Tatort Rosenheim. Heinz von Wilk

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Название Tatort Rosenheim
Автор произведения Heinz von Wilk
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994920



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noch eine und haut mit dem Bein in der Schnauze ab. Von dem Schock ist Arnold sprachlos geworden, im wahrsten Sinne des Wortes. Stell dir vor, du schaust deinem Bein hinterher. So was gibst du ja nur ungern aus der Hand, oder?«

      »Und das Bein? Hat er das wiederbekommen?«

      »Bedauerlicherweise nein. Er hat sich dann selber ein Holzbein geschnitzt, als er wieder einigermaßen fit war, und er kommt sehr gut damit klar. Das Holzbein hat ein Geheimnis, nämlich … Oh Scheiß, da kommt er. Sag bloß nix von dem, was ich dir erzählt hab, ja? Der killt uns beide.«

      Und zu dem Riesen: »Na, alles gut abgelaufen? Stell mal die Biere in die Mitte und merk dir deinen neuen Namen. Wir werden berühmt, Alter. Ich spür das im Urin.«

      Arnold brachte ein furchterregendes Grinsen zustande und fuchtelte mit den Händen.

      »Was meint er?«

      »Was Unhöfliches. Hat mit einem Körperteil zu tun, wo selten die Sonne hinscheint. Ich will das jetzt nicht so wörtlich übersetzen.«

      Auer nahm sein Glas hoch, aber bevor er trinken konnte, kamen vier Männer aus dem Büro und schlenderten lachend an ihrem Tisch vorbei. Sie nickten ihnen zu, einer der Kerle, ein ziemlich dunkelhäutiger, großer und schlanker Bursche, grüßte lächelnd zurück. Der neben ihm sagte gerade: »Das ist kein Name, das ist eine Diagnose. Du kannst dich in dem Streifen nicht ›Sepp the Longhammer‹ nennen. Frankie Bigdick find ich auch irgendwie blöd. Lass uns da noch mal drüber reden, alles andere ist okay. Aber wie willst du einen Gamsbart-Hut auf deinen Afro kriegen?«

      Longhammer-Bigdick meinte: »Die Matte muss eh ab. Das passt schon. Mehr Sorgen macht mir das Jodeln. In meiner Zeit als Tatort-Leiche hat man so was nicht von mir verlangt.«

      »Du bildest dich halt künstlerisch fort, so ist das im Showbusiness!« Der schmale Kerl hinter dem Schwarzen gackerte wie ein Huhn.

      Aus dem Büro kam Chilis Stimme: »Max, kommst’ rein?«

      Auer trank von seinem Bier, nickte seinen neuen Freunden in ihren Plastikanzügen zu und stand auf: »Und immer schön üben: Du bist Arnold und du bist Danny, klar? Das müsst ihr im Schlaf aufsagen können.«

      Die beiden nickten unisono mit den Köpfen und prosteten ihm zu.

      Chilis Büro war von Zigarettenrauch vernebelt. Auer ging um den Schreibtisch rum und öffnete das Fenster. »Wow, Aussicht auf drei Müllcontainer und zwei Reihen Wellblechgaragen.«

      »Man tut, was man kann. Setz dich, was gibt es?«

      »Waren das eben deine neuen Filmpartner?«

      Chili grinste, lehnte sich in seinem Chefsessel zurück und legte die Beine auf den alten Schreibtisch. »Der große, dunkle Kerl ist ein echter Steher. Bis jetzt hat er das privat und aus Spaß an der Bumserei gemacht, aber mit dem kann man richtig Geld verdienen. Und er selber auch. Ein echtes Naturtalent, der Kerl. Und die anderen drei? Spinner, die glauben, ab jetzt könnten sie sich aufführen wie Harvey Weinstein oder Kevin Spacey. Die werden schon noch merken, was bei uns abläuft.«

      Auer wischte ein paar Ascheflocken vom Stuhl, bevor er sich setzte: »Der spielt aber keinen Bergförster, oder?«

      »Der? Nein, der ist im neuen Film der Milchalm-Sepp. Er kriegt einen Trachtenhut mit einem Riesengamsbart auf die Rübe und wird in eine kurze Lederhose mit bestickten Trägern gesteckt. Und dann geht’s ab. Den Muschibesen unter der Nase muss er sich natürlich abrasieren. Da kennen meine Mädels keinen Spaß. So was macht die seidene Unterwäsche kaputt.«

      Auer nahm das Glas, das ihm der Chili über den Schreibtisch schob, und vernahm dessen Prahlerei: »Schottischer Whiskey, 100 Jahre alt. So was kriegst du sonst nur im echten Hollywood. Probier mal.«

      Max roch an dem Glas und nahm einen kleinen Schluck. »Super. Hier, dein Filmstar, der ist für einen Senner aber ziemlich dunkelhäutig, würde ich mal sagen. Kauft dir deine Kundschaft so was ab?«

      Chili schaute zur Decke: »Na ja, er ist halt ein bissel maximal pigmentiert. Aber vielleicht hat er eine seltene Hautkrankheit und wird deswegen immer dunkler. So wie der Michael Jackson. Der hat ja auch so was gehabt, oder?«

      »Der Michael Jackson ist pechschwarz geboren und dann zum Weißen mutiert.«

      Chili schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Sag ich doch. Wie der Michael Jackson. Nur umgekehrt. Das ist ja das Fiese an so einer Krankheit. Der eine wird weiß, der andere schwarz. Fürchterlich, nicht wahr? Aber der Mann hat ein Gehänge, für so was brauchst du in manchen Ländern einen Waffenschein. Und genau das zählt in meinem Business. Außerdem: Was weiß ein ländlich lebender Inder in Peschawar oder ein Durchschnitts-Chinese in Shiang-Lo von solchen Dingen wie übermäßiger Hautpigmentierung? Und genau das ist ja meine Hauptkundschaft. Die gehobene ländliche Mittelklasse in den aufstrebenden Tigerstaaten. Geht alles in den Export, die komplette Produktion. Übrigens, wie findest du meine beiden Bodyguards? Ihr versteht euch ja schon ziemlich gut.«

      Auer nippte an dem Whiskey. »Der Große, ist der wirklich ein Finne?«

      Chili lachte: »Und wie. Der heißt auch so. Sehr finnisch, meine ich. Lars Tragel, Mutti Fierileinen oder so. Ich kann mir das nicht merken.«

      »Was steht in seinen Papieren?«

      »Papiere? Machst du Witze? In diesem Job braucht man keinen Stammbaum. Ich hab für hier drinnen keine Rassehunde angestellt, sondern zwei Muskelpakete. Du solltest die mal sehen, wenn’s hier abgeht. Freitagnacht, wenn die Prolos kommen. Die glauben, die können die Mädels mit nach draußen nehmen und abvögeln.«

      »Aber der Kleine? Ich meine, Muskelpakete, hey?«

      »Der ist okay. Hinterhältig und kampfstark. Und funktioniert wie eine kaputte Uhr: Zweimal in 24 Stunden liegt er genau richtig. Und das reicht mir hier in meinem Laden. Warum fragst du das alles? So langsam werde ich misstrauisch.« Chili fuhr sich mit der Linken über seinen goldblonden Pferdeschwanz und schaute Auer mit zusammengekniffenen Augen an.

      Tja, warum fragt er so viel, das denkst du jetzt auch, oder? Pass auf, ich sag es dir: Weil der Max Auer einer ist, der die Leute gerne ein wenig einlullt. Wie der Columbo im Fernsehen, aber das ist dir bis jetzt auch schon aufgegangen, oder?

      »Chili, jetzt entspann dich mal. Bei mir bist du in besten Händen, mach dir deswegen mal keine Sorgen. Oder doch. Mach dir Sorgen, das schadet nie. Grund dazu hast du auch. Es ist nämlich so: Die Geschichte hat keine Logik. Ich meine, du wirst mit deinem eigenen Porno erpresst, damit du dem Brunner nicht hilfst, seine Frau zu suchen. Fakt ist: Du hast selber was mit ihr am Laufen. So viel hab ich selber auch schon rausgekriegt.«

      Max beugte sich vor, legte beide Hände flach auf den Schreibtisch und klopfte dann mit den Knöcheln auf die Holzplatte. Bei jedem Wort ein Klopfer: »Jemand zu Hause? Hallo? Erde an Chili, hörst du mich? Ich bin’s, der Auer Max. Ehemals Zierde der Münchener Sitte, Dezernat 4, SOKO 12.«

      »Was?«

      »Genau. Punkt 1: Ihr beide seid ein Pärchen oder so. Die Sissi und du. Ich glaube sogar, wenn die ihre Tage hatte, an denen sie aus dem Nest geflogen ist, um sich zu amüsieren, da war sie bei dir. Der alte Brunner hat sich bei dir am Telefon ausgeheult und dich angebettelt, sie zu suchen. Du hast dich immer wieder erweichen lassen. Super. Und die Sissi gegen ein saftiges Bakschisch zu Daddy gebracht. Hast ihr sogar noch ein Alibi geliefert, indem du dem Alten erzählt hast, du hättest sie in Garmisch oder Kitzbühel oder sonst wo mit ihren Freundinnen erwischt. Und das, während dein Pimmel noch gar nicht trocken war und die Sissi in deiner Kiste noch einen Joint zum Abregen gezogen hat. Wenn das der Brunner erfährt, kannst du die letzten beiden Geschäfte, die ihr beiden noch durchziehen wollt, voll vergessen. Dem Brunner trau ich auch zu, dass er deinen Laden dichtmacht. Die nötigen Verbindungen dazu hat er.«

      Chili nahm die Stiefel vom Schreibtisch und kramte mürrisch in einer Schublade rechts unten: »Kannst du das beweisen?«

      Jetzt musst du wissen, dass der Auer Max als Knabe im Internat eine Zeit lang Messdiener war, genau wie der Erol Sander. Die haben sogar mal eine Messe zusammen gemacht, aber das