wert, auch nur einen Finger für sie zu krümmen. Obwohl, gerade verspürte sie den heftigen Drang, sämtliche Finger in seinen Haarschopf zu krallen und alles, was daran hing, durch diese verlockende Pfütze am Wegrand zu ziehen. Leider tat man das nicht mit Händlern und erst recht nicht mit griechischen. Zudem hatte sie einen Eid geschworen.

      Daher summte sie die Isa-Rune für innere Ruhe, wie sie es gelernt hatte, und allmählich trat die erwünschte Wirkung ein: Wozu sich aufregen? Dieser Loranthus vom Stamm der Hornochsen würde gar nicht begreifen, dass er in ihren Augen ein selbstsüchtiger, nutzloser …

      „Als ich so tot es ging da lag, hörte ich noch, wie der Anführer sagte, sie bräuchten sich nicht zu beeilen, sein Jüngster wolle noch etwas Schonzeit, bevor er wieder vom Weib des Statthalters ausgequetscht würde. Da haben alle gegrölt vor Lachen und dem Blonden auf die Schulter geklopft. Mein Peiniger fragte ihn sogar, ob sich sein Weib noch nicht beschwert habe oder ob er sie auch noch schaffe, wenn die Herrin mit ihm fertig sei.“ Entrüstet schüttelte Loranthus den Kopf. „Beim Zeus, ich hätte ihm für diese Dreistigkeit einen Fausthieb verpasst! Wie redete der denn mit dem Sohn seines Anführers?! Aber der Blonde hat nur geseufzt. Er gebe sein Bestes, hat er gesagt. Es war eine seltsame Unterhaltung, wenn ich so recht darüber nachdenke, denn Hermunduren haben ja gar keinen Statthalter.“

      Wozu der Hundeblick?! Verstand der griechische Hornochse den logischen Zusammenhang nicht? Nun, da konnte Viviane ihm auch nicht helfen, den verstand sie nämlich selbst nicht. Oder hätte der brave Bürger Roms gerne einen Statthalter für die Hermunduren? Viviane schürzte die Lippen, ihre Augen wurden sehr schmal. Wenn er jetzt noch anfing zu hecheln, flog gleich ein Stock bis nach Griechenland.

      Doch so weit kam es nicht, ein heftiges Zähneklappern brachte sie zum Umlenken. Auf Pfiff kamen ihre Pferde angetrabt und sie zog aus einer der vielen Taschen einen gelbgrün karierten Wollmantel, ein gelbes Hemd und brombeerfarbene Hosen. In einer anderen Tasche kramte sie nach einem Paar kniehoher Filzstiefel. Kaum drehte sie sich mit dieser Ausbeute in Händen um, zuckte Loranthus zusammen und ging ein Stück weg.

      Viviane konnte es nicht lassen und schleuderte das Stöckchen mit den Bisskerben weit über seinen Kopf in den Wald hinein, doch er sprang nicht darauf an; er schien es nicht einmal gemerkt zu haben. Achselzuckend legte sie der Sklavin die neuen Kleider auf den Baumstamm und half ihr beim Umkleiden.

      Diese ließ es mit müden Bewegungen geschehen und flüsterte: „So schöne Farben und so weich. Du bist so gut zu mir. Ich wünschte, ich könnte es dir vergelten.“

      „Ich nehme dich beim Wort, aber fürs Erste reicht es mir, wenn du mir deinen Namen verrätst, damit ich meine Patientin richtig anreden kann.“ Viviane wackelte neckisch mit den Augenbrauen. „Die Stiefel sind eigentlich für Schnee gedacht, aber die taugen auch für kleine frierende Wildkätzchen. So, jetzt ummantele ich dich noch fein, gleich wird es warm. Ist beste Filzwolle, da kann Loranthus’ dünnes Sommerdeckchen nicht mithalten.“ Resolut stülpte sie ihr die Kapuze über den Kopf, schlang den Mantel gleich zweimal herum, stach eine bronzene Fibel mit Pferdekopf-Motiv hindurch und klemmte die Nadel sicher in die Halterung. Zufrieden betrachtete sie ihre Einwickelkünste. Eine Raupe hätte es nicht besser gekonnt, auch die Farben passten gut.

      Die Arme konnte ihr Gegenüber zwar nicht mehr von sich strecken, aber dafür zeigte sie wieder dieses hübsche Perlenlächeln.

      „Mein Name ist Hanibu.“

      „Hanibu?! Ein feiner Name.“ Viviane nickte freundlich. Sanft strich sie über die verletzte Schulter, dann raffte sie die verdreckten Sachen zusammen und beorderte Hanibu mit einem Kopfnicken dicht an ihre Seite.

      „Komm!“, herrschte sie Loranthus an, der sich inzwischen wieder herangewagt hatte.

      „Hanibu braucht Ruhe! Eine viertel Wegstunde von hier liegt ein Gasthaus. Dort werden wir die Nacht verbringen. Und wehe, du sagst auch nur ein Wort dagegen. Also keinen Widerpart, ich hadere selbst genug mit mir.“

      Wehmütig schaute Viviane gen Westen in das einsetzende Abendrot und seufzte. Sie hätte es heute gern noch bis nach Hause geschafft, und für den Griechen allein hätte sie bestimmt nicht die letzte Fähre verpasst. Aber Hanibu brauchte ihre Hilfe und Bedürftigen zu helfen war schließlich ihre Berufung. Sie musste nur ein wenig umdisponieren, damit sie beide bequem reiten konnten.

      Mit ein paar Handgriffen hatte Viviane ihren Sattel von Dina auf Arion umgelagert, das Festzurren hingegen dauerte wesentlich länger. Arion ertrug es mit Gleichmut, dass Viviane an seinem Gepäck herumruckelte, bis sie endlich zufrieden war. Danach half sie Hanibu auf Dinas Rücken. So leicht und klein, wie sie war, würde Dina sie ohne große Mühe beide tragen können.

      Nach erneutem Kramen in einer ihrer vielen Taschen fand Viviane noch ein paar verschrumpelte Äpfel. Dina und Arion bekamen je einen, und einen drückte sie Hanibu in die Hand, die darauf starrte, als hätte sie noch nie einen Apfel gesehen.

      „Nun ja, er ist zwar nicht mehr der beste, aber garantiert auch nicht der schlechteste. Iss nur, Hanibu, der schmeckt!“

      Dankbar biss Hanibu hinein. Dieser kleine Apfel machte sie sehr, sehr glücklich. Süß, fruchtig und wunderbar warm, zauberte er ein Lächeln in ihre müden Augen.

      „Für dich habe ich auch einen, Loranthus, aber erst, wenn du oben sitzt“, sagte Viviane und ließ es mit Absicht wie einen Befehl klingen; ihr war aufgefallen, wie geringschätzig der Grieche ihre Äpfel gemustert hatte. Na, dem würde sie die Extravaganzen schon noch austreiben. „Hurtig, hoch mit dir!“

      Bestimmend zeigte sie auf Arion, und weil Loranthus nicht gleich reagierte, machte sie noch ein paar Handbewegungen, als würde sie ihn zur Not auch hochwerfen.

      „Das geht doch gar nicht“, maulte Loranthus. „Wie soll ich da raufkommen?“ Er ging einmal um Arion herum und suchte eine freie Stelle. Wie Viviane bei diesem Wust von Taschen auch noch ihren Sattel obendrauf festzurren konnte, war ihm ein Rätsel, aber sie hatte es geschafft, und eines war sicher: Vor lauter Gepäck sah er nicht einmal, wo das Pferd aufhörte. Zum Glück war der Kopf frei geblieben, so konnte er immerhin vorne und hinten unterscheiden.

      Weil Viviane keine Anstalten machte, auch nur eine einzige Tasche abzunehmen, damit er die Aufstiegsmöglichkeit wenigstens vermuten konnte, ging Loranthus noch eine Runde um Arion herum und grummelte: „Bei Poseidon, ist das ein kompaktes Riesenvieh!“

      Das hätte er lassen sollen. Aus dem Hinterhalt peitschte ihm Arion seinen langen Schweif in den Nacken, und kaum war Loranthus vorwärtsgetaumelt, hatte er auch schon ein ziemlich beleidigtes Pferdegesicht vor der Nase.

      „Kannst du mir mal helfen, Viviane? Der will mich nicht haben“, jammerte Loranthus und beugte sich weit nach hinten. Arion folgte ihm, den langen Schweif wieder zwischen den Taschen verborgen. Loranthus bekam arge Schräglage, beim kleinsten Zucken würde er umfallen.

      „Probiere es mal mit Bestechung“, gluckste Viviane und drückte ihm einen Apfel in die Hand. Hastig streckte er das verschrumpelte Ding, das ein Apfel sein sollte, von sich, und Arion schnappte zu.

      „Und