Das letzte Echo des Krieges. Der Versailler Vertrag. Susanne Brandt

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Название Das letzte Echo des Krieges. Der Versailler Vertrag
Автор произведения Susanne Brandt
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783159614168



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meinen Vorschlägen zuzustimmen, aber wird er sie in die Praxis umsetzen? Ich bezweifele das, denn er hat sich so sehr an nahezu diktatorische Befugnisse gewöhnt, dass es ihm schwerfallen wird, sie aufzugeben.«73

      Die Friedenskonferenz beginnt

      Im Januar 1919 trafen sich in ParisParis Vertreter der 27 Siegermächte, um die Bedingungen festzulegen, unter denen sie Frieden mit ihren ehemaligen Gegnern schließen würden. In den PariserParis Vororten wurden insgesamt fünf Friedensverträge zwischen Juni 1919 und August 1920 unterzeichnet. Deutschland unterschrieb am 28. Juni 1919 in VersaillesVersailles, ÖsterreichÖsterreich am 10. September 1919 in St. Germain-en-LayeSt. Germain-en-Laye; BulgarienBulgarien am 27. November 1919 in Neuilly-sur-SeineNeuilly-sur-Seine, Ungarn am 4. Juni 1920 in TrianonTrianon und die TürkeiTürkei am 10. August 1920 in SèvresSèvres. Alle diese Verträge gingen aus der PariserParis Friedenskonferenz hervor, die Übereinkunft mit Deutschland war für die Alliierten zweifellos die bedeutendste. Innerhalb einiger Monate leisteten die alliierten und assoziierten Mächte eine Herkulesaufgabe: Es gelang ihnen, Verträge aufzusetzen, die nicht nur von den Verlierern, sondern auch von den Siegern unterzeichnet werden konnten.

      Das war keineswegs gewiss gewesen, denn zahlreiche Krisen erschütterten die Konferenz. In vielen Fragen wichen die Vorstellungen und Ziele der Sieger weit voneinander ab: Gestritten wurde bisweilen um Detailfragen, zum Beispiel welches Land wie viele Delegierte entsenden durfte. Aber auch andere Themen bargen große Sprengkraft, etwa in wessen Besitz die ehemals deutschen Kolonien übergehen sollten. Auch die Frage, ob RusslandRussland an der Konferenz teilnehmen solle, wurde kontrovers diskutiert. Die Sieger wollten auf jeden Fall vermeiden, mit einer Einladung die Kommunisten als neue Regierung anzuerkennen. Am Ende nahm RusslandRussland nicht teil. Eine schwere Krise brachte die Konferenz im April 1919 an den Rand des Abbruchs, als der italienischeItalien Premierminister Vittorio Emanuele OrlandoOrlando, Vittorio Emanuele und Außenminister Sidney SonninoSonnino, Sidney ParisParis verließen. FrankreichFrankreich und GroßbritannienGroßbritannien hatten ItalienItalien 1915 Gebiete versprochen, die zu Österreich-UngarnÖsterreich-Ungarn gehörten, um das noch neutrale Land zum Kriegseintritt aufseiten der Entente zu bewegen. Nun wollten die Sieger nichts mehr von diesem Versprechen wissen. Erst Anfang Mai kehrten die ItalienerItalien an den Verhandlungstisch zurück. Diese schwere Krise erschütterte somit genau die Phase, in der die deutsche Delegation zur Vertragsübergabe nach ParisParis eingeladen worden war.

      Ein folgenschwerer Disput entzündete sich an dem Wunsch JapansJapan, in der Völkerbundsatzung die Rassengleichheit zu verankern. Dazu konnten sich die Großen Drei nicht durchringen. Die Frage nach der Höhe der Reparationen, die Deutschland leisten sollte, war so explosiv, dass die Delegierten sogar die Entscheidung verschoben. Genauer gesagt legten sie die Antwort in die Hände einer Kommission, die die genaue Reparationssumme errechnen sollte. Am Ende wurden zwar die Verträge unterzeichnet, aber nicht von allen Vertragspartnern ratifiziert, und das war ein schwerer Schlag für die Sicherung des Friedens sowie die Glaubwürdigkeit des Vertrages. Der Friede währte nur kurz, genau genommen schlossen sich Konflikte etwa in PolenPolen oder der blutige Bürgerkrieg in RusslandRussland (mit Beteiligung europäischer Mächte) unmittelbar an. Nur 20 Jahre später stand die Welt erneut in Flammen. Was ereignete sich in ParisParis? Wer waren die einflussreichsten Personen? Welche Kompromisse wurden geschlossen? Und was wurde eventuell versäumt?

      In ParisParis kamen ungefähr 10 000 Männer und Frauen zusammen, um die Friedensbedingungen auszuarbeiten. Unter ihnen waren Politiker, Militärs, Diplomaten, Übersetzer und eine Vielzahl von Mitarbeitern und Beratern, die zur Unterstützung der Staatsmänner in die französische Metropole gereist waren. Doch ungeachtet des großen Mitarbeiterstabes hatten drei Männer das Sagen: der amerikanische Präsident Woodrow WilsonWilson, Woodrow, der britische Premierminister David Lloyd GeorgeLloyd George, David und der französische Ministerpräsident Georges ClemenceauClemenceau, Georges, drei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. In den Reihen der Konferenzteilnehmer saßen auch Delegierte vieler Staaten, die sich Gehör von den Mächtigen und Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Pläne erhofften, beispielsweise beim Streben nach Unabhängigkeit. Schon sehr früh zeichnete sich ab, dass WilsonWilson, Woodrow sich nicht mit allen seinen Vorstellungen durchsetzen konnte. Er wünschte sich eine Konferenz, bei der alle, Freunde, Feinde, Neutrale, große und kleine Staaten, gemeinsam am Verhandlungstisch sitzen sollten, vor den Augen der Öffentlichkeit.74 FrankreichFrankreich und GroßbritannienGroßbritannien bestanden hingegen auf Geheimverhandlungen der Großmächte. Ihre Absicht, nicht mit Deutschland zu verhandeln, begründeten sie auch damit, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine demokratisch legitimierte Regierung in Deutschland gab; die Wahlen fanden erst am 19. Januar 1919 statt.

      Schon vor der Eröffnung der Friedenskonferenz trafen sich WilsonWilson, Woodrow, ClemenceauClemenceau, Georges und Lloyd GeorgeLloyd George, David am 12. Januar 1919 im französischen Außenministerium zur ersten Sitzung des Obersten Kriegsrates (dem späteren Rat der Zehn). Diese Vorverhandlungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, denn der britische Premier hatte nachdrücklich davor gewarnt, vor den Augen der Öffentlichkeit zu tagen, um sich nicht von der Presse Themen oder Meinungen aufzwingen zu lassen.75 Zudem sollten die Deutschen nicht aus der Zeitung vom Zwist der Sieger erfahren. Und es schien den Friedensmachern einfacher, hinter verschlossenen Türen Kompromissen zuzustimmen. Ohne die Öffentlichkeit sei es leichter, das Gesicht zu wahren, wenn man von eigenen Forderungen abrückte, befanden die Bevollmächtigten. Schließlich beobachteten die Politiker in der Heimat mit Argusaugen, was ihre Parteifreunde oder politischen Gegner in ParisParis erreichten. Eine kleine Schwäche, ein Fehler, ein Abrücken von den Versprechen konnte das politische Ende bedeuten. WilsonWilson, Woodrow, der in seinen im Januar 1918 vorgestellten 14 Punkten der Geheimdiplomatie eine klare Absage erteilt hatte, beugte sich also seinen Partnern, die ursprünglich angestrebte Transparenz wurde nicht verwirklicht. Um jedoch die Form zu wahren, eröffneten die Großmächte am 18. Januar 1919 unter Beteiligung aller Verbündeten (von BelgienBelgien bis UruguayUruguay) den Friedenskongress mit einer öffentlichen Plenarkonferenz. Bis auf acht weitere Vollversammlungen blieben die Verhandlungen allerdings geheim.

      Deutsche Vertreter waren in der ersten Konferenzphase bis zur Übergabe des Vertragsentwurfes am 7. Mai nicht anwesend. Damit signalisierten die Sieger, dass an der Verantwortung Deutschlands für den Beginn des Krieges kein Zweifel bestand. Die völkerrechtswidrige Verletzung der belgischen Neutralität war eine Schuld, die die Sieger für erwiesen hielten. Ebenso herrschte Einigkeit darüber, dass der U-Boot-Krieg gegen geltendes Kriegsrecht verstoßen hatte. Die Entschiedenheit, mit der die Sieger daran festhielten, nicht mit den Deutschen zu reden, spiegelte auch ihre Furcht, die mitunter täglich mühsam errungene Einheit könne in einem mündlichen Austausch mit den früheren Gegnern bröckeln. Und in diesem Punkt täuschten sie sich nicht, wie aus den Aufzeichnungen des deutschen Außenministers Brockdorff-RantzauBrockdorff-Rantzau, Ulrich von hervorgeht. Es war seine erklärte Absicht, die Sieger gegeneinander auszuspielen, um mit ihnen in Verhandlungen zu treten und die Bedingungen für Deutschland zu verbessern.76

      Die Konferenz vom 18. Januar bis zum 28. Juni 1919 kann in zwei Phasen unterteilt werden: Die erste Phase, in der die Alliierten miteinander verhandelten, dauerte bis zum 7. Mai 1919, also bis zur Übergabe des Vertragsentwurfes an die Deutschen. Diese Phase wird offiziell als »Präliminarfriedenskonferenz« bezeichnet. Die zweite Phase begann nach dem Eintritt in den ausschließlich schriftlichen Meinungsaustausch mit den Besiegten, ab diesem Zeitpunkt spricht man vom »Friedenskongress«. Tatsächlich bestand aber zwischen beiden Phasen kein Unterschied. Insgesamt waren über 10 000 Personen an den Beratungen beteiligt, allein die Delegation der USAUSA zählte mehr als 1000 Personen. Das wichtigste Organ war der Oberste Kriegsrat, der spätere Rat der Zehn. Er setzte sich zusammen aus je zwei Vertretern (dem Regierungschef und dem Außenminister) FrankreichsFrankreich, GroßbritannienGroßbritanniens, ItaliensItalien, JapansJapan und den Vereinigten StaatenUSA.77 Der Rat der Zehn legte die Grundinhalte des Friedensvertrages fest, er war der eigentliche Herr des gesamten Verfahrens.78

      Am 24. März 1919 wurde der Rat der Zehn durch den Rat der Vier ersetzt, dem nur noch die Ministerpräsidenten der drei großen europäischen Siegermächte angehörten sowie der Präsident der USAUSA, Woodrow WilsonWilson, Woodrow, und natürlich die Dolmetscher. Die Großen Vier kamen gewöhnlich zweimal am Tag zusammen,